Stefan Boonen: Alles ohne Lena

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    Stefan Boonen, Jahrgang 1966, lebt heute mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Leuven (Belgien). Er begann eine Schreinerlehre und arbeitete einige Jahre als Sozialarbeiter, bevor er sich im Jahr 2000 hauptberuflich dem Schreiben von Kinder- und Jugendbüchern widmete. Stefan Boonen ist ein vielseitiger Autor: Er schreibt Bilderbücher, Bücher für Leseanfänger, Bücher für junge Erwachsene, Sachbücher und Theaterstücke.


    Klappentext:
    An einem Frühlingsmorgen im April nimmt sich Bas’ Schwester Lena das Leben. Jetzt ist Bas mit seinen Eltern allein und eigentlich hat er keine Ahnung, wie es weitergehen soll. Er fragt sich, wie lange das wohl noch dauern wird, das Vermissen. Doch darauf weiß keiner eine Antwort. Und dann ist der Sommer da und der Urlaub steht vor der Tür. Ohne Lena. Ob sie das schaffen?


    Inhalt: „Spiel nachher ein Lied für mich, Brüderchen“, sagt Lena zu ihrem jüngeren Bruder Bas, bevor der überstürzt zur Schule los muss – er ist schon wieder viel zu spät dran. Lena kümmert das nicht, wenn sie zu spät kommt. Lena macht, was sie will. Sie hört Musik, weint, lacht, zetert und legt sich mit jedem an, der ihr irgendwie dumm kommt. Eigentlich ist Lena ein ganz normaler Teenager und Bas hat seine Schwester zwar unheimlich lieb, ist aber ebenso häufig echt genervt von ihr.
    Und dann, an diesem Morgen, dauert es nur wenige Stunden, bis Bas’ Welt kopfsteht. Plötzlich soll er zur Schulleitung, sein Vater ist da – und die schlimmste Nachricht, die Bas je gehört hat, hat er mitgebracht. Lena ist tot. Sie hat sich das Leben genommen.
    Von jetzt auf gleich ändert sich alles. Bas’ Familie bricht zusammen. Wer hätte gedacht, dass Lena so unglücklich gewesen ist? Warum hat sie das gemacht? Trägt die Familie eine Mitschuld? Hat Lena sich von ihnen nicht genügend geliebt gefühlt? Was ist ihr geschehen, mit dem sie nicht fertig wurde? Und was ist mit den Geheimnissen, die Lena ihrem Bruder anvertraut hat, als sie noch lebte? Verlieren diese ihre Gültigkeit? Muss Bas sie immer noch für sich behalten?
    Auch die Art zu trauern, ist für Bas ein Problem. Oft fühlt er sich beobachtet und hin- und hergerissen zwischen dem Drang über Lena zu reden und einfach alles mit sich selbst abzumachen. Er hat keine Ahnung, wie er sich verhalten soll, und das Schlimmste ist, dass es zwar so sehr wehtut, dass Lena tot ist, aber dass selbst dann, wenn der Schmerz irgendwann etwas weniger werden wird, das Leben immer ohne Lena sein wird.


    Meine Meinung: Erst war ich etwas enttäuscht, als ich das Buch in der Hand hielt. 124 Seiten, das schien mir nicht genug für eine Geschichte, die so ein schwieriges Thema behandelt. Aber nun kann ich sagen: Stefan Boonen gelingt es. Gerade dass man nicht alles erfährt, gerade dass so viele Fragen offenbleiben, ist ja auch ein realistisches Problem, mit dem in der Geschichte auch Bas und seine Eltern konfrontiert werden – sie wissen einfach nicht, warum Lena sich das Leben genommen hat.
    Die Figuren sind sowieso sehr gut gelungen, finde ich. Da ist zum Einen Bas, der überhaupt nicht weiß, wie er sich fühlen soll, der sich schuldig fühlt und der nicht wahrhaben will, dass Lena sich wirklich selbst getötet hat. Er hat das Gefühl, er müsste viel mehr weinen oder bestimmte Vorstellungen von Trauer erfüllen, aber er schafft es nicht. Seine Mutter hingegen gibt sich der Verzweiflung hin, während Bas’ Vater beginnt, alles Mögliche über Selbstmord zu lesen, weil er Lena irgendwie verstehen möchte.
    Dies ist kein Roman über Lena, zumindest nicht in erster Linie, auch wenn sie natürlich trotz – oder wegen – ihres Todes allgegenwärtig ist. Dies ist vor allem ein Roman über Lenas Familie, die weiterleben muss – ohne Lena. Über eine Familie, die plötzlich ganz allein ist mit ihren Erinnerungen an Lena mit all ihren guten Eigenschaften und all ihren Macken. Samstage, gemeinsame Mahlzeiten, Urlaub – und alles ohne Lena.
    Das Buch behandelt ein schwieriges Thema und schafft es dabei trotzdem, nicht sentimental zu werden. Dass man beim Lesen oftmals einen Kloß im Hals und Tränen in den Augen hat, bleibt natürlich nicht aus. Was ich dabei wirklich gut finde, ist, dass Lena von ihrem Bruder nicht idealisiert wird. Er erinnert sich, bei allem, was ihm fehlt, auch an Streit mit ihr – und sehnt sich sogar danach, mal wieder richtig mit seiner Schwester streiten zu können. Und Bas lernt andere Menschen kennen, die um jemanden trauern. Dadurch bekommt Trauer ganz viele Facetten und das hat mir wirklich sehr gut gefallen.


    Fazit: Eine kurze Geschichte, die berührt und die nachklingt. Ein trauriges und dennoch schönes Buch.
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