Giuseppe Tomasi di Lampedusa: Der Leopard / Il gattopardo

  • "Der Leopard" ist der einzige Roman von Tomasi di Lampedusa, der aus einem sizilianischen Adelsgeschlecht stammt. Jahrelang trug er sich mit dem Gedanken einen Roman zu schreiben, aber erst der Besuch auf einem Dichterkongress bewog ihn dazu diesen Traum Wirklichkeit werden zu lassen. Obwohl von den Verlegern zunächst abgelehnt, wurde der 1958 posthum erschienene Roman sofort ein Bestseller und war der meistverkaufte italienische Roman - bis "Der Name der Rose" erschien.


    Inhalt: Der Roman spielt in der Zeit von 1860-1900 und erzählt am Beispiel von Don Fabrizio Corbèra Fürst von Salina und seiner Familie den Niedergang des alten sizilanischen Adels. Die Handlung beginnt am Tage der Landung Garibaldis auf Sizilien, also mit dem Zusammenbruch des bouronischen Königreichs und seiner Einnahme durch das vereinigte Königreich Italien unter Vittorio Emmanuele. Don Fabrizios Lieblingsneffe Tancredi, dessen Familie verarmt ist, schlägt sich auf die Seite der neuen Macht, was sein Onkel schweren Herzens akzeptiert. Ebenso unterstützt er dessen Heirat mit der schönen und reichen Angelica, obwohl diese aus einer bürgerlichen Familie stammt und seine eigene Tochter in Tancredi verliebt ist. Einen Posten als Senator lehnt er ab, analysiert dabei die Sizilianer und ihre Geschichte der Fremdherrschaften. Die letzten beiden Kapitel erzählen mit großen zeitlichen Sprüngen vom Tod des Fürsten (und seiner persönlichen Bilanz seines Lebens) und dem Leben seiner inzwischen 70jährigen Schwestern, denen selbst in ihr letztes Refugium - die Religion in Form ihrer Privatkapelle - noch weggenommen wird.


    Meine Meinung: Die Sprache ist über weite Strecken fast ein bißchen altertümlich, strotzend von Vergleichen und Methapern, wunderbaren Beschreibungen von Land, Gebäuden und Menschen, der Sonne und Hitze Siziliens. Alles, Menschen wie Ereignisse, wirkt sehr symbolisch, manchmal fast ein bißchen zu sehr, so dass die eigentliche Handlung nur zweitrangig ist. Ich hatte Schwierigkeiten wirklich in das Buch einzutauchen, trotzdem war ich von der Sprache und viele Szenen sehr positiv eingenommen.


    Den Film von Visconti habe ich übrigens nicht gesehen und es gibt auch eine neue Übersetzung "Der Gattopard", kennt die jemand?


    Viele Grüße, Katia

  • Es sind schon etliche Jahre her, dass ich das Buch gelesen habe. Ganz einfach ist es nicht, v.a. wie du auch sagtst, Katia, durch die Sprache, die ungewohnt ist und in die man sich erst "hineinlesen" muss. Aber es lohnt sich auf jeden Fall.


    Marie

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Hallo Marie,


    Ja, es lohnt sich! Viele Dinge sind sehr eindringlich geschildert, man spürt die sizilanische Hitze förmlich, an manchen Stellen hat mich das ein bißchen an Garcia Marquez erinnert. Habe gerade ein bißchen bei amazon gelesen, diese Neuübersetzung scheint "unzensiert" zu sein, in der alten Ausgabe fehlen Teile, weil damals Nachfahren von Lampedusa noch lebten. Hmm, jetzt ärgere ich mich ein bißchen, die "alte" erwischt zu haben, obwohl ich den Titel "Der Gattopardo" nicht besonders geglückt finde.
    Umso mehr ein Grund den Roman in ein paar Jahren nochmal zu lesen!


    Katia

  • Der Gattopardo – Giuseppe Tomasi di Lampedusa


    Klappentext:
    Voll wehmütiger Skepsis sieht Don Fabrizio, Fürst von Salina, den Beginn eines neuen Italiens – verkörpert durch seinen geliebten Neffen Tancredi und die verführerische Angelica, die ihre bürgerliche Herkunft für immer hinter sich lassen will.
    Das Meisterwerk des großen Erzählers um Tradition, Aufbruch und Leidenschaft im ausgehenden 19. Jahrhundert.
    Der schönste Sizilienroman der Weltliteratur – endlich vollständig und neu übersetzt.


    Giuseppe Tomasi di Lampedusa starb 1957, dieser Roman wurde im Jahr 1958 veröffentlicht, und ist letztendlich nur ein Fragment. Und leider liest er sich auch als Solches. Die ersten vier Teile sind schon ausführlicher geschrieben, dennoch wechselt der Sprachstil ständig, von sehr blumiger, bildhafter Sprache verfällt das Werk ins sehr moderne (Überschallflugzeug). Auch ändert sich ständig die Erzählebene, mal sind es die Fresken an der Wand, Sizilien, der Autor als Kommentartor, und dann wieder der Don. Die letzten fünf Teile sind absolut fragmentarisch zu sehen, ein kurzes Kapitel des Paters, welches gar nicht zur Handlung passt, das „Liederbuch“ im Scherzo. Und wie im Anhang erwähnt wird, fehlt der Teil wo Angelica fremd geht völlig.


    Mir haben viele Passagen sehr gut gefallen, da ich ein großer Fan von Metaphorik bin. Man erkennt den großen Meister der Sprache, und es ist sehr schade, dass dieses Werk nie in seiner letztendlichen Pracht zu lesen ist. So wie es jetzt gedruckt und veröffentlicht ist, lässt es nur erahnen was es hätte werden können.

  • Hallo Heidi,


    Bist Du Dir sicher, dass es unvollendet ist? Zitat von amazon.de:

    Zitat

    Jetzt liegt erstmals seit fast 50 Jahren der vollständige Text vor – von Lampedusas Erben freigegeben und zum Piper-Jubiläum originalgetreu neu übersetzt


    Übrigens habe ich den Visconti-Film inzwischen gesehen, hat mir sehr gut gefallen, er bricht allerdings mit dem Tod des Fürsten ab, so dass ich erstmal verblüfft vor dem Abspann saß :scratch:.


    Katia

  • Hallo!


    So richtig warm geworden bin ich mit dem Buch nicht. Beeindruckend war für mich die sprachliche Gewandtheit und die von Heidi schon angesprochene Metaphorik. Viele Bilder werden allerdings wohl erst beim Zweitlesen vordergründiger.


    Der Untergang einer alteingesessenen sizilianischen Adelsfamilie, verkörpert durch Don Fabrizio, Fürst von Selina, wird beschrieben. Mit der Invasion Garibaldis ändern sich die Traditionen, der Aufstieg von Leuten mit nichtadeliger Herkunft, der "neue" Reichtum wird möglich und die alteingesessenen Adelsgeschlechter müssen sich wohl oder übel damit abfinden.


    Wie oben schon erwähnt handelt es sich im Grunde um eine Aneinanderreihung von Fragmenten. Sind die ersten Kapitel noch halbwegs zusammenhängend verliert sich die Handlung - soferne eine vorhanden - in den letzten Kapitel zusehends.


    Alles in Allem ein Einblick in ein Stück italienische Geschichte, eingebettet in eine ganz wunderbare Sprache. ;)


    @ Katia: Im Anhang des Buches habe ich gelesen, dass diese (neue) Ausgabe Fragmente enthält, die erst vor Kurzem von der Familie freigegeben wurden. Es ist davon auszugehen, dass nunmehr alle vorhandenen Manuskripte öffentlich sind. Da Giuseppe Tomasi allerdings vor Erscheinen des Buches verstorben ist, kann man wohl nicht beurteilen, ob es in dieser Form erschienen wäre.

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Hallo Katia


    Leider funktioniert bei mir deine Verlinkung nicht, ich habe auch nichts gefunden. Wo soll das denn sein? Bei Klassikern/Erzählungen. (Vielleicht kann Mario dann diese beiden Threads zusammenfügen.) Ah, nun habe ich es gefunden :wink: Der Leopard, klar logisch :idea:


    Zu deiner Frage:
    Wie bereits Rosalita schrieb, die Vollständigkeit bezieht sich darauf was bis heute gefunden wurde. Man hat noch etwas nachträglich gefunden, aber es ist leider nur ein Fragment.

  • Hallo Ihr,


    sorry wegen des Links, er geht jetzt :uups:.


