Die Autorin:
Maria Ernestam, geboren 1959, begann ihre Laufbahn als Journalistin. Sie hat lange Jahre als Auslandskorrespondentin für schwedische Zeitungen in Deutschland gelebt, daneben eine Ausbildung als Tänzerin, Sängerin und Schauspielerin absolviert. Mittlerweile sind fünf hoch gelobte Romane von ihr erschienen. Für "Die Röte der Jungfrau" erhielt sie vor kurzem den Französischen Buchhändlerpreis. "Der geheime Brief" war in Skandinavien ein Bestseller und stand auch in Deutschland wochenlang auf der Spiegel-Bestsellerliste. Maria Ernestam lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Stockholm.
(Quelle: Verlagswebsite)
Kurzbeschreuibung (Verlagswebsite):
Ein Sommerhaus in Schweden – und ein Neubeginn am Meer
Die Literaturdozentin Viola reist mit ihrem Mann Axel, einem Rechtsanwalt, und ihren beiden Töchtern nach Südschweden ins Sommerhaus. Doch auf der Ferienidylle liegt ein Schatten: Axel, der erst vor kurzem von einer schweren Krankheit genesen ist, verhält sich seltsam gereizt. Viola hat das Gefühl, dass er ihr etwas verschweigt. Sie sucht Zuflucht in der Begegnung mit der 90-jährigen Lea, die – einst Missionarin in China – Viola nach und nach ihre unglaubliche Familiengeschichte offenbart. Je näher sich die beiden Frauen kommen, desto weiter scheint sich Violas Mann von ihr zu entfernen. Bis etwas geschieht, das Viola vor eine schwere Entscheidung stellt …
Allgemeines:
377 Seiten
21 Kapitel und fünf Erzählungen, die der Ich-Erzählerin von einer anderen Figur des Romans überreicht werden.
Inhalt:
Seit seine Krankheit ausbrach ist ihr Mann Axel nicht mehr derselbe. Die Literaturdozentin Viola hat sich eigentlich mit ihm immer wohlgefühlt, geliebt und geborgen in einer ungewissen Welt. Axel war immer ihr sicherer Hafen - doch nun ist er nur noch dabei, sie und die Töchter zu verspotten und zu verletzen, und ihre Arbeit nimmt er ebenfalls nicht mehr ernst. Axel stellt sich selbst und seine Arbeit in den Vordergrund, und es wird für Viola langsam Zeit, sich Gedanken darüber zu machen, ob sie es noch länger mit diesem Mann auahalten will oder nicht. Für ihn verzichtet sie auf so vieles - nun sogar auf den Italienurlaub, nur damit sie in der Nähe des Pflegeheims sein können, in dem Axels Mutter untergebracht ist. Die alte Frau ist dement und erkennt ihre Lieben zuweilen nicht mehr, und gerade Axel fällt es schwer, seine Mutter zu sehen, auch wenn er das niemals zugeben würde. Auch für Viola ist der Sommer in dem kleinen Ferienhaus nicht immer einfach, doch im Pflegeheim ihrer Schwiegermutter lernt sie unerwartet Linnea kennen, eine Frau von neunzig Jahren, die direkt in ihr Herz zu sehen scheint und die sich Violas Sorgen sofort annimmt. Sie hört ihr nicht nur zu und scheint direkt zu verstehen, was mit Axel und ihr los ist, sie erzählt Viola auch viel von der Liebe, von Verlust und Neuanfängen, denn als Missionarin in China hat Lea, wie sie genannt wird, viel erlebt und viel ertragen müssen. Sie gibt Viola außerdem eine Mappe, in der Erzählungen enthalten sind, die von Liebe und Trauer handeln, und die viel autobiographischer sind, als die alte Dame es Viola gegenüber zugeben würde. Mit Hilfe von Lea fasst Viola langsam den Mut, sich darüber klar zu werden, was sie eigentlich mit ihrem Leben anfangen will.
Meine Meinung:
Bevor ich zum Roman selbst komme, möchte ich anmerken, dass es sich mir auf den knapp 400 Seiten nicht erschlossen hat, warum der Roman "Das verborgene Haus" heißt. Der Titel hat in mir Erwartungen geweckt, die nicht erfüllt wurden - auf ein verborgenes Haus kann man in diesem Roman lange warten. Es kommen natürlich einige Häuser vor, aber keines ist verborgen oder irgendwie symbolisch aufgeladen. Der Originaltitel "Pa andra sida solen" bedeutet "Auf der anderen Seite der Sonne", was auch wirklich eine treffende Benennung des Romans ist, zumal Viola an einer Stelle explizit darauf eingeht, wie sie sich das Leben "auf der anderen Seite der Sonne" vorstellt.
Von dieser Mäkelei abgesehen hat mir der Roman sehr gut gefallen. Er erzählt eine traurige, manchmal erschreckende, manchmal schöne und manchmal wehmütige Geschichte über das Leben, über die Liebe und über Entscheidungen, die man manchmal für sich selbst treffen muss. Dabei hat Maria Ernestam mit Viola eine Figur geschaffen, die ich sehr authentisch fand. Viola möchte einerseits an ihrer Ehe mit Axel festhalten, andererseits stellt sie aber fest, dass er sich sehr verändert hat und dass sie sich mit ihm eigentlich überhaupt nicht mehr so fühlt wie früher. Sie muss sich fragen, ob sie nur an Vergangenem festhalten will, oder ob sie mit Axel vielleicht auch eine Zukunft hat. Sehr gut finde ich an der Darstellung der Beziehung zwischen Axel und Viola die Art und Weise, in der die Autorin beschreibt, wie gefangen Viola sich fühlt, obgleich sie eigentlich immer noch hofft, alles werde gut werden.
Besonders gut gefallen hat mir die Figur Lea, denn sie ist eine bemerkenswerte Frau, die durch ihre Missionarstätigkeit in China nicht nur unheimlich viel erlebt hat, sondern die auch viel über sich und über das Leben gelernt hat. Die Erzählungen, die sie Viola gibt, und die der Leser zusammen mit der Ich-Erzählerin dann zu lesen bekommt, sind zwar alle irgendwie traurig, erzählen von Schmerz und Verlust, andererseits aber sind sie - zumindest zum Teil - auch versöhnlich und machen Mut.
Ich habe ehrlich gesagt ein bisschen erwartet, dass es im Verlaufe des Romans einen Schlüsselmoment gibt, ab dem alles wieder rund läuft und Axel und Viola sich berappeln oder sich endgültig aufgeben - und zwar beides sehr glatt und klar, was auch immer es gewesen wäre. Die Autorin entscheidet sich für einen nicht so klaren Weg, eine Lösung, die mir besser gefallen hat, weil ich sie realistischer und glaubwürdiger finde.
Wer auf der Suche nach einem seichten Familienroman ist, der ist mit "Das verborgene Haus" sicher nicht gut beraten, aber wer Lust auf einen etwas nachdenklichen Roman mit glaubwürdigen Charakteren hat, der ist hier meiner Meinung nach gut beraten.
Fazit: Ein Buch, das zum Nachdenken anregen will - über uns und über das, was wir aus unserem Leben machen. Gelungen!