Richard David Precht, Die Kunst, kein Egoist zu sein

  • Autor


    Richard David Precht wurde 1964 in Solingen geboren, studierte Philosophie, Germanistik und Kunstgeschichte in Köln und ist heute als Autor verschiedener populärwissenschaftlicher Bücher zu philosophischen Themen und durch zahlreiche Vorträge an Universitäten und wissenschaftlichen Kongressen bekannt.


    Inhalt und Aufbau


    Das Buch ist in drei große Kapitel unterteilt


    Im ersten Kapitel Gut und Böse setzt sich der Autor mit der Frage auseinander, ob wir Menschen uns im Zuge der Evolution zu den zwar mit Verstand gesegneten, aber immer auf den eigenen Vorteil bedachten Lebewesen
    entwickelt haben, von denen manche Philosophen (Huxley) und eine Reihe von Biologen (Lorenz) ausgehen, wenn sie davon sprechen, dass hinter der Fassade der Moral antisoziale, amoralische und egoistische Leidenschaften brodeln, oder ob wir genetisch auf Kooperation hin angelegt sind, worauf Untersuchungen über
    Spiegelneuronen (Rizzolatti) und Studien über Fairness (de Waal) hinweisen.


    Precht kommt letztendlich zu einer Ablehnung der „Fassaden-Theorie“ und zu dem Ergebnis, dass die Vorstellung einer angeblich angeborenen Aggressivität auch als Erklärungsmodell für die unzähligen Kriege in der Geschichte der Menschheit nicht taugt.


    Das zweite Kapitel Wollen und Tun widmet sich der Frage, weshalb sich bei diesen positiven Voraussetzungen dennoch eine so große Kluft auftut, zwischen dem, was wir wollen, und dem, wie wir handeln.


    Ausgehend von dem berüchtigten Reserve-Polizei-Bataillon 101 zeigt er am Beispiel des Milgram- Experiments, wie es bei uns Menschen zum Phänomen der Shifting baselines kommt und wie wir dazu neigen, uns unser Selbstbild zurechtzulügen.


    In dem Unterkapitel Der Broker, der Kakao und die Kinder in Ghana macht Precht deutlich, dass wir in zwei Welten leben, in der der Empfindungen und persönlichen Belange, in der Kooperation und damit verbunden
    Moral eine große Rolle spielt, und der Welt der moralisch indifferenten Marktgesetze, aber ohne an der Unvereinbarkeit zugrunde zu gehen und ohne nach der Theorie der kognitiven Dissonanzen uns die Wirklichkeit so zurechtzubiegen, dass sie zu unseren moralischen Vorstellungen passt.


    Der Schlüssel für diese Fähigkeit liegt nach Precht darin, dass es zu einem normalen Leben in unserer Zeit dazugehört, nicht zuständig zu sein, denn wir spielen in der Gesellschaft eine Vielzahl von Rollen, für die
    wir uns selbst nicht verantwortlich fühlen.


    Im dritten Kapitel Moral und Gesellschaft zeigt Precht zum Teil recht unkonventionelle Möglichkeiten auf, einer am Kommunitarismus orientierten Bürgergesellschaft näher zu kommen. Hier sind seine Aussagen am persönlichsten gestaltet und nicht im selben Maß durch wissenschaftliche Untersuchungen abgesichert, wie in den beiden vorausgegangenen Kapiteln. Manches ist sicher auch noch gründlicher zu hinterfragen, wie z.B. die Vorstellung, die Gemeinden dadurch besser finanziell zu versorgen, dass die Bedeutung der Bundesländer reduziert wird.


    Insgesamt geht es ihm aber darum, wie in unserer Gesellschaft die in uns vorhandene Fähigkeit zur Kooperation und damit zu einem guten Leben gefördert werden kann. Denn wir hätten zwar die Anlage dazu, doch es gelte „use it ore lose it“.


    Persönliche Meinung


    Ich halte das Buch für ein sehr wichtiges Buch, da es viele im Zeitalter des Neoliberalismus als naturgesetzlich deklarierte Vorstellungen vom grundsätzlich egoistischen „homo oeconomicus“ ins Reich der Ideologie verweist.


    Es gibt dem Leser Argumentationshilfen, wenn er in einer Diskussion mit Killerphrasen über die „angeborene Gier“ des Menschen konfrontiert wird, und es zeigt konkrete persönliche und gesellschaftliche Schritte zu einem sinnerfüllten und kreativen Leben in der Gemeinschaft. Es macht aber vor allem unmissverständlich deutlich, an welcher Stelle der gesellschaftlichen Entwicklung wir angelangt sind und wie wichtig es ist, das Ruder herumzuwerfen.
    rainy

  • Abgesehen davon, dass der "homo ecomonicus" bereits seit einiger Zeit in der wissenschaftlichen Diskussion als überholt gilt, halte ich allgemeine Aussagen über den Zustand unserer gesellschaftlichen Entwicklung für ein wenig fragwürdig. Wenn ich höre und lese, wie Menschen noch vor zwei Generationen generell miteinander umgegangen sind - im Gegenteil zu dem, was sie als moralisch richtig ansahen, sind wir in meinen Augen im Großen und Ganzen eigentlich auf einem ganz guten Weg. Aber das nur so nebenbei.


    Ich habe mal die sehr großen Absatzabstände verkürzt, da der Beitrag so nicht sonderlich gut zu lesen war. Bitte demnächst in der Vorschau darauf achten und eventuell noch einmal anpassen (so etwas passiert geren mal beim Kopieren aus bestimmten Textverarbeitungsprogrammen). Grüße, Klaus 8)

  • Richard David Precht, ist ein Philosoph, dessen Werke man verstehen kann, ohne studiert zu haben. Allerdings: man muss sich auf seine Texte, die immer wieder den Leser mitnehmen auf eine spannende und lehrreiche Reise durch die Philosophie- und Kulturgeschichte, einlassen. Man kann sie nicht herunterlesen wie einen Roman oder wie einen der Tausenden von Ratgebern, die einem das Glück und den Lebenssinn versprechen, wenn man ihren Vorschlägen folgt.

    Precht regt an zum Selberdenken, zum Reflektieren des eigenen Lebens, Verhaltens und Denkens. In seinem neuen Buch geht es darum, warum wir Menschen uns oft so schwer damit tun, gut zu sein.
    „Warum wir gerne gut sein wollen, und was uns davon abhält“ – dieser Frage geht eine umfangreiche Studie menschlichen Verhaltens nach, immer in der Absicht, durch die Verhaltensänderung der Vielen die Gesellschaft Stück für Stück umbauen zu können, dem Guten mehr Raum zu geben und neue Wege zu einem besseren Umgang miteinander zu finden.

    In drei großen Kapiteln macht er das deutlich:

    · Gut und Böse
    · Wollen und Tun
    · Moral und Gesellschaft

    Von vielen Intellektuellen ein wenig belächelt, ist Precht aber weitaus mehr als sie selbst in der Lage, eine große Zahl von Menschen zu erreichen, ihnen auf verständliche Weise viel klassische Bildung zu vermitteln, neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu erklären und immer wieder den Zusammenhang herzustellen mit dem Alltagsleben des einzelnen Lesers.