Thomas Raab, Der Metzger bricht das Eis


  • Der Wiener Sänger, Komponist und Autor Thomas Raab hat mit seinem Restaurator Willibald Adrian Metzger und dessen Lebenspartnerin Danjela Djurkovic aus Kroatien literarische Figuren erschaffen, die nach schon vier Bänden nicht nur zu den originellsten der deutschsprachigen Krimiszene gezählt werden müssen, sondern auch zu den erfolgreichsten. Mit seinem speziellen Spürsinn und in einer wie selbstverständlichen, oft völlig sprachlosen Kooperation mit seiner Herzensdame Danjela nimmt Willibald Adrian Metzger, auch kurz nur „der Metzger“ genannt, randständige Phänomene seines Alltags wahr und spürt sensibel ihre Unstimmigkeit.

    Dann verfolgt er zielstrebig die zunächst noch lockeren und unzusammenhängenden Fäden und stößt mit großer Regelmäßigkeit ziemlich bald in die Mitte eines kriminellen Geschehens vor, das für Thomas Raab immer auch ein Stück seiner österreichischen Heimat und Kultur ist, die er dann mit scharfem und bissigem Humor beschreibt.
    Thomas Raab hat einen Stil, in den man sich verliebt, er spielt mit den Worten, hat einfach Freude an ungewöhnlichen Formulierungen und Sprachspielen, mit denen er nicht selten seine Kritik ummantelt.

    Auch in dem neuen Buch „Der Metzger bricht das Eis“ beginnt die Handlung mit einer Beobachtung, die Metzger bei einem Spaziergang durch den eisigen Park macht. Vor den Augen seiner vor Angst erstarrten Mutter droht ein Mädchen zu ersticken. Noch bevor Metzger eingreifen kann, rettet ein rotbärtiger Obdachloser dem Kind das Leben. Bevor er schnell im Gestrüpp verschwindet, sagt er noch mehrmals, für Metzger deutlich hörbar, den Satz: „Jetzt geht das Sterben wieder los, es geht wieder los.“

    Noch in der gleichen Nacht erfährt Metzger davon, dass eine Frau in suizidaler Absicht in den Abgrund gesprungen und ein Obdachloser in einer Busstation erfroren ist. Metzger stellt sofort einen möglichen Zusammenhang mit der düsteren Prophezeiung des Obdachlosen her, die diesen selbst nur wenige Stunden später einholte. Sein Spürsinn ist geweckt, wird aber gleich wieder ausgebremst von seiner Herzensdame Danjela, die ihm einen Zwangsurlaub verordnet.

    Sie fahren in genau den kleinen Skiort, in den die einzige Spur führt. Und dort trifft der Metzger nicht nur auf Zustände, die alles andere als idyllisch sind, sondern auch auf Familiengeschichten und Interessen, auf Machtkämpfe um ein Skigebiet, die etlichen Menschen den Tod gebracht haben. Auch Metzger selbst gerät wieder einmal in große Gefahr. Und er gerät sich selbst, seinem Leben und seinem Zusammenleben mit seiner Danjela auf eine fast philosophische Spur. Am Ende, als der Metzger durch seinen speziellen Spürsinn ein vorher völlig undurchschaubares Gewirr an Beziehungen, Verwicklungen, Interessen und Verbrechen aufgewickelt und transparent gemacht hat, macht er (i.e. Thomas Raab) sich seine Gedanken über das Leben:
    „Behutsam streicht er seiner Danjela durchs Haar, bettet vorsichtig ihren Kopf in ihr Kissen, geht zum Fenster und blickt nachdenklich in die Nacht. Es ist nicht vorhersehbar, dieses Dasein, zu keiner Stunde, an keinem Tag. Was auch immer es für Geschichten sind, dessen vorläufiges Ende ein Leben auf der Straße bedeutet, ein Leben inmitten und doch am Rand der Gesellschaft, es sind Geschichten von Menschen, die auf ihrem Weg allesamt vielleicht einmal genau da gestanden haben, wo er selbst gerade steht, der Metzger, inmitten einer vermeintlich abgesicherten, alltäglichen, rundum glücklichen Existenz, inmitten des größten Geschenks, das ein Leben bereithalten kann; dem Dasein nicht unter, sondern mit Menschen.“

    Das Buch ist spannend bis zum Ende und seine Lektüre ist sprachlicher Hochgenuss. Auf den nächsten Band dieser Reihe warte ich mit freudiger Spannung.