Everlasting - Der Mann, der aus der Zeit fiel von Holly-Jane Rahlens
Kurzbeschreibung von amazon.de
Man schreibt das Jahr 2264. Gefühle sind unerwünscht, die Liebe ist ausgestorben. Die Geburtenrate ist gefährlich gesunken. Der junge Historiker und Sprachwissenschaftler Finn Nordstrom, Spezialist für die inzwischen tote Sprache Deutsch, erhält den Auftrag, die 250 Jahre alten Tagebücher eines jungen Mädchens aus dem Berlin des 21. Jahrhunderts zu übersetzen. Öde, findet er. Und albern. Doch dann ist er zunehmend fasziniert von dem Mädchen, das quasi vor seinen Augen erwachsen wird. Schließlich soll Finn in einem Virtual-Reality-Spiel in der Zeit zurückreisen, um das Mädchen zu treffen. Ohne es zu wissen, wird er damit zum Versuchskaninchen der Spieleentwickler. Warum schicken sie ausgerechnet ihn, den Fachmann für tote Sprachen, in die Zeit kurz vor Ausbruch der Großen Epidemie? Und was ist das für ein sonderbares Gefühl, das ihn überkommt, wenn er der jungen Frau begegnet? Bald muss Finn sich entscheiden – für die Liebe oder für die Zukunft ...
Anmerkung zum Buch
Zeitreise ist ein Thema, das schon oft behandelt wurde und wenn man mal ehrlich ist, hat sich der ein oder andere schon so einige Male gewünscht, selbst einmal in der Zeit zu reisen, um neugierig Mäuschen zu spielen, oder irgendwas in seiner eigenen Vergangenheit anders zu machen. Ob es nun Fluch oder Segen ist, dass die Wissenschaft bislang keine Möglichkeit gefunden hat, uns in der Zeit herumreisen zu lassen, weiß ich nicht, der Gedanke an die Möglichkeit, es zu tun, hat jedoch etwas Faszinierendes und so habe ich mich voller Neugierde in dieses Abenteuer gestürzt und mich von der Reise in der Zeit begeistern lassen. Und nun stellt sich mir die Frage, wie ich über dieses Buch schreiben soll, ohne dabei zu viel über die komplexe Handlung der Geschichte zu verraten.
Hauptprotagonist und gleichzeitig Erzähler dieser Geschichte ist Finn. Allerdings hält er sich dabei nicht, wie in den meisten anderen Büchern üblich, an nur eine Erzählperspektive, sondern führt den Leser in die Geschichte ein, indem er von sich selbst in der dritten Person spricht und wechselt gegen Mitte des Buches in die Ich-Perspektive. Das mag sich nun vielleicht ein bisschen seltsam und verwirrend anhören, ist es aber nicht. Einmal in die Geschichte abgetaucht, hat man sich schnell daran gewöhnt und wenn man der Handlung folgt, ist die Wahl der Perspektive und der spätere Wechsel nur eine logische Schlussfolgerung.
In Finn findet der Leser einen sympathischen, authentischen und glaubwürdigen Charakter. Mag seine Art, uns an seiner Geschichte teilhaben zu lassen, zunächst auch für eine gewisse Distanz zu ihm sorgen und sowohl ihm als auch seinen Mitmenschen einen Hauch von Kälte verleihen, so lernt man doch bald genau das zu schätzen und genießt es, Zeuge seiner Veränderung zu werden, seine Gedanken zu lesen und seinen Zwiespalt zwischen pragmatischer Welt und dem Ich mitzuerleben. Als Historiker hat er ein großes Interesse an den Geschehnissen der Vergangenheit und als ihm als Speziallist für die tote Sprache Deutsch das Angebot gemacht wird, einen Fund etwas genauer unter die Lupe zu nehmen, ist sein Interesse schnell geweckt. Allerdings guckt er nicht selten blöd aus der Wäsche, als es sich bei diesem ominösen Fund um ein pinkes Tagebuch eines 13-jährigen Mädchens handelt, die ihre i gerne mit Herzchen schmückte und ihre O nur mit Smiliegesicht für vollkommen gehalten zu haben schien.
