Tim Curran - Zerfleischt (The Devil Next Door)

  • Kurzbeschreibung von Amazon.de:
    Der ultimative Thriller! Wenn Lesen zur Mutprobe wird ...
    Kannibalismus, Mord, Vergewaltigung - wenn die Zivilisation endet, wird die Erde zur blutbesudelten Hölle. Und der Mensch wird weniger Mensch sein.
    Dieser Roman des Amerikaners Tim Curran ist ein Albtraum von epischem Ausmaß - ohne einen Spritzer Mitleid.


    Über den Autor (dem Buch entnommen):
    Tim Curran lebt mit seiner Frau und drei Kindern in Escanaba/Michigan, USA. Er ist einer der begabtesten neuen Horrorautoren, gilt aber noch als Geheimtipp. Sein Werk zeichnet sich durch eine morbide Faszination am Verfall und Tod aus - vielleicht bennent er deshalb seine Webseite nach dem Titel seiner Novelle "Der Leichenkönig".


    Handlung:
    Die Kleinstadt Greenlawn in Indiana. Louis Shears ist auf dem Weg nach Hause und hat eigentlich nur das bevorstehende Wochenende im Kopf. Er traut seinen Augen nicht als er mit ansehen muss wie ein Auto anhält, zwei Typen herausspringen und einen Jugendlichen mit Baseballschlägern auf brutalste Weise niederprügeln. So schnell wie sie gekommen sind, verschwinden sie auch wieder und Louis will dem Jungen helfen, wird jedoch von diesem mit seiner letzten Lebenskraft sogar noch angegriffen bevor er stirbt. Die gerufenen Polizisten reagieren auf sehr verstörende Art und Weise auf den Vorfall und gehen abartig respektlos mit der Leiche um. Louis verschwindet vor den aggressiven Cops und muss feststellen, dass die Welt um ihn herum verrückt geworden ist. In der kleinen Stadt reiht sich Gewalttat an Gewalttat: Schüler töten ihre Lehrer, Frauen metzeln ihre Ehemänner nieder, bisher unbescholtene Bürger zerstückeln ihre Nachbarn. Eine Welle grauenerregender Gewalt schwappt über Greenlawn und scheint durch nichts aufgehalten werden zu können. Die Menschen bilden nach und nach Rudel, lassen ab vom modernen Leben und eine als Regression bezeichnete Rückbildung zu steinzeitlichen, niederen Ur-Instinkten scheint in kürzester Zeit vor sich zu gehen. Bis auf Louis sind nur wenige Menschen nicht betroffen, z.B. die Schülerin Macy, die sich zusammen mit ihm auf der Suche nach Louis’ Frau Michelle macht. Doch wohin soll man gehen, wenn der Wahnsinn sich schon überall ausgebreitet hat?


    Meine Meinung:
    Der Festa-Verlag hat mit der Veröffentlichung dieses Buches sehr plakativ mit Brutalität geworben. Es sollte eigentlich gar nichts anderes vermittelt werden als das "Zerfleischt" das Widerlichste, Schlimmste und Brutalste ist, was jemals auf Papier gedruckt worden ist. Das fängt beim reisserischen und meiner Meinung nach ziemlich einfallslosen Titel an, denn der Originaltitel "The Devil Next Door" gefällt mir da um einiges besser. Es geht weiter beim zwar ziemlich cool aussehenden Cover, das aber irgendwie überhaupt nicht ins Bild dieser Geschichte passt. Und es hört auf bei den aufgedruckten Meinungen, z.B. "Hostel ist dagegen ein Disney-Film". Und hat der Verlag nun zuviel versprochen und "Zerfleischt" ist wirklich das widerlichste, schlimmste und brutalste Machwerk aller Zeiten? Geht es allein um die dargestellte Gewalt, kann ich dies ganz klar mit einem "JA" beantworten.


    Zunächst war ich sogar etwas überrascht, den trotz aller Brutalität und Abartigkeit steckt hinter den unzähligen Gewalttätigkeiten doch tatsächlich auch noch eine Geschichte und die war nicht einmal schlecht. Klar, im Vordergrund steht schon ganz klar das Gemetzel, aber es gab z.B. auch aussagekräftige Charaktere wie den sympathischen Louis und seine jugendliche Begleiterin Macy, mit denen ich stark mitgefiebert habe. Trotz aller Skepsis war ich auch vom Schreibstil Currans sehr überrascht. Seine bildhafte Beschreibung von Szenen und die Handlung, die einerseits rasant voranschreitet, sich aber auch genug Zeit für Detalis nimmt, konnte mich absolut überzeugen und verdient Applaus.


