Kurzbeschreibung (Amazon)
Savita heiratet Pran, einen jungen Mann, den sie kaum kennt. Die prunkvolle Zeremonie ist noch nicht beendet, da widmet die Mutter der Braut sich schon ihrer nächsten Aufgabe: eine gute Partie für ihre jüngste Tochter zu finden. Denn die schöne Lata wird schon neunzehn, aber der passende Mann muss natürlich der richtigen Kaste entstammen, und hellhäutig soll er auch noch sein. In dieser einfachen Konstellation findet Vikram Seth alles, um uns Indien, seine Tänze und Tränen, vor Augen zu stellen, seine Farben und Stoffe, sein Glück und sein Leid.
Meine Rezension
Uff. Geschafft. Das war mein erster Gedanke, als ich dieses Buch endlich zuklappte.
Gleichzeitig bin ich aber auch - naja, nicht traurig, denn ich freue mich schon darauf, mal was anderes zu lesen. Aber es war trotz allem ein Erlebnis.
Doch nun erstmal zum Anfang des Wälzers.
Indien, 1951. Das Land ist erst seit kurzem (1947) unabhängig. Die meisten Engländer haben den neuen Staat verlassen und die Inder versuchen, sich selbst zu regieren. Dazu kommt der Konflikt mit Pakistan.
Doch das beschäftigt Mrs Rupa Mehra nur am Rande. Gerade hat sie eine Ehe für ihre ältere Tochter Savita arrangiert, doch im Geiste ist sie schon bei der Suche nach einem passenden Mann für Lata, die jüngere Tochter.
Lata wiederum will keine Ehe arrangiert bekommen. Sie verliebt sich stattdessen in Kabir. Doch eine Beziehung mit ihm, der Moslem ist, ist für eine Hinduistin nicht möglich.
Die Ereignisse um Lata und die Suche ihrer Mutter nach einem passenden Ehemann ziehen sich durch die ganzen 2000 Seiten. Aber in dem Buch geht es um viel mehr.
Es fängt schon damit an, das es keine richtigen Hauptpersonen gibt. Stattdessen sind es vier Familien, die im Mittelpunkt stehen. Neben der Familie Mehra ist das noch die Familie Kapoor, die jetzt durch die Ehe von Savita mit den Mehras verschwägert ist. Dazu kommt noch die Familie Chatterji, in die Mrs Mehras Sohn eingeheiratet hat.
Die Familie Khan ist die vierte Familie. Diese sind Moslems, also gibt es keine verwandschaftlichen Beziehungen. Aber mehrere Mitglieder der Familie Khan sind mit Mitgliedern der Familie Kapoor befreundet. Und das, obwohl die Kahns Großgrundbesitzer sind und das Oberhaupt der Kapoors in seiner Eigenschaft als Minister für eine Landreform kämpft.
Es mag bei manchen Familienromanen schon schwierig sein, die Übersicht zu behalten. Aber hier sind es gleich vier Familien, die nicht gerade klein sind. Ich war sehr dankbar über den Stammbaum am Anfang des Buches. Und trotzdem bin ich immer wieder ins Schleudern geraten, denn es gibt auch noch Freunde, Bekannte, Nachbarn, Kollegen... und die sind im Stammbaum natürlich nicht erwähnt. Ich denke, mit einer Schätzung von etwas 100 Charakteren dürfte ich nicht so verkehrt liegen.
Neben der Suche nach einem passendem Ehemann für Lata geht es vor allem um
- die erste Wahl in Indien nach der Unabhängigkeit,
- die Entmachtung der Maharadschahs,
- und die teils blutigen Unruhen zwischen den Hindus und den Moslems.
Dabei sind die Gegensätze recht groß. Im ersten Moment wird lang und breit von einer hinduistischen Feierlichkeit erzählt, doch dann kippt die Stimmung plötzlich und der Mob tobt durch die Gassen.Auch geografisch gibt es große Gegensätze. Während die Mehras, die Kapoors und die Kahns in Brahmpur, einer kleineren Stadt in der Provinz beheimatet ist, leben die Chatterjis im mondänen Kalkutta und fühlen sich auch deshalb den anderen ziemlich überlegen.
Brahmpur ist übrigens eine fiktive Stadt, die irgendwo in Nordindien angesiedelt ist.
Dadurch, das Maan Kapoor von seinem Vater aufs Land, in die "Verbannung" gesteckt wird, bekommt man auch Einblicke in das Leben der Dörfler.
Manchmal ist das Buch langatmig. Gerade wenn über 50 Seiten hin eine Gerichtsverhandlung oder eine mir völlig fremdartige religiöse Zeremonie beschrieben wird, hatte ich große Probleme, mich noch richtig zu konzentrieren. Zumal es nicht nur den Islam, den Hinduismus gibt. Bei beiden Religionen gibt es zahlreiche Untergruppierungen. Es gibt im Anhang zwar ein ausführliches Glossar, in dem auf die zahlreichen Fremdwörter eingegangen wird, aber wenn ich alle paar Sätze etwas nachschlagen muss, macht es keine Spaß mehr.
Und wenn Haresh, einer der Anwärter für Lata, in aller Ausführlichkeit über die Herstellung von Schuhen schreibt, dann musste ich eine Pause einlegen.
Andere Stellen, wie die Ereignisse bei einer Massenpanik oder eines Beinahe-Mordes sind dagegen sehr bildhaft beschrieben.
Etwas überrascht hat es mich, das auch bei den Mädchen in dem Buch viel Wert auf eine gute Bildung gelegt wurde. Das mag daran liegen, das die vier Familien allesamt nicht gerade zur Unterschicht gehören, bei den ganz Armen wäre es dann vermutlich doch anders. Lata wird von ihrer Mutter immer wieder zum lernen getrieben, sie soll ihr Examen nicht nur bestehen, sondern sie soll auch möglichst die Bestnote bekommen.
Und in der Familie Khan leben die meisten Frauen im Purdah (die Frauengemächer der moslemischen Frauen), aber eine von ihnen lebt nicht nur alleine, sondern arbeitet als Abgeordnete für das Parlament.
Über die Geschichte Indiens wusste ich vorher nicht viel. Klar, es war eine englische Kolonie, Gandhi und das Pakistan irgendwie dazugehörte, früher mal. Jetzt bin ich noch immer keine Expertin in indischer Geschichte geworden, aber ich weiß ein klitzekleines bisschen mehr.
Hilfreich war dabei vor allem der ausführliche Eintrag bei Wikipedia über Indien .
Fazit: Das richtige Buch für Liebhaber von richtig dicken Wälzern, die gerne etwas über Indien lesen wollen und sich von langatmigen Stellen nicht abschrecken lassen.
Der Originaltitel "A Suitable Boy" passt noch ein bisschen besser als der deutsche Titel "Eine gute Partie" zu dem Buch. Denn es geht nicht unbedingt um eine gute Partie, sondern um einen passenden Ehemann.
Vikram Seth schreibt übrigens schon an einer Fortsetzung (!). Die Veröffentlichung von "A Suitable Girl" ist für 2013 geplant.
Ich bin ja mal gespannt, wie umfangreich das Buch sein wird.