Kvothe ist zurück
Vor etwas mehr als zwei Jahren begeisterte mich das Romandebüt des amerikanischen Autors
Patrick Rothfuss.
Der 1973 in Madison (Wisconsin) geborene Fantasy-Autor unterrichtet als Universitätsdozent und lebt in Wisconsin. In seiner Freizeit schreibt er satirische Kolumnen und versucht sich in Alchemie. 2007 wurde Patrick Rothfuss für seinen Roman „Der Name des Windes“ mit dem Quill Award sowie dem Pulishers Weekly Award für das beste Fantasy-Buch des Jahres ausgezeichnet, 2009 hat das Buch den Deutschen Phantastik Preis als bester internationaler Roman erhalten. (Verlagsinfo)
Die Auszeichnungen seines Romandebüts sind meiner Meinung nach mehr als berechtigt. Seit dem ich das Buch gelesen hatte, wartete ich sehnsüchtig auf die Fortsetzung. Jetzt ist es endlich soweit.
„Die Furcht des Weisen 1“
ist in deutscher Sprache erschienen. Es freut mich ungemein, dass ich zu den Ersten gehörte, die das 849 Seiten + ein paar Extras umfassende Werk lesen durften und danke dem Klett-Cotta Verlag von ganzem Herzen für das mir kurz vor dem Erscheinungstermin zugesandte Rezensionsexemplar.
Kurzbeschreibung:
„Eine Intrige zwingt Kvothe die arkanische Universität zu verlassen. Seine Suche nach den sagenumwobenen Chandrian, die seine Eltern getötet haben, führt ihn an den Hof von Maer Alveron, und weiter zu den sturmumwogten Hügeln von Ademre. Schließlich gelangt er in das zwielichtige Reich der Fae, wo er der sagenumwobenen Felurian begegnet, der bisher noch kein Mann widerstehen konnte …
Eine Geschichte voller Poesie und Musik, voller Leidenschaft, aber auch voller Intrigen, dunkler Geheimnisse und Magie.“
Lese-Erlebnis
Das Buch beginnt genau an der Stelle, an der der erste Teil endete. Mit einer sagenhaft poetischen dreifachen Stille. Dann finde ich mich zunächst erst einmal in Kotes Wirtshaus wieder. Die einheimischen Gäste kennen zwar alle die Geschichten um den legendären Kvothe, bringen diesen jedoch in keiner Silbe mit dem netten Wirt, der nun schon seit geraumer Zeit in ihrer Mitte lebt, in Verbindung. Im Gegenteil, als er einen jungen Dorfbewohner davon abhalten möchte, Soldat zu werden und dabei fast seine Identität preis gibt, hält dieser ihn für den perfekten Geschichtenerzähler.
Die Szenen im Wirtshaus sind jeweils in der Erzählperspektive verfasst. Im Gegensatz zum ersten Teil, fand ich mich diesmal auch hier sofort in die Handlung hinein. Ich freute mich die alten Bekannten wieder zu treffen und auch die Dialoge zwischen Kote und seinem auf Eisen so empfindlich regierenden Gehilfen Bast wirkten auf mich nicht mehr ganz so mürrisch. Dass der Anlass, warum sich gleich zu Beginn fast alle Dorfbewohner im „Wegstein“ einfinden, eher traurig ist, hängt mit den letzten Ereignissen aus „Der Name des Windes“ zusammen.
Als dann alle das Gasthaus wieder verlassen haben, um sich ihrem Tagwerk zuzuwenden ist auch der Chronist erwacht und Kvothe beginnt wieder mit seinen Erzählungen in der Ich-Perspektive. Der hochbegabte junge Mann ist noch immer an der Universität und muss sich gerade ernsthaft Sorgen machen ob und wie er seine Studiengebühren für das nächste Trimester zusammenbekommt. Als ob das nicht schon so schwer genug wäre, hat sich sein alter Feind Ambrose wieder einmal eine böse Gemeinheit einfallen lassen, die es Kvothe unmöglich macht, seinen regulären Termin vor der Zulassungskommission wahr zu nehmen.
Doch er hat wirklich gute Freunde, die ihm helfen den Anschlag Ambroses zu überstehen und einen späteren Prüfungstermin zu bekommen. Nur in finanzieller Hinsicht lässt er sich nicht helfen. Das verbietet ihm der Stolz des Edema Ruh. So leiht er sich erneut von Dämonen-Devi den ihm noch fehlenden Betrag und muss zur Sicherheit einige Tropfen seines Blutes hinterlegen. Kurz danach wird gegen ihn ein Sympathievergehen verübt...
Auch hier traf ich wieder auf viele schon bekannte Protagonisten. Begleitet von einer wundervollen Sprache erlebte ich wieder Alltag und Freizeitaktivitäten von Kvothe, seinen Freunden und Feinden. Der Schreibstil ist dabei so bildhaft und flüssig, dass ich mich regelrecht integriert fühlte und hautnah dabei war. Jede Leseunterbrechung fiel schwer und geschah nur, wenn absolut notwendig. Ich lachte und litt mit den Figuren. Immer wieder freute ich mich über die gelungenen bildhaften Vergleiche. Auch die durch den Ortswechsel des jungen Kvothe neu eingeführten Charaktere kommen sehr lebendig rüber. Besonders beeindruckt hat mich hier die Figur des jungen Ademer Tempi. Dem Maer Alveron stