Hans Küng - Was ich glaube

  • Klappentext:
    Was glaubt Hans Küng ganz persönlich? Er gilt als universaler Denker unserer Zeit; seine Bücher sind in hohen Auflagen in vielen Sprachen über die Welt verbreitet. Doch dieses Buch ist anders, auch wenn es auf seinem gesamten Werk aufbaut. Es ist das persönliche Glaubensbekenntnis eines Mannes, der das theologische Denken weltweit stärker verändert hat als andere. Wenn man aber die ganze gelehrte Wissenschaft, die theologische Formelsprache, die kunstvollen Theoriegebäude, wenn man das alles hinter sich lässt, was bleibt dann als Kern des Glaubens? Was brauche ich für mein Leben? Was ist mir unverzichtbar? Von »Lebensvertrauen« über »Lebensfreude«, »Lebenssinn« und »Lebensleid« schreibt Küng und schreibt so eine »summa« seines Glaubens – und Lebens. (von der Verlagsseite kopiert)


    Zum Autor:
    Hans Küng, geboren 1928 in Sursee/Schweiz, ist Professor Emeritus für Ökumenische Theologie an der Universität Tübingen und Präsident der Stiftung Weltethos. Er gilt als einer der universalen Denker unserer Zeit. Sein Werk liegt im Piper Verlag vor. Zuletzt erschienen von ihm »Was ich glaube« – sein persönlichstes Buch – sowie »Ist die Kirche noch zu retten?«. Weiteres zum Autor unter www.weltethos.org. (von der Verlagsseite kopiert)


    Allgemeines:
    Erstmals erschienen September 2009
    314 Seiten, Literaturliste, Danksagung.
    Das Buch entstand aus einer Vorlesungsreihe mit dem gleichen Titel im Sommersemester 2009 an der Universität Tübingen.
    Es ist in 10 große Kapitel aufgebaut (von „Lebensvertrauen“ über z.B. „Lebenssinn“ und „Lebensleid“ bis „Lebensvision“). Jedes Kapitel ist in unter konkreten Überschriften in zahlreiche Abschnitte unterteilt.


    Inhalt:
    Anhand von 10 großen Themen zu „Leben…“ fächert Küng seinen Glauben auf und berichtet von Stationen seines Lebens als Student, Konzilstheologe, Professor bis zu seiner jetzigen Position als Vorsitzender der Stiftung Weltethos.


    Eigene Meinung / Beurteilung:
    Hans Küng ist ein Gelehrter, ein Intellektueller, der nicht nur in seinen Lehrfächern Philosophie und Theologie und verwandten Geisteswissenschaften wie Geschichte, Soziologie und Kulturwissenschaft überragendes Wissen besitzt, sondern sich auch mit Naturwissenschaften und moderner Technik auseinandersetzt.


    So ist Küngs Glaube kein Für-wahr-halten irgendwelcher tradierter Formeln, sondern ein aus der Geschichte der Philosophie, der Religion und Kirche logisch entwickeltes gedankliches Konstrukt. Dass die Prämisse „Gott existiert“ außerhalb einer Beweiskette liegt, ist klar. Seine Annahme, dass Gott existiert, ist daher eine bewusste, vom Kopf getroffene Entscheidung. Auch wenn dieses Buch Küngs persönlichstes genannt wird, findet man nur wenige Aussagen, die er nicht schon in einem anderen Buch gemacht hat. Ich habe es eher als Essenz seiner bisherigen Werke verstanden, auf die er gern und häufig Bezug nimmt. Denn allzu viel Persönliches offenbart er nicht. Er ist zuhause in seiner Welt der Gedanken, der Schlussfolgerungen und der Deduktion.


    Ich beglückwünsche jeden 80jährigen, der stolz auf sein Lebenswerk und zufrieden mit seiner Lebensleistung ist. Natürlich auch Küng, der unbeirrbar von Anfechtungen seitens der katholischen Kirche, v.a. der römischen Kurie, ein Christentum verkündet, das sich an den Worten Jesu und der ersten kleinen kirchlichen Gemeinschaften orientiert.
    Doch der Grat zwischen Stolz und Selbstbeweihräucherung ist schmal, und Küng überschreitet ihn gern.


    Leider hat in Küngs Glauben das nichts zu suchen, was gerade für junge Menschen oft das Wichtigste in ihrer Entscheidung ist: Empathie und Gemeinschaftserlebnisse.
    Bedauerlich, dass Küng mit diesem Buch nicht die Zweifelnden, die Suchenden anspricht, denen er wegweisende Botschaften mitgeben könnte, sondern nur Intellektuelle, denen philosophische Ausschweifungen und Gedankengebäude vertraut sind. Im Klappentext heißt es zwar: „Wenn man aber die ganze gelehrte Wissenschaft, … , wenn man das alles hinter sich lässt, was bleibt dann als Kern des Glaubens?“ Aber genau DAS hat Küng nicht hinter sich gelassen, sondern im Licht seines persönlichen Glaubens erneut dargestellt.


