Jaume Cabré, Das Schweigen des Sammlers / Jo confesso

  • Org. Titel: Jo confesso
    Seitenzahl: 844


    Inhalt (Klappentext):
    Der Antiquitätenladen des Vaters in Barcelona ist eine wahre Schatzkammer, doch die Faszination des jungen Adria gehört allein einer wertvollen Geige aus dem 18. Jahrhundert mit einem bezaubernden Klang, die erste aus den Händen des berühmten Geigenbauers Lorenzo Storioni aus Cremona. Heimlich tauscht der Musikschüler Adria sie eines Tages gegen seine eigene Geige aus, um sie stolz seinem besten Freund Bernat zu zeigen. Als er die Storioni zurücklegen möchte, sind seine Geige und sein Vater verschwunden, der Antiquitätenhändler wurde kaltblütig ermordet.
    Viele Jahre danach - Adria ist inzwischen Gelehrter und Sammler - sucht er das Rätsel um die Herkunft der Storioni zu lösen und so den wahren Grund für den Mord herauszufinden. Doch er ahnt nicht, dass die Vergangenheit des Musikinstruments eine Geschichte von Familiengeheimnissen und dunklen Mordfällen, von Hass und Intrigen, Liebe und Verrat birgt. Der Schatten dieser Ereignisse ragt über viele Jahrhunderte europäischer Geschichte bis in Adrias unmittelbare Gegenwart und droht ihm alles zu nehmen - auch seine große Liebe Sara.


    Autor:
    Jaume Cabré, 1947 in Barcelona geboren, ist einer der angesehensten katalanischen Autoren. Neben Romanen, Erzählungen und Essays hat er auch fürs Theater geschrieben und Drehbücher verfasst. Seine Romane wurden vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem spanischen Kritikerpreis und dem französischen Prix Méditerranée, und in zahlreiche Sprachen übersetzt. Bereits auf Deutsch erschienen sind der Weltbestseller "Die Stimmen des Flusses" und "Senyoria".


    Allgemeines:
    Das Buch verfügt über eine Auflistung der Romanfiguren mit zeitlicher Zuordnung


    Meine Meinung u. Beurteilung:
    Adria, die tragende Figur dieses Romans, beeindruckt mich am meisten. Seine Eltern behandeln ihn oft als Gegenstand, den man hin- und herschiebt. Liebe, Vertrautheit und Fürsorge lernt er von ihnen nie kennen. Gästen und Besuchern wird er als Sprachgenie präsentiert. Ein Lob erntet er dafür allerdings nicht.
    Starke Charaktere mit Ecken und Kanten, Liebe zum Wort und Detail zeichnen alle Bücher von Jaume Cabré aus. In "Das Schweigen des Sammlers" vielleicht noch eine Spur intensiver. Menschen, Schauplätze und Ereignisse werden kunstvoll miteinander verflochten. Der Autor liebt Zeitsprünge, perfektioniert dieses Können in die Vollkommenheit. Er überschlägt damit Jahrhunderte und schafft das sogar in einem Satz. So beginnt er im 17. Jahrhundert und endet im 20. Ein absolut aufmerksames, konzentriertes Lesen ist somit unbedingt erforderlich. Kein Buch mal schnell fürs Wochenende. Handlungsstränge überlagern sich, aus Mosaiksteinchen wird ein großes Ganzes. Nicht einfach zu lesen und manchmal auch etwas verwirrend. Zeitweise kann ich mich nicht zwischen Fluch oder Jubel entscheiden. Trotzdem beflügelt mich zum Schluß der Gedanke das bisher beste Buch des Autors gelesen zu haben. Die stets fesselnde und spannende Handlung ist faszinierend.
    Wer noch keines von Jaumes Cabrés Bücher gelesen hat, sollte jedoch vielleicht nicht mit diesem anfangen.
    Fazit: Ein berauschendes Leseerlebnis mit hohem Geschichtswert und erstaunlich zusammengeführten Parallelen zwischen Inquisition und Nazi-Zeit.
    Von mir gibt es :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb: und meine Leseempfehlung! :thumleft:


    Liebe Grüsse
    Wirbewind


    :study: Rolf Lappert, Pampa Blues

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Danke für deine Rezi, ich habe schon sehnsüchtig darauf gewartet. :D
    Das Buch ist mittlerweile zwar in meinem Regal eingezogen, aber da es ganz schön dick ist, werde ich es wohl erst in den nächsten Semesterferien schaffen. Dann werde ich es aber gleich lesen und berichten. Ich freue mich schon zu lange auf ein neues Buch von Cabré. :lol:


    :winken:

  • Danke für die schöne Rezi. :thumleft: Ich habe mir das Buch vor kurzem auch gekauft. Da es aber wohl eines dieser Bücher ist, für die man sich ausreichend Lesezeit nehmen sollte, werde ich es mir wohl auch bis zu meinem nächsten Urlaub aufheben. Ich bin schon gespannt darauf, ich habe bisher noch kein Buch von Jaume Cabré gelesen.