So wenig der Lauf der Handlung auch für actionreiche Spannung sorgen und den Leser damit in Atem halten mag, so sehr bringt sie ihn zum Schmunzeln und entlockt ihm sogar hier und da einen herzhaften Lacher. Das ist dem Umstand zu verdanken, dass Finn als Historiker zwar durchaus nicht unwissend ist, was die Vergangenheit angeht, doch blieb ihm während seines Studiums dann doch einiges verborgen und so muss sich der junge Mann mit der Frage auseinandersetzen, was zum Teufel DSDS ist. Vielleicht eine Droge, wie sein Freund dank der Ähnlichkeit zu LSD und dergleichen vermutet? Und wer oder was sind Barbie, Ken und Hubba Bubba? Und was sich die armen Mädchen in der Vergangenheit doch mit Sorgen um ihre Brüste herumschlagen mussten, während sich in seiner Zeit jeder ein neues Paar im Bodyshop kaufen kann! Oh was habe ich gelacht während des Lesens! Finn ist einfach der perfekte Charakter für die Hauptrolle in diesem Buch. Männlich, Ende 20, lebt viele Jahre voraus in der Zukunft und glaubt nicht an die wahre Liebe. Und ausgerechnet ihm wird die ehrenvolle Aufgabe zuteil, ein pinkes Mädchentagebuch voller Herzchen und Smilies, überschäumenden Gefühlen, Schmachterei und Gemeckere zu lesen, zu übersetzen und daraus so viele Informationen wie möglich über die Verfasserin herauszufinden. Während des Lesens hatte ich ständig das Bild von ihm vor Augen, wie er pflichtbewusst seiner Arbeit nachkommt, hier und da über merkwürdige Begriffe stolpert, diese nachschlägt oder Freunde um Hilfe bittet bis er nach und nach einen immer stärkeren Draht zu der Verfasserin verspürt. Wie ein Elefant im Porzellanladen kam er mir manchmal vor und das ist keineswegs negativ gemeint, viel mehr hat genau das den Charme dieser Geschichte ausgemacht, seinen Charme.
Eliana ist ein Charakter, den der Leser zunächst -ebenso wie Finn- nur durch ihre Tagebücher kennenlernt, was ich persönlich als sehr erfrischend empfunden habe. Das war ein kleines bisschen so, als wenn ich heute selbst in meinen Tagebüchern aus frühen Teenagerzeiten lesen und mir in Gedanken zurückholen würde, was damals, als 13-jährige, für mich noch die Welt bedeutet hat oder zu dessen Untergang führte. Mit jedem neuen Tagebuch der Protagonistin lernen wir sie ein bisschen besser kennen, werden Zeugen ihrer Entwicklung, teilen ihre Freude und ihren Schmerz bevor wir Eliana schließlich persönlich gegenüberstehen. Doch auch Charaktere wie Rouge und Doc-Doc haben diesem Buch ihren Stempel aufgedrückt, es zu dem gemacht, was es ist, dem Leser dabei geholfen, die neue Welt zu verstehen und ihn gleichzeitig sowohl zu amüsieren als auch zu verwirren.
In der hier erschaffenen Welt hat der Fortschritt seinen Lauf genommen und die Welt, wie wir sie kennen, hat sich drastisch verändert. Das eigene Ego ist den Menschen fremd, gelebt wird nur noch für die Gemeinschaft, Krankheiten werden im Nu ausgemerzt, Körperteile, die beschädigt sind oder einfach nicht gefallen, können im Handumdrehen erneuert werden und selbst Raum und Zeit setzen den Menschen im Jahr 2264 keine Grenzen mehr. Doch auch, wenn sich die Bürger der Erde bester Gesundheit erfreuen können und das Leben als Teil des pragmatistischen Systems für Frieden und Zufriedenheit sorgt, so gibt es in dieser Welt doch ein Problem: die stetig sinkende Geburtenrate. Und genau das ist Ausgangspunkt für Manipulation und ein Spiel, bei dem nichts geringeres als Finns Herz der Einsatz ist. Dafür hat Autorin Holly-Jane Rahlens leise Töne gewählt, Töne, die scheinbar unbemerkt ihre Fäden durch das Buch ziehen und am Ende zu einem stimmigen Ganzen zusammenlaufen. Dabei habe ich es sehr begrüßt, dass das manipulative Spiel, welches in Finns Rücken stattgefunden hat und die damit zusammenhängende vollständige Rätsellösung nicht leicht vorhersehbar war und lange Zeit auf sich hat warten lassen.
Fazit
Everlasting – Der Mann, der aus der Zeit fiel ist eine gut durchdachte Zeitreisegeschichte voller Witz, Charme, Gefühlen und tollen Charakteren, die für meinen Geschmack viel zu schnell zu Ende ging. Eine Geschichte, die fernab von Kitsch und Schnulz über die Liebe erzählt, darüber, auf sein Herz zu hören und die Hoffnung nicht zu verlieren.
Ürigens war ich mir nicht ganz sicher, wo ich diese Rezension posten sollte. Ein Kinder- und Jugendbuch ist es nicht wirklich, eine einfache Liebesgeschichte auch nicht und Fantasy/Science Fiction trifft ebenfalls nicht so ganz 100%ig zu.