Scheppert, Mark: Alles ganz simpel

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    Eine Kindheit und Jugend in Breslau (Schlesien) während der Weimarer Republik und in Hitlers Reich. Einen mörderischen Weltkrieg und die Kriegsgefangenschaft. Die Gründung und den Aufbau der DDR mit Jobs als Telegrafenarbeiter in Lübben, Dachdecker in Osternienburg, Hilfsschlosser und Technischer Zeichner in den Buna-Werken. Ein Sportstudium an der DHfK in Leipzig und den Berufsstart als Reporter der Friedensfahrt für das Deutsche Sportecho. Den 17. Juni und den Mauerbau. Die Zeit als Verlagsdirektor des Sportverlages in Berlin mit Teilnahmen an Olympischen Spielen und Buchmessen. Den Niedergang der DDR, den Mauerfall und den linken Neubeginn in der Bundesrepublik Deutschland.


    Mark Scheppert ist ein Autor, der mir durch sein Werk „Mauergewinner“, bekannt ist. Dort störte mich der oberflächliche Stil doch recht arg, sodass meine Befürchtungen groß waren, dass dies auch hier der Fall ist.


    In seinem neuen Werk geht es um ein weiteres Stück deutscher Geschichte. Nach dem Tod seines Vaters kommt er mit seinem Großvater ins Gespräch und erfährt nach und nach seine Geschichte. Diese Erlebnisse über die Kindheit nach dem ersten Weltkrieg und während der Weimarer Republik, die Anfänge des zweiten Weltkrieges bis zum Mauerfall werden in Form eines Interviews für die Nachwelt festgehalten.


    Der Einstieg beginnt mit einem kleinen Vorwort, wie die Idee zu diesem Buch kam, und dann geht es auch schon mit der Geburt seines Großvaters los. Mark Scheppert lässt seinen Großvater reden und wirft immer wieder Fragen, die in kursiver Schrift, für eine Abhebung zum restlichen Text sorgen, ein, um seinen Großvater in eine bestimmte Richtung zu lenken oder auf die eigentliche Erzählung zurückzuführen. Kleinere Abschweifungen lassen sich bei diesem Aufbau jedoch nicht vermeiden.


    Als Kind eines Zeitzeugens, meine Mutter wurde 1938 geboren, bin ich mit der damaligen Geschichte mehr als vertraut. Um ihre Generation besser verstehen zu können, habe ich solche Werke stets geliebt. Auch die Geschichte von Horst Schubert hat mich stark berührt. Ihm gelingt es mit wenigen Worten und kleinen Anekdoten sein Leben, aber auch die Zeit während des zweiten Weltkrieges gekonnt einzufangen. Manche Beschreibungen hätte ich mir ausführlicher gewünscht, aber schließlich ging es nicht nur um diese Zeit, sondern um sein gesamtes Leben, und da kann ein Autor sich nicht in einer Zeit festbeißen.


    Oft wundert man sich über dieses Glück, welches Horst Schubert immer wieder wiederfährt, aber er vergisst nicht die anderen traurigen Schicksale oder Glücksfälle, die ihm auf seinem Weg begegnet sind. Emotional fesselt er mit seiner Geschichte. Man hat das Gefühl stets vor Ort zu sein, als hätte man selbst diese Szenen erlebt. Mal traurig, mal ängstigend und dann wieder humorvoll und einfühlsam. All dies fängt Mark Scheppert während seines Interviews ein. Ob es an der guten Erzählweise oder am eigenen Stil liegt, kann ich in diesem Fall nicht beurteilen.


    Es macht jedenfalls Spaß dieses Leben zu verfolgen, sodass man gerne auf das Angebot des Autors, seine eigene Geschichte zu veröffentlichen, gerne zurückkommen würde. Mark Scheppert ist es in meinen Augen gut gelungen dieses Leben für die Nachwelt festzuhalten. Egal ob, man sich für den zweiten Weltkrieg, die Entwicklungen danach oder für die Perspektive der „Ossis“ interessiert. Während seine Erzählungen über den Osten in der „Mauergwinner“ oft blass waren, merkt man, dass er sich die Kritik von damals zu Herzen genommen hat, und mit viel Lebendigkeit und Farben authentisch alles zu schildern vermag. Selbst die interessante Karriere in Zeiten des geteilten Deutschlands sind dieses Mal erstklassig.


    Allerdings wirft dieser Roman eine Frage auf, die sich andere Enkel sicherlich auch stellen werden. Warum hat er sich nicht mit der Geschichte seines Großvaters nicht schon früher auseinandergesetzt. Obwohl meine Großmutter mich nur in den Ferien gesehen hat, habe ich viel über sie erfahren und gefragt. Teilweise habe ich auch vieles über meine Mutter erfahren, aber trotzdem weiß ich genug über das Leben meiner Oma, die 1917 geboren wurde. Da stellt sich die Frage nach Egoismus, Streit oder sonstigen Gründen. Trotzdem finde ich es unendlich schön, dass am Ende trotzdem dieses Leben geehrt wird.


    Was mir jedoch in diesem Buch fehlt, sind Belege dieser Zeit, wie zum Beispiel Fotos. In eine gute Biographie gehören solche Fotos. Einfach um Horst, seine Familie und gewisse Etappen noch besser vor meinem inneren Auge sehen zu können.


    Nichtsdestotrotz ist es ein schönes Erlebnis, dass die wesentlichen Punkte festhält. Jedoch hätte Mark Scheppert bei einigen Erzählungen mehr nachfragen müssen, denn für mich sind einige Punkte ungeklärt. Wie zum Beispiel warum sich sein Großvater für die Ami-Seite entschieden hat, und doch im Ost-Sektor gelandet ist. Dies ist nur einer der Punkte, die nicht genügend erklärt oder hinterfragt wurden. Bei einer Biographie, die nur 140 Seiten lang ist, ist es jedoch verständlich, dass manche Dinge nicht 100% geklärt werden. Aus diesem Grund kann ich es trotzdem empfehlen.


    Erstellt am 13.12.11