Klappentext:
Es beginnt mit einem verloren geglaubten Brief. Ein halbes Jahrhundert hat er darauf gewartet, gelesen zu werden. Die Suche nach dem Absender führt die junge Edie nach Milderhurst Castle, wo seit Jahrzehnten die exzentrischen Blythe-Schwestern leben. Als Edie das verfallene Schloss betritt, beginnt sie zu ahnen, dass hinter den alten Mauern der Schlüssel zur rätselhaften Vergangenheit ihrer Mutter liegt.
London 1939: Als die ersten Bomben auf die Stadt fallen, befindet sich die zwölfjährige Meredith mit einer Gruppe evakuierter Kinder auf dem Weg nach Kent, wo sie Zuflucht bei einer fremden Familie findet. Staunend und eingeschüchtert zieht sie auf das herrschaftliche Milderhurt Castle, wo die siebzehnjährige Juniper mit ihren Zwillingsschwestern und ihrem Vater, dem bekannten Schriftsteller Raymond Blythe, lebt. Sie taucht ein in eine Welt der Geschichten und der Fantasie — bis etwas geschieht, das das Leben des Mädchens für immer verändert. Nie ist sie nach Milderhurst zurückgekehrt, doch das Auftauchen eines lange verschollenen Postsacks führt ihre Tochter Edie auf die Spur einer geheimnisvollen Vergangenheit. Innerhalb der düsteren Gemäuer kommt mehr ans Licht, als Edie sich je hätte vorstellen können. Damals geriet auch die Welt der jungen Juniper Blythe aus den Angeln, doch vielleicht ist es noch nicht zu spät, Vergangenheit und Gegenwart miteinander zu versöhnen. (von der Verlagsseite kopiert)
Zur Autorin:
Kate Morton, geboren 1976, wuchs in Queensland, Australien, auf und studierte in London Theaterwissenschaften und Englische Literatur. Ihre Romane Das geheime Spiel (2007), Der verborgene Garten (2009) und Die fernen Stunden (2010) sind in mehr als dreißig Ländern erschienen und waren internationale Bestseller. Auch in Deutschland eroberte Kate Morton ein Millionenpublikum, alle drei Romane sind SPIEGEL-Bestseller. Kate Morton lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Brisbane, Australien. (von der Verlagsseite kopiert)
Allgemeines:
Originaltitel: The Distant Hours
Erstmals erschienen 2010 bei Allen & Unwin, Australien
Aus dem Englischen übersetzt von Charlotte Breuer und Norbert Möllemann
5 Teile + Epilog auf 716 Seiten, 3 Seiten Danksagung
Der größte Teil wird aus der Ich-Perspektive von Edie erzählt, darin verwoben sind Rückblenden in der personalen Erzählperspektive.
Inhalt:
Meredith, Edies schweigsame, verschlossene Mutter, erhält einen Brief, auf den sie vor Jahrzehnten sehnlich gewartet hat – warum erfährt Edie nicht.
Sie macht sich auf die Suche nach der Vergangenheit ihrer Mutter und stößt auf Schloss Milderhurst. Sie erinnert sich, als Kind einmal mit ihr vor dem Tor gestanden zu haben, aber die Mutter streitet es ab. Edie gibt keine Ruhe, und schließlich gelingt es ihr, Einlass im Schloss zu finden und die drei alten Schwestern, die es bewohnen, die Zwillinge Percy und Saffi und Juniper, die demente Jüngste, kennenzulernen.
Eigene Meinung / Beurteilung:
Ein Brief, der nach fast 50 Jahren seine Adressatin erreicht und verstört. Ein heruntergekommenes Schloss, bewohnt von drei alten Schwestern, die auf Gedeih und Verderb aneinander gefesselt sind. Ein schriftstellernder Vater, der mit einem Schauerroman bekannt wurde. Zwei tote Ehefrauen, ein bis heute vermisster Soldat, Liebesaffären, von denen niemand weiß – wenn das nicht nach erstklassigen Zutaten für schaurig-schöne Unterhaltung klingt!
Nach dem Klappentext und dem Vorgänger „Der verborgene Garten“ erwartete ich einen spannenden, leichten Schmöker mit ein bisschen Grusel, ein bisschen Liebe, ein bisschen Rätselraten. Doch ich bekam einen 700-Seiten-Wälzer, der leider keinen mutigen Lektor gefunden hat, der ihn um 300 Seiten kürzte.
Der großartigste Teil des Buches: Der Prolog, der als Prolog zu „Der Modermann“, dem Schauerroman des Vaters, deklariert wird. (Ich hätte lieber diese Geschichte gelesen.)
EINE Frau mit einem Geheimnis verspricht Spannung. Aber ausschließlich Frauen mit Geheimnissen (keine hat keins) … das ist zuviel (alle drei Schwestern, Edies Mutter, Frauen aus dem Dorf, …).
Und noch eins ist allen Frauen gemeinsam: Sie sind verschlossen, reden mit niemandem. Und als sie es doch tun – und das müssen sie aus dramaturgischen Gründen, weil Edie mit ihren Nachforschungen nicht weiter kommt – erkenne ich den Grund für den plötzlichen Sinneswandel nicht.
Edie erzählt mit übertriebener Ergriffenheit, flicht hier einen Hinweis auf ein Geheimnis ein, erwähnt dort eine rätselhafte Begebenheit. Ein Autor, der fast ausschließlich auf diese Art versucht, einen Spannungsbogen zu entwerfen, muss irgendwann Ergebnisse bringen. Und zwar Ergebnisse, die die hochgepuschten Erwartungen des Lesers befriedigen.
Doch die Auflösungen entpuppen sich als heiße Luft. Das Geheimnis von Edies Mutter - der erfahrene Leser tippt auf Misshandlung oder ähnliche Schrecken während der Evakuierung: Nichts als eine pubertäre Reaktion. Junipers Schicksal, das sie allzeit kränklich, depressiv und vereinsamt zurückließ: Tatsächlich so simpel, wie man es sich gedacht hat. Einzig die Rätsellösung um den Verschwundenen und die Verarbeitung des Modermann-Motivs können überzeugen.
Außerdem leidet das Buch an literarischer Inflation: Vater Autor, zwei Töchter schreiben, Edie, Lektorin von Beruf, schreibt auch, die Mutter schreibt, der verschwundene Soldat schrieb.
Wollte die Autorin ihr Buch aufwerten, indem sie zwei Motive von Klassikern verwendet? Die Irre in der Dachkammer und das
brennende Schloss am Ende?
Oder fiel ihr nichts Originelleres ein? Angesichts des zähen Stils und der belanglosen Lösungen tippe ich auf die zweite Möglichkeit.
Fazit:
Ein Buch, das hinter allen Erwartungen zurückbleibt.