Ein ermüdendes Gesellschaft.- und Sittenprotrait der Provinz im Viktorianischen England!
Über 1200 Seiten umfasst dieser meiner Meinung nach „historische Schinken“, der aus der Feder einer Frau entsprang – Mary Ann Evans – jedoch unter dem o.g. männlichen Pseudonym bekannt wurde. Der Roman umspannt vorwiegend das Thema Liebe, aber auch Standesdünkel, Politik und Gesellschaft, sowie Kunst und Religion. Drei Liebesverhältnisse tragen die Handlung, wobei Dorothea Brooke im Mittelpunkt steht.
Diese schöne junge Dame ist moralisierend wie eine Heilige, doch tief im Herzen lodert eine große Leidenschaft in ihr. Sie schwärmt für den Geistlichen Casaubon, der ihr Vater sein könnte und ein großes historisches Werk in Arbeit hat. Die Protagonistin verliebt sich in ein Bild, der dienenden Gattin, die ihren Mann zur Seite steht und mit ihm gemeinsam sein Lebenswerk vollbringen möchte. Also ihr Sein völlig aufopfert für sein Wohl.
Doch schon auf der Hochzeitsreise muss die junge Dame erkennen, dass ihr Gatte ihre bereitwillige Selbstaufgabe missversteht und ablehnt. Auch dass sein historisches Werk schon längst überholt ist, da er sich selbstüberschätzend Innovationen verwehrt.
>>Ich wenigstens habe viel damit zu tun, gewisse menschliche Schicksale zu verwirren und herauszufinden, wie sie gewoben und miteinander verwoben sind, so daß alles mir zu Verfügung stehende Licht auf dieses besondere Gewebe konzentriert werden muß über jene verlockende Reihe wichtiger Einzelheiten, das Universum genannt, zerstreut werden darf.<<
Dr. Lygate heiratet unterdessen die wunderschöne Rossamond, die mehr seiner adeligen Abstammung anhimmelt als seiner Berufung, der Medizin.
Und so tut sich um den Ort „Middlemarch“ ein gesellschaftliches Leben auf mit tiefen Charakterdarstellungen, Einblicke in die damalige politische Lage, das Leben in der Provinz zum Stadtleben. Alles in Allem trägt dieser Roman die Anlage eine fesselnde Lektüre zu sein, wenn nicht diese Protagonistin eine Heilige verkörpern würde.
Sie erzählt mit erhobenem Finger wie eine Moralapostelin, ihr Ton ist anklagend, drohend und belehrend, und das ermüdet. Ferner sind die Figuren im Roman entweder Schwarz oder Weiß und bleiben es auch. Grautöne gibt es nicht. Überraschende Wendungen sucht man vergebens, die Handlung ist immer voraussehbar!