    Die Geschichte an sich ist im Grunde genommen etwas Neues im Horrorbereich, aber etwas völlig Bahnbrechendes ist auch nicht herausgekommen. Dass sich die Menscheit hin zu reinen Instinktwesen, bei denen es nur um Beute und das Recht des Stärkeren geht, ist mir noch nicht untergekommen. Allerdings könnte man das natürlich auch mit anderen apokalyptischen, gewalttätigen Endzeitszenarien vergleichen. Sehr interessant und spannend ist, dass viele Abschnitte aus der Sicht von Besessenen geschrieben sind. Es wird sogar recht schlüssig dargestellt wie diese von einem Gefühl überfallen werden, zu Ur-Instinkten zurückzukehren und zu bestialischen Mordmaschinen zu werden, die vor nichts zurückschrecken.


    Diese Rückentwicklung geht sehr schnell vonstatten, die ganze Geschichte spielt nur an einem einzigen Tag und einer Nacht. Zuerst sind die Menschen nur mordlüstern und brutal als ob sie von einem Dämon besessen wären. Sie nutzen z.B. noch Autos und modernere Waffen, aber schon bald spüren sie den Drang, sich die Kleider vom Leib zu reissen und sich in Blut, Dreck und Exkrementen zu suhlen. Sie legen Kriegsbemalung auf, sammeln sich in Rudeln und fortan sind nur noch Dinge wie Territorium, Revier, Beute, Fortpflanzung und Fressen wichtig. Warum das ganze überhaupt passiert ist, wird nicht wirklich aufgeklärt. Allerdings wird darüber spekuliert und ein ehemaliger Universitätsprofessor erklärt dies relativ schlüssig. Weshalb allerdings manche wenigen Personen nicht betroffen waren und manche nur zeitweise, bleibt offen.


    Leider passiert dann auf den letzten 100 Seiten genau das, was ich befürchtet hatte: Die gute Story ging unter, die Charaktere wurden unbedeutend und es reihte sich nur noch eine Gewalttat an die nächste. Es ging zwar vorher schon sehr deftig zu, aber was dann an brachialer Brutalität in einem Kampf mehrerer Rudel gegeneinander auf den Leser hereinbricht, ist der pure Wahnsinn: Jedes nur erdenkliche Körperteil (und das sind keine leeren Worte, sondern ein Versprechen!) wurde abgehackt, aufgeschlitzt, abgetrennt, durchbohrt, gebraten und verspeist. Ausgequetschte Augen, skalpierte Kinder, zerhackte Hunde, abgebissene Genitalien, mit Exkrementen eingeriebene Körper, herausfallende Gedärme und alles völlig detailliert. Nicht, dass mich das gestört hätte, aber irgendwann war es einfach zuviel. Nicht auf Grund der Brutalität, sondern weil man gar nicht mehr wusste, wo in diesem Gemetzel sich gerade die Hauptcharaktere befinden und ob sie noch "normal" sind und irgendwie war das mir dann auch ziemlich egal.


    Ich bin schon ziemlich stark abgehärtet wenn es um Splatter in Bild und Schrift geht und verspreche, dass hier jeder Anhänger dieses Genres die volle Dröhnung bekommt. Nimm sämtliche Laymons, McBeans und Kilborns und selbst dann hat man vermutlich immer noch kein solches Gemetzel wie in diesem einen Buch hier. An die Psyche ging mir eigentlich so gut wie nichts, da in 90% der Fälle Bestien gegen Bestien kämpfen und es nur am Anfang einige Unschuldige erwischt hatte. Ein Buch wie "Evil" von Jack Ketchum, in dem der Horror von normalen Menschen ausgeht, beschäftigt mich da weitaus mehr.


    Fazit: Ich würde auf jeden Fall weitere Bücher von Tim Curran lesen, denn dieser Autor hat definitiv großes Talent, Horrorgeschichten zu erzählen. Wenn er es schafft, zukünftig noch etwas mehr die Story im Blick zu behalten UND dies mit seinen bildhaften Gewaltdarstellungen mischt, könnte er ein ganz Großer werden. "Zerfleischt" war jedenfalls sehr unterhaltsam, wenn auch mit Schwächen, da das fast völlige Verschwinden der Story am Ende schon ein wenig schade war.
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