Mathias Gatza - Der Augentäuscher

  • Kurzbeschreibung: (Quelle: Verlagsseite )
    Es war nichts als eine dunkel angelaufene Metallplatte, in die die Zahl 1673 geritzt war. Aber der Fund war spektakulär. Die Reste eines Photos aus dem 17. Jahrhundert? Obwohl die Photographie erst im 19. erfunden wurde? Humbug, völlig unmöglich. Niemand glaubt dem verkrachten Wissenschaftler. Im Jahr 2002 jedoch, bei den Aufräumarbeiten nach dem Elbhochwasser in Dresden, stößt er auf einen Druckbogen im Bleisatz, dessen verklebte Seiten er löst und: das zweite Glied einer großartigen Beweiskette entdeckt. Schilderungen über einen gewissen Silvius Schwarz, hochbegabter Stillleben-Maler, Libertin und Atheist, der in Dresden aus einer Camera obscura ein künstliches Auge gebaut hat. Seine Geliebte, die wilde, schöne Sophie von Schlosser, berühmte Mathematikerin und Gambenvirtuosin, war ebenso Anlass für Neid und Missgunst wie Silvius’ Erfindung: die Eins-zu-eins-Wiedergabe der Natur. Nur wenigen gewährt er einen Blick auf seine Kunst, und dann nur flüchtig, bei Kerzenschein… Bald als Magier und Blasphemiker gejagt,wird Silvius auch noch verdächtigt, mit den geheimnisumwobenen Ritualmorden zu tun zu haben, die die höfische Welt erschüttern…


    Zum Autor: (Quelle: Verlagsseite )
    Mathias Gatza, geboren 1963 in Berlin, begann seine Verlagskarriere bei Wagenbach. 1990 gründete er den Mathias Gatza Verlag, in dem er vor allem deutschsprachige Gegenwartsliteratur verlegte. Dies setzte er ab 1996 als "Gatza bei Eichborn" fort; danach als Lektor beim Berlin Verlag und bei Suhrkamp. Sein erstes Buch Der Schatten der Tiere (Rowohlt 2008 ) pries die FAZ als schönsten Debütroman der Saison.


    Umfang: 383 Seiten.
    Die Handlung verteilt sich auf drei Ebenen: Die Bögen des Setzers Leopold, Briefwechsel zwischen Silvius und Sophie, Anmerkungen des Herausgebers.


    Eigene Inhaltsangabe:
    Der Herausgeber, ein erfolgloser Kunsthistoriker und ewiger Doktorand, greift nach dem letzten Strohhalm – Den Scherz eines Professors „über Schwarz zu schreiben“ nimmt er gar zu deutlich. Nach anfänglicher Verzweiflung ist klar – es hat tatsächlich einen barocken sächsischen Maler namens Schwarz gegeben, Silvius Schwarz! Der Herausgeber wirft sich nun voller Elan in seine neue Aufgabe, stets wird er dabei unterstützt von seinen oft wechselnden Partnerinnen. Als Sozialarbeiter, mit Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und, nicht zuletzt, mithilfe seiner Freundinnen hält er sich über Wasser. Schließlich wird ihm unverhofft ein erster Hinweis in Form eines Bogens des stummen Setzers Leopold zugespült – im wahrsten Sinne des Wortes. Darin verewigt: Das Leben Silvius Schwarz', besonders das Jahr 1673. In den nächsten Jahren finden sich immer mehr Bögen von Leopold, zudem ein Briefwechsel zwischen Silvius Schwarz und seiner Cousine und Geliebten Sophie von Schlosser. Silvius ist ein Maler, dem es schon bald nicht mehr genug ist, nur das Subjektive wiederzugeben. Er sucht immer neue Wege, seinen Bildern eine Realität anzuheften, wie es den wenigsten seiner Zeit gelingt, aber auch das ist ihm nicht genug und so sucht er bald nach Möglichkeiten das Licht selbst einzufangen und damit den Geist einer Sache. Doch seine Arbeit wird überschattet von anderen Vorkommnissen, die auch bald ihn selbst betreffen.


    Meine Meinung:
    Durch diese Perspektivenwechsel gewinnt man einen umfassenden Blick auf Silvius Schwarz und dessen Wirken. Leopolds Sicht ist distanziert, er nimmt ihn wahr, wie ihn auch die anderen wahrnehmen, auch wenn er Silvius näher steht als andere. In Silvius' Briefen an und von Sophie bekommt man ein ganz anderes Bild von ihm. Mit beinahe fanatischem Eifer stürzt er sich in die Arbeit um eine Perfektion finden, die damals unerreicht war. Sein Antrieb ist enorm, von den Geschehnissen um ihn herum bekommt er kaum etwas mit, von denen erfährt man anfangs fast ausschließlich aus Leopolds Bögen. Sophie wiederum ist eine sehr impulsive, fordernde und auch eifersüchtige junge Frau. Ihre Liebe stellt sich stets als Gratwanderung dar – zerstörerisch auf der einen Seite, aber mit hingebungsvoller Sehnsucht auf der anderen. In Silvius' Liebe zur Malerei (und Forschung) findet Sophie ihre ärgste Konkurrentin. Silvius‘ Wandlung wird sehr deutlich, anfangs ist er noch voller Eifer, später ist er schon richtig besessen von seiner Arbeit. Unter seinen Mitmenschen ist er der Augentäuscher, der schon mit seinen „gemalten“ Bildern Aufsehen erregt, von seinem Vorhaben ganz zu schweigen. Zwischendurch verfolgt man staunend die jahrzehntelange Arbeit des Herausgebers. Mit Glück, teils mit Können aber auch mit eher unredlichen Methoden sammelt er immer mehr Quellen und muss dabei auch in einem Wettbewerb bestehen.
    Die Sprache ist immer treffend. In den Anmerkungen pointiert, mit teils beißender Ironie, spiegelt sie sehr gut den Charakter des Herausgebers wieder. In den „historischen Belegen“ jedoch ist die Sprache überbordend, ausschweifend und um sprachliche Bilder nicht verlegen, sehr barock eben. Mir hat besonders gut die Vierteilung der ganzen Handlung gefallen – jede Sicht der vier Personen hat ihren ganz eigenen Charakter, der Autor versteht es sehr gut, sie einzeln zum Leben zu erwecken und alle durch ihre Worte agieren zu lassen. Die ganze Handlung stellt ein vielschichtiges Gebilde dar, was sehr schön konstruiert ist und jede Ebene für sich schon sehr beeindruckend, zusammen kann man sich in ihr verlieren. Die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen fast, ich war von der ersten Seite an gefangen von Sprache und Handlung.

    Fazit:

    Der Roman besticht vor allem durch seine Vielschichtigkeit. Die einzelnen Stränge sind herrlich herausgearbeitet, die Personen werden nicht nur durch ihre Taten, sondern auch durch ihre Sprache sehr gut charakterisiert. Das setzt sich auch in der Handlung fort: Bahnbrechende (und verkannte) Erfindungen, eine intensive Liebe, mysteriöse Mordfälle und auch Komik sind gleichermaßen vorhanden. Für mich war es ein sehr interessantes und faszinierendes Buch, das sich auch nicht zu ernst nimmt. Insgesamt sind das :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb: !


    Hier gibt es eine Leseprobe, um einen ersten Eindruck zu bekommen.

    Viele Grüße
    Aventurin


    :study:Rebecca Gablé - Hiobs Brüder


    SuB: 92 / Gelesen 2016: 7

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