    Nochmal ein Zitat von amazon (leider englisch):


    Zitat

    The author died at the age of 60, soon after finishing The Leopard, though he did live long enough to see it rejected as unpublishable


    Ich dachte, wie Rosalita, dass die Familie verhindert hat, dass manche Teile des Romans veröffentlicht wurden, zumindest amazon schreibt nichts über wiedergefundene Passagen, sondern über jetzt von den Erben freigegebene.
    Ich hätte oben präziser schreiben sollen, dass die Rezi von mir stammt, ich habe das Buch also schon gelesen. Zwischen den letzten Kapitel liegen große zeitliche Sprünge, als Fragmente habe ich das nicht empfunden, sondern als Episoden, die in sich aber rund sind.
    Eigentlich mochte ich gerade das an dem Roman auch sehr gerne: die Ursachen und ersten Auswirkungen des Niedergangs Don Fabizios und seiner Familie werden sehr genau geschildert, auf die späteren Stadien nur noch Schlaglichter geworfen.


    Liebe Grüße von Katia

  • Hallo Katia


    Zunächst, mit nachträglich gefunden habe ich mich "schlampig" ausgedrückt :uups:


    Jetzt hast du mich aber sehr neugierig gemacht, Katia. Existiert in deiner Ausgabe z.B. dieses Scherzo. Wie viele Teile hat die alte Version?


    Wir (Rosalita und ich) haben das Buch in einer Leserunde gelesen, und ich hatte eigentlich nicht den Eindruck, dass wir das Buch als rund aufgefasst haben :scratch: Was sagst du dazu, Rosalita?
    Kann es auch an der Übersetzung liegen?


    Wenn du Lust hast, Katia, kann ich dir den ganzen Anhang mal fotokopieren und schicken. Dann brauche ich nicht alles abzuschreiben :wink: Denn auch auf die Titelgebung "Der Gattopardo" wird eingegangen, weil es eben nicht der Leopard ist.
    Schreibe mir eine PN mit Adresse, dann geht`s ab die Post :dance:

  • Hallo Heidi,


    danke für Dein liebes Angebot! Ich habe mich beim Lesen schon ein bißchen geärgert, dass ich die "alte" Version erwischt habe. Ob das Scherzo enthalten ist, kann ich im Moment nicht sagen, aber ich werde heute abend mal in dem Buch blättern und sage Dir dann bescheid!


    Ich habe mir die Neuübersetzung gerade per Fernleihe aus der Unibib München bestellt - manchmal ist es doch schön, an einer Uni zu arbeiten und Zugriff zu jeder Menge Bücher zu haben! So brauchst Du Dir die Mühe nicht zu machen und ich kann meine Neugierde doch befriedigen, trotzdem nochmals Vielen Dank :flower:


    Katia

  • Zitat

    Original von Heidi Hof
    und ich hatte eigentlich nicht den Eindruck, dass wir das Buch als rund aufgefasst haben :scratch: Was sagst du dazu, Rosalita?
    Kann es auch an der Übersetzung liegen?


    Für mich hatte es auch einen "unrunden" Aspekt. Ja, eine Aneinanderreihung der Manuskripte, die wohl aufgefunden wurden. Ich nehme an, dass Lampedusa das Ganze noch einmal überarbeitet hätte, Passagen ergänzt bzw. gestrichen.


    Die Erben hatten wohl nur die eine Möglichkeit, die Manuskripte, so wie sie vorlagen, zu veröffentlichen. Ich habe es auch als Fragment bzw. als Zeitdokument gelesen, nie so sehr als "Roman".


    Allerdings bin ich jetzt echt neugierig geworden auf die "alte" Fassung. ;). Ich hoffe, Katia, dass du deine Eindrücke und alles, was du an Unterschieden heraus findest, hier posten wirst! :loool:

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


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  • Grummel, habe gerade eine mail von der Bib bekommen:


    Zitat

    Ihre Bestellung kann leider im Leihverkehr nicht erledigt werden. Grund: Preisgrenze - Titel fuer max. 15 Euro im Buchhandel erhaeltlich.


    Jetzt habe ich es nochmal versucht, und mir halt stattdessen die gebundene Ausgabe bestellt :roll:, die kostet schließlich mehr. Wenn ich das richtig gesehen habe, so ist da ein anderes Nachwort enthalten als in der TB-Ausgabe, mal schauen, was wir noch rausfinden, wenn wir alle Infos zusammentragen :D