    Fazit:
    Eine philosophisch-theologische Wissenschaftsabhandlung, aber kein persönliches Glaubensbuch.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Die Karten zu dieser Lesung und zu der von Joachim Gauck im letzten Monat (der absagte, weil ihm das Bundespräsidentenamt dazwischen kam), haben mein Mann und ich uns zu Weihnachten geschenkt und konnten ein halbes Jahr Vorfreude genießen.
    Der Saal war mit 800 Plätzen ausverkauft, glücklicherweise funktionierte die Klimaanlage. Das Medieninteresse war leider geringer als das des Publikums; nur zwei einsame Fotographen tummelten sich vor der Bühne. Von regional bekannten Feuilleton-Reportern war nichts zu sehen. Aber im Kartenvorverkauf gingen Vorbestellungen nach München, Frankfurt und Hamburg, wie der Veranstalter im Grußwort stolz erzählte, und rings herum hörten wir Gespräche in Französisch und Luxemburgisch.


    Küng kam pünktlich – nicht c.t., wie bei Professoren üblich: Ein kleiner, gebeugt gehender Mann, der mühsam die vier Stufen zur Bühne hochklettert. 84 Jahre ist Küng, und man sieht es. --- Ja, was habe ich denn geglaubt? Dass Widerständler nicht altern? Kämpfer nie gebrechlich werden? ---


    „Wilhelm Tell der katholischen Kirche“, das Attribut einer Schweizer Zeitung für Küng, gefiel dem Veranstalter so gut, dass er es nicht nur in seiner launigen kurzen, von Gelächter unterbrochenen Begrüßung zweimal gebrauchte. Küng, man sieht’s, genießt’s. Und er genießt auch, dass nicht der Veranstalter seine Vita vorträgt, sondern dass er selbst erzählen darf. Er weiß: Wer zu mir kommt, kennt mich, also lässt er Eckdaten und Karriere aus und plaudert aus dem Nähkästchen und den Hinterzimmern katholischen Geschehens. Im Zentrum seiner Erinnerungen, quasi als Leitstern seines Lebens und seiner Arbeit, steht das Zweite Vatikanische Konzil, bei dem er und Ratzinger als jüngste Berater tätig waren. Warum der eine ein kirchentreuer, restriktiver Papst, der andere DER Rebell wurde – vielleicht weiß Gott es, Küng jedenfalls weiß es nicht. Obwohl er sicher sein kann, dass seine Fans nicht unbedingt Freunde von Benedikt XVI. sind, spürt man aus seinen Worten die freundschaftliche Verbundenheit, die beide als Kollegen an der Universität Tübingen grundgelegt haben, und nicht nur den Ärger über einen Papst, der das, wofür beide vor 50 Jahren kämpften, Schritt für Schritt zunichte macht.


    In einer Art Interview geht es weiter: Der Veranstalter führt das Publikum kapitelweise in das Buch „Was ich glaube“ ein, Küng übernimmt und stellt seine Ansichten u.a. zu Lebensfreude, Lebenskunst und Lebensvision dar. Ein gelungener Modus, eine Lesung aufzulockern und den Autor nicht als gelehrten Dozenten, sondern als spontanen Redner zu präsentieren, der kein Konzept, keine vorgefertigte Rede braucht. Es ist seine Stärke, aus dem Stegreif und verständlich zu sprechen. Er vermeidet jedes theologische Fachwort, er breitet keine philosophisch-religionswissenschaftlichen Theorien aus, er hält keinen Vortrag. Im Gegenteil, die Empathie, die mir im Buch fehlte, hier erlebe ich sie. Erwartungsgemäß tut er seine Meinungen zu den populären kirchenkritischen Themen wie Zölibat, Frauenordination, Ökumene und Sexualität unter großem Applaus kund.
    Erst ganz am Ende liest er die Schlussabschnitte seines Buches und darin einen Teil des 1. Korintherbriefes vor.
    Das allerletzte Thema ist der Tod, und Küng hält ein leidenschaftliches Plädoyer für ein selbstbestimmtes Sterben in Würde. Wenn auch die Kirche sagt: Gott gab dem Menschen das Leben, und nur er darf es nehmen, so sagt Küng: Gott gab mir mein Lebens in meine Verantwortung und damit auch Verantwortung für mein Sterben. Den Sterbetourismus in sein Heimatland oder Töten auf Wunsch lehnt er ab, weil dadurch der Tod der Würde beraubt und entpersönlicht wird.


    Es war eine besondere Freude, diesen Mann über seinen Glauben, sein Leben, seine Begegnungen und Kämpfe sprechen zu hören. Nicht im salbungsvoll-inbrünstigen Duktus katholischer Kleriker oder im dozentenhaft-rhetorischen Stil der Protestanten, sondern frei von der Leber weg, manchmal nach Wörtern ringend – und mit dem liebenswerten Schweizer Akzent, dem mitunter eine Schwyzerdütsche Vokabel dazwischengeriet.


    Ich hatte einen Stapel seiner Bücher zum Signieren mitgenommen. Küng unterschreibt leserlich, ruhig, wie gemalt. Doch im Vergleich mit einer Signatur, die ich mir irgendwann vor zig Jahren geben ließ, ist seine Schrift zitterig geworden.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Dein Bericht über die Lesung war einfach wunderbar, Marie!Das war gerade wie ein klein wenig dabei sein dürfen.


    Kannst du mir - außer diesem Buch natürlich- noch Bücher von Küng empfehlen?

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


    SuB-Leichen-Challenge 2024: Alle Bücher bis inkl. 2022 [-X

    Klassiker-Challenge 2024


  • Als erstes Buch, weil Grundlage aller anderen, würde ich "Christ sein" lesen. Es ist zwar schon über 35 Jahre alt, aber was Küng damals sagte, hat für ihn heute noch Gültigkeit.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)