Katharina Hacker - Eine Dorfgeschichte

  • In einer, wie ich finde, gelungenen Mischung aus den Reflexionen eigener Erfahrungen als Kind und fiktionalen Elementen hat Katharina Hacker das Leben und den Alltag in einem Dorf im Odenwald ( an dessen Rand der Rezensent übrigens lebt und den er kennt wie seine Westentasche) beschrieben. Das Kind, das die Geschichte erzählt, verbringt in diesem Dorf regelmäßig zusammen mit den Brüdern, den Eltern und den Großeltern die Sommer der Kindheit. So hat man früher Urlaub und Ferien gemacht.

    Doch neben schönen Erlebnissen und dem Genuss teilweise unberührter Natur, ist die nur von außen heile Welt durchzogen von unscheinbaren Widersprüchen, Ungereimtheiten, Unheimlichem und auch Gewalt. Mit einer behutsamen und dichten Sprache gelingt es Katharina Hacker nicht nur ein Stück ihrer eigenen Kindheit zu rekonstruieren, sondern den Leser in einen eigenen kindlichen Kosmos zu entführen.

    Ein schönes Stück Prosa einer außergewöhnlichen Schriftstellerin.

  • Die Schriftstellerin war im Jahr 2006 mit "Die Habenichtss" die Preisträgerin des Deutschen Buchpreises. Mich konnte das Buch nicht überzeugen, wenn ich auch zugestehen muss, dass Katharina Hacker durchaus über Talent verfügt. Vielleicht hat sie sich mittlerweile ein wenig "die Hörner abgestoßen" :-, und man sollte einen neuerlichen Versuch wagen?
    Die Meinungen zu "Die Habenichtse" sind hier nachzulesen. Hast Du, Winfried, evt. dieses Buch auch gelesen, sodass Du einen Vergleich anstellen kannst bezüglich der Entwicklung der der Schriftstellerin?

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Inhalt 

    Die Geschichte einer Kindheit auf dem Dorf - die nicht Katharina Hackers persönliche Geschichte ist - rankt sich um Personen und Orte, die Kinder nur aus den Erzählungen Erwachsener kennen und um Erinnerungsstücke, deren Besitzer abhanden gekommen sind. Die Icherzählerin ist inzwischen selbst erwachsen und Mutter. Das Dorf, in dem sie mit ihrer Familie die Sommer bei den Großeltern verbrachte, lag zwischen Bayern und Hessen im Odenwald. Sie erinnert sich an die Straßen ihrer Kindheit, die damals noch nicht asphaltiert waren, und erspürt noch heute die Zufahrt zum elterlichen Grundstück mit den Füßen. Damals sprachen die Eltern über einen Onkel, den die Kinder nie kennenlernen würden; die Mutter träumte von Fahrten mit einem Lastwagen, von dessen Ladefläche Kinder oder Dinge herabfallen konnten. Der Generation des Großvaters war wichtig, dass Kinder über Flucht und Vertreibung erfahren, und die Erwachsenen beschrieben ihnen, was sie nun nicht mehr erben würden. Flüchtlingstreck war für die Kinder ein Spiel mit einem Leiterwagen, bei dem man seine Toten zurückließ. Im Spiel erfuhren sie, was sie in den Gesprächen der Erwachsenen oft nicht verstanden. Die Last der Erinnerungen hatten die Erwachsenen zu tragen. Der Großvater schweigt sich über seine Kriegserlebnisse aus, doch solange Kinder beim Spielen im Wald Patronenhülsen finden, ist der Krieg nicht vergessen. Während der Ernte arbeiteten und aßen die Kinder bei den Bauern. Sie erlebten während dieser Sommer im Dorf unbeschwerte Abenteuer; noch sorgte sich niemand, ob Kindern beim nächtlichen Zelten im Wald etwas passieren könnte.


    Fazit

    Das Haus ihrer Kindheit hat die Erzählerin inzwischen von ihren Eltern übernommen. Nun erzählt sie ihren Töchtern von Erlebnissen, die ihren Kindern ähnlich fern sein werden wie ihr selbst die Geschichten ihrer Eltern. Hackers schnell gelesene Dorfgeschichte (von nur 128 Seiten) bringt Flucht, Vertreibung und das Heimischwerden an einem neuen Ort aus kindlicher Perspektive und deshalb ohne Larmoyanz in Erinnerung.


    (geschrieben am 4.11.2011)

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    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „Katharina Hacker, Eine Dorfgeschichte“ zu „Katharina Hacker - Eine Dorfgeschichte“ geändert.