Hermann Hesse - Klein und Wagner

  • Bei dieser Erzählung steht ein innerer Konflikt im Vordergrund. Der Leser wird ganz tief, mit Hilfe des inneren Monologs, in die Gefühlswelt des Protagonisten Hans Klein gezogen. Klein ist von Daheim geflohen, hat Frau und Kinder zurück gelassen und bei seiner Bank irgendwie Geld unterschlagen, womit er jetzt im Zug nach Süden sitzt. Während der Fahrt kommt ihm ein gewisser Wagner in den Sinn, ein Lehrer über den er einen Artikel gelesen hat, dass er Frau und Kinder umgebracht hat – die zweite Ebene.
    In Italien angekommen lernt Klein die Tänzerin Teresina kennen, und führt ein sehr trieb gesteuertes Beisammensein mit ihr.


    Die Erzählung erinnert an eine Zergliederung aufgrund einer Psychotherapie, wie sie auch Hesse nach seiner gescheiterten Ehe mit C. G. Jung absolvierte. Somit hat von Wedel recht, dass die Werke von Hesse stark autobiographisch sind, denn „Klein und Wagner“ spiegelt das Innen und Außenleben des Autors wieder.

  • Inhalt
    Der biedere Beamte und treusorgende Familienvater Friedrich Klein ist mit gefälschten Papieren und unterschlagenem Geld auf der Flucht. In Italien lebt er, verfolgt von den Gedanken an sein furchtbares Verbrechen, in einem fortwährenden Albtraum aus dem es kein Erwachen zu geben scheint. Daran ändern auch verschiedene Geselligkeiten, die Klein aufsucht und seine Bekanntschaft mit der Tänzerin Teresina nichts. Gefangen in seiner eigenen Welt treibt er dem Untergang entgegen.


    Mein Eindruck
    Worin die schwere Schuld besteht, die Friedrich Klein auf sich geladen haben soll, kommt nicht klar zur Sprache. Ob er seine Familie nach einer kriminellen Amtshandlung einfach verlassen oder eine Bluttat begangen hat, bleibt der Fantasie des Lesers überlassen. Der Bezug zum zweiten Titelhelden, dem Mörder Wagner, und die Unfähigkeit Kleins, sein seelisches Gleichgewicht einigermaßen wiederzufinden, ließen mich letzteres vermuten, obwohl auch ein imaginäres Verbrechen nicht auszuschließen ist.
    Die sprachliche Ausdruckskraft Hesses, die in ihrer Dichte ihresgleichen sucht, und den Leser genauso wenig wie den Protagonisten zur Ruhe kommen lässt, hat mich sehr beeindruckt. Bald spielte das Schicksal des Friedrich Klein für mich nur noch eine untergeordnete Rolle, so stark drängen Hesses Gedanken zum letzten Sinn und Lebensziel in den Vordergrund.
    Und zu guter letzt hatte ich das Gefühl, dass der Autor seinem Lesepublikum seine eigene, in schweren inneren Kämpfen errungene Lebensweisheit offenbaren wollte. Die Quintessenz aller Überlegungen findet sich für mich in einem einzigen Satz, der sich kaum treffender formulieren ließe:
    "Nichts in der Welt war zu fürchten, nichts war schrecklich - nur im Wahn machten wir uns all diese Furcht, all dies Leid, nur in unsrer eignen, geängsteten Seele entstand Gut und Böse, Wert und Unwert, Begehren und Furcht."
    Sicher serviert der Meister mit diesem Büchlein keine leichte Kost, aber eine, die auch der Seele Nahrung gibt und viel Stoff zum Nachdenken bietet.