    "Vergiss nie, was du bist, denn die Welt wird es ganz sicher nicht vergessen. Mach es zu deiner Stärke, dann kann es niemals deine Schwäche sein. Mach es zu deiner Rüstung, und man wird dich nie damit verletzen können."
    (Aus "Die Herren von Winterfell" von George R. R. Martin)


    :study: "Auris - Die Frequenz des Todes" von Vincent Kliesch

  • Herzlichen Dank für die tolle Rezension. Dieses Buch lese ich auf meinem E-Book Reader, und wie du schon erwähnt hast es verlangt eine absolute Aufmerksamkeit. Zudem bin ich sehr froh um die Auflistung der Personen somit verliert man nicht so schnell den Überblick.
    LG
    Serjena

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Dann wünsche ich euch allen viel Vergnügen beim Lesen! :D


    Liebe Grüsse
    Wirbelwind


    :study: Odile Kennel, Was Ida sagt

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









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  • Oh, toll, dass es schon eine Rezension hierzu gibt. Darauf bin ich auch schon sehr gespannt!

  • Die Lektüre dieses Romans ist wunderbar in seiner Gesamtheit. Wie schon Wirbelwind erwähnte keine leichte Lektüre zwischendurch. Der Autor erstellt mit dieser Geschichte ein Gemälde in dessen Zentrum Adrià steht, welches die Geschichte der Eltern, den Grosseltern sowie vielen weiteren Personen erzählt. Unzählige Details fliessen in diese Erzählung hinein welche sich zu einem Ganzen entwickeln.
    Auch ich habe einige Male, nicht nur verärgert denn Kopf geschüttelt, sondern stand dem „fluchen“ nahe. Dem Autor gelingt es, den Leser (ich denke mit grossem Vergnügen) zu verwirren und zur Verzweiflung zu bringen. Wenn man endlich die Puzzleteile wieder richtig eingeordnet hat, stellt sich eine grosse Erleichterung ein und man liest vergnügt weiter.
    Es ist nicht nur eine wechselvolle Geschichte über Jahrhunderte hinweg, es ist auch die Geschichte einer Geige, erbaut von Lorenzo Storioni, somit eine Geschichte voller Musik.
    Man spürt als Leser dass Jaume Cabré Musik sehr liebt und diese Liebe in seine Bücher einfliessen lässt. Da diese Geschichte nicht nur von Liebe und Freundschaft handelt, sondern oftmals dem Leser Gier, Hass, Tod und Verachtung entgegenschlägt sind es diese feinen Töne der Musik welche tröstend eingreift.
    Mir gefällt der Titel „Yo confieso“ wie er im Original heisst, wesentlich besser den er entspricht eher dem Inhalt des Romans.

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Nachtrag.
    Auf Wikipedia gelesen, aufmerksam gemacht worden durch eine Freundin.

    Zitat

    Der deutsche Titel seines 2011 erschienenen Romans Jo confesso verweise nicht auf das zentrale Motiv, sondern sei kommerziellen Überlegungen des Verlages zum Opfer gefallen.

    Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Jaume_Cabr%C3%A9


    Wenn dies korrekt ist, stimmt es mich etwas traurig, bestärkt mich jedoch dass mein Empfinden der Originaltitel entspreche besser dem Inhalt richtig ist.
    LG
    Serjena

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Zeitweise kann ich mich nicht zwischen Fluch oder Jubel entscheiden. Trotzdem beflügelt mich zum Schluß der Gedanke das bisher beste Buch des Autors gelesen zu haben.

    Kann ich so unterschreiben. Ich denke zwar dauernd, dass mich "Die Stimmen des Flusses " thematisch mehr angesprochen haben, aber "Das Schweigen des Sammlers" ist schon grandios.


    Vor allem macht es Lust die anderen Bücher noch einmal zu lesen.


    Die Zeitsprünge nerven mich zwar immer noch, aber mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt.
    Ich habe jetzt noch 100 Seiten vor mir und die werde ich heute noch schaffen, dann versuche ich mich an einer Rezi. :winken:

  • Die Zeitsprünge nerven mich zwar immer noch, aber mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt.
    Ich habe jetzt noch 100 Seiten vor mir und die werde ich heute noch schaffen, dann versuche ich mich an einer Rezi.


    Oh darauf freue ich mich schon sehr!!!


    Liebe Grüsse
    Wirbelwind

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • An eine Rezi werde ich mich am Wochenende setzen, muss das erst einmal sacken lassen.


    Jetzt ein paar Fragen:



    Ich weiß nicht, ob meine Fragen beantwortet wurden im Buch oder ob es einfach unvollendet war


    Irgendwie ist es ein ungerechtes Buch.