    Katia

  • Meine Fernleihe ist endlich angekommen. Soweit ich es ohne die alte Ausgabe sehe, sind die beiden einzigen essentiellen inhaltlichen Unterschiede die Fragmente A (Anfang Vierter Teil) und B (Scherzo) - das ist deutlich weniger als ich dachte und insbesondere handelt es sich hierbei wirklich um Fragmente. Als solche sollte man sie vielleicht nicht in den Roman einarbeiten, sondern im Anhang abdrucken, kein Wunder, dass das Buch bei Euch einen unrunden Geschmack hinterlassen hat.
    Im Anhang (S.331 unten/332 oben) steht auch, dass das Scherzo nicht vollendet ist, im Gegensatz zu den anderen Kapiteln, die später entstanden, aber bei der Erstausgabe bereits enthalten waren.
    Ich werde die beiden neuen Teile demnächst mal noch lesen und die beiden Übersetzungen vergleichen, aber ein bißchen überspitzt ausgedrückt: Diese zusätzlichen Passagen scheinen viel Lärm um wenig zu sein; um eine Neuübersetzung vielleicht auch an ein paar Leute verkaufen zu können, die die alte schon haben.
    Positiv ist allerdings hervorzuheben, dass die Neuübersetzung einen ausführlichen Anhang, Glossar und so weiter hat, während meine alte Ausgabe nur den reinen Text enthält.


    Katia

  • Danke, Katia, für die Erläuterungen.


    "Viel Lärm um nicht viel" so scheint es und wie du es beschreibst, liegt es wohl wirklich an den beiden Fragmenten, die mitten im Buch eingestreut sind, dass es so unrund wirkt.

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
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  • Ich habe mich heute noch ein bißchen mit den beiden Übersetzungen beschäftigt, sprich mal die ersten drei/vier Seiten parallel gelesen. Die alte gefällt mir ein bißchen besser, sie klingt ein altmodischer, die Interpunktion ist etwas abwechslungsreicher und rhythmischer (Gedankenstriche werde deutlich häufiger eingesetzt). Ich geb mal ein Beispiel:

    Neue Übersetzung:

    Zitat

    Der Fürst stand derweilen auf: der Fliesenboden erzitterte unter der Wucht seiner Hünengestalt, in seinen blaßblauen Augen spiegelte sich eine Sekunde lang der Stolz über diese, trügerische, Bestätigung seines Gebietens über Menschen und Paläste. Jetzt legte er das mächtige rote Missale auf den Stuhl, der während des ganzen Rosenkranzgebets vor ihm gestanden hatte, faltete das Taschentuch, auf dem er gekniet hatte, und eine Spur Unwillen trübte seinen Blick, als er das Kaffeefleckchen wieder entdeckte, das sich seit dem Morgen erkühnte, die blütenweiße Weite seines Gilets zu stören.


    Alte Übersetzung:

    Zitat

    Der Fürst erhob sich mit einem Ruck; der Boden erzitterte unter seinem Riesengewicht, in seinen sehr hellen Augen spiegelte sich für einen Augenblick der Stolz auf diese kurze Bestätigung dafür, daß er der Gebieter war über Menschen und weiträumige Bauten.
    Jetzt legte er das ungeheuer große, rote Meßtuch auf den Sessel, der vor ihm gestanden hatte, während er den Rosenkranz sprach; er faltete das Taschentuch zusammen, das er unter das Knie gebreitet hatte, und sah mit einem von leichter Mißstimmung getrübtem Blick auf den kleinen Kaffeefleck, der sich seit dem Morgen erkühnt hatte, das geräumige Weiß der Weste zu unterbrechen.


    Das die alte Übersetzung Begriffe eher eindeutscht ist symptomatisch, das kommt auffallend oft vor, macht für mich diese Ausgabe aber lesbarer, da ich weder weiß was eine Missale noch ein Gilet ist. Die neue Übersetzung vergreift sich auch manchmal in der Wortwahl: Planetchen gibt's im Deutschen nicht (in der alten steht das korrekte "Planetoid"). Gerade das Ende obigen Zitats finde ich in der alten Übersetzung sehr viel plastischer.


    Katia

  • ja, ich muss euch zustimmen, die neue Übersetzung wirkt so künstlich, irgendwie aufgesetzt. Einfach zu lesen ist wohl auch die alte nicht, aber authentischer.


    Vielleicht kriegt er noch irgendwann mal eine Chance, interessant wäre es!

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
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  • Für mich war das eigentlich das erste Mal, dass ich ein Buch in zwei Übersetzungen vor mir liegen hatte, und ich war überrascht, wie schnell ich eine Sympathie für eine der beiden gefasst hatte. Jedenfalls find ich dass es sich weder wegen den neuen Teilen noch wegen der Übersetzung rentiert, die neuere Ausgabe zu kaufen.


    Katia