Erster Satz
Der „Unbesiegbare“, ein Raumkreuzer der schweren Klasse,
das grösste Schiff, über das die Flottenbasis im Sternbild der Leier
verfügte, durchflog mit Photonenantrieb den äußersten Quadranten der
Sterngruppe.
Inhalt
Ein Raumschiff wird ausgesandt, um nach dem Verbleib seines
Schwesterschiffes zu fahnden, der „Kondor“. Man findet es relativ rasch
.. allerdings wirft sein Zustand mehr Fragen auf, als er beantwortet.
Die „Kondor“ steht völlig unbeschädigt auf dem Planeten herum. Die
Besatzung ist tot … die meisten sind verhungert, obwohl ausreichend
Lebensmittel an Bord sind. An einigen Stellen im Schiff wurde sinnlose,
unbegreifliche Gewalt angewendet … waren da Wahnsinnige am Werk? …
Angebissene Seifenstücke …? Man vermutet, dass irgendeine äussere
Einwirkung nicht nur die Erinnerungen, sondern auch die
Persönlichkeitsstruktur der Leute ausgelöscht hat … so dass nur ihre
niederen Triebe übriggeblieben sind.
Ebenfalls sehr merkwürdig ist, dass es an Land zwar Spuren einer
hochentwickelten Zivilisation, aber keinerlei Leben gibt, im Wasser
jedoch sehr wohl … dieses Rätsel klärt sich, als man winzige
Metallmaschinchen findet, die sich bei Bedrohung zu grösseren Aggregaten
zusammenschliessen können. Die Hirnströme der Menschen locken sie an …
und mit strudelnden Magnet-Wirbeln entfernen sie alle Gedächtnisinhalte
aus dem menschlichen Gehirn. Offenbar stammen diese Wolken von einer
untergegangenen Hochkultur ab, deren Kampfmaschinen sich im Lauf einer
Jahrmillionen währenden toten Evolution zur effektivsten aller tödlichen
Waffen entwickelten … und alles Landleben vernichtet haben.
Auf der Suche nach einigen verlorengegangenen Besatzungsmitgliedern
schickt man einen schwerbewaffneten Roboter namens Zyklop los, der in
einem immer weiter eskalierenden Gefecht mit Unmassen von
Wolkenpartikeln schwer beschädigt wird … und am Ende zerstört werden
muss, da er durchdreht. Rohan, die Hauptfigur des Buches, zieht mit
einer Art Elektro-Tarnkappe los, die sein Hirn abschirmt … und findet
die Vermissten … sie sind tot … alle miteinander „Kollateralschäden“ der
irrsinnigen Schlacht nit dem Zyklopen. Alle Versuche, die Wolken zu
schlagen, sind sinnlos … und das Raumschiff entfernt sich wieder von dem
Planeten, der die Menschen offenbar nichts angeht.
Fazit
Sehr stimmungsvoller Roman, dessen Schilderungen jener fremden Welt
sich tief einbrennen … die Atmosphäre eines Planeten, der dem Adjektiv
„menschenfeindlich“ eine ganz neue Bedeutung verleiht, ist einfach
atemberaubend. Ganz im Gegensatz sind die Menschen völlig hilflos der
fremden Macht gegenüber, bleiben auf ihre Reaktionen beschränkt. Es ist
ein Gedankenmodell … schon im Einleitungssatz weist Lem darauf hin … das
Sternbild der Leier existiert ja nur in unserer Einbildung, in
Wirklichkeit sind die betreffenden Sterne irre weit voneinander
entfernt. Die Personen – durchweg Männer – sind reduziert auf ihre
Funktionen … und genau deshalb wirken sie angesichts des Mysteriums
immer kleiner und zerbrechlicher.
Während die „Fliegen“ der Gipfel technischer Evolution sind, hantieren
die Menschen mit Sternkarten, Lochbändern und dergleichen Retro-Kram
herum, als wäre ihr Raumkreuzer sowas wie Hightech-Steampunk … aber
nein, der Roman ist von 1964 und atmet den Geist der Zeit. Der
Geschichte tut das keinen Abbruch (und hat Anfang der 60er sonst noch
jemand über Schwarmintelligenz nachgedacht …?).
Die im Antimaterie-Einsatz mündende Schlacht des Zyklopen wiederum ist …
wow. Vergesst Military-SF. Und der wahre Unbesiegbare ist am Ende
nicht
das kläglich wieder abziehende Raumschiff … sondern Rohan, der
praktisch nackt mehr erreicht als alle menschengemachte Technik
zusammen
.
Gesamteindruck
Wenn sich am Ende eines Buches der Leser ernsthaft fragt, ob es
tatsächlich Grenzen des moralischem Handelns gibt … angesichts einer
komplett amoralischen Umwelt … dann ist das grosses Kino. Eine Übung in
Demut. Wer den „Unbesiegbaren“ nicht gelesen hat, sollte nicht über SF
reden dürfen.