  • @hasewu
    Es ist doch schon einige Zeit her seit ich dieses Buch las, versuche dir dennoch einige Antworten zu liefern.


    Hoffe damit kannst du wenigstens zum Teil, etwas anfangen.
    LG
    Serjena

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    Horst Lichter

  • Oje du erwartest jetzt doch nicht, dass ich die Antworten, die Jaume Cabre nicht gibt, finde!
    Unmittelbar nach dem Lesen war in meinem Kopf nur ein großes Fragezeichen, man muß es tatsächlich erst mal sacken lassen.
    Nicht ohne Grund nennt Jaume Cabre seinen Roman endgültig unbeendet und seine Ideallösung besteht darin die verschiedenen Zeitepochen und Gedanken zu vermischen. Ich kann somit ohne Spoiler antworten, weil es niemand versteht ohne das Buch gelesen zu haben.
    Adria ist tot, ja - das warum stellt sich mir nicht. Der Autor bietet Krankheit an. Das ist für mich real, aber auch da schiebt sich das alte Kloster dazwischen.
    Was mich wahnsinnig beschäftigte, wer hat den Vater getötet. Ich fand nicht einmal den Ansatz einer Antwort, nur Möglichkeiten, die zu Spekulationen führten. Ich denke nicht, dass ich da etwas überlesen habe. Ich denke das ist für den Autor nicht von Bedeutung - für mich schon.
    Ob Jaume Cabre nun bewußt das relativ offene Ende gewählt hat oder er selber keine Antworten wußte, wie einige Leser ihm vorwerfen - so setze ich mal auf Absicht, sonst müsste ich Sternchen abziehen.
    Auf deine Rezi bin ich gespannt. :wink:
    Liebe Grüsse
    Wirbelwind

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









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  • Ui, ihr macht ja wahnsinnig neugierig auf das Buch! Bücher die einem noch nachhaltig beschäftigen sind für mich immer die besten.
    Danke noch mal für eure Eindrücke und Rezensionen :winken:

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


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  • Ok, ich habe nur gefragt, weil ich gedacht habe, etwas überlesen zu haben, aber anscheinend war das nicht der Fall.


    Nur noch mal zu Gertrud


    Das habe ich nicht so ganz umrissen.


    Zum Ende


    Er scheint eine Vorliebe dafür zu haben.

  • Was den Vater betrifft



    Dieses Buch lässt mich sehr ratlos zurück. Ich denke wirklich, dass man Cabrés Bücher mindestens zweimal lesen muss. Einmal um überhaupt zu wissen um was es geht und zum zweiten Mal um dieses Wissen auch zu verstehen. :lol:

  • Dieses Buch lässt mich sehr ratlos zurück. Ich denke wirklich, dass man Cabrés Bücher mindestens zweimal lesen muss. Einmal um überhaupt zu wissen um was es geht und zum zweiten Mal um dieses Wissen auch zu verstehen.


    Nun ich würde das nicht allgemein auf seine Bücher beziehen, aber ja er liebt es geheimnisvoll, zieht sich gerne mit offenem Ende zurück und fordert den Leser heraus. Ich werde "Das Schweigen des Sammlers" sicher irgendwann nochmals lesen, könnte jedoch schwören, dass mir dann mit mehr Abstand wieder ganz andere Dinge auffallen.
    Mit "Stimmen am Fluss", das gut überschaubar ist, würde ich es jedoch nicht unbedingt vergleichen. Einzige Gemeinsamkeit das etwas offene Ende.


    Liebe Grüsse
    Wirbelwind

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  • Wirbelwind
    Da möchte ich dir widersprechen, denn ich kann mir nicht vorstellen dass der Autor mal einfach so eine unwichtige Geschichte in diesen Roman eingebaut hat.



    Um die Geschichte dieser Persönlichkeit jedoch wirklich verstehen zu können müsste ich das Buch nochmals lesen. Ganz vorsichtig interpretiert würde ich sagen Sie steht für Verbrechen, Unrecht welches gesühnt werden sollte.
    Denn Adrià beschäftigt sich schreibend sehr mit diesem Thema, und die Geschichten um diese Persönlichkeit, wage ich zu sagen sind das Resultat seiner Überlegungen.
    LG
    Serjena

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • serjena
    Ich sagte ja schon, dass ich das Buch ein zweites Mal lesen sollte. Auch muß man berücksichtigen, dass es inzwischen einige Monate her ist seit ich es gelesen habe, also nicht alles so frisch im Gedächtnis ist wie bei jemandem, der es gerade eben gelesen hat. Diese Gertrud erwacht so leicht wieder in meinem Gedächtnis, aber wirklich festgesetzt hat sich da nichts, sorry.
    LG Wirbelwind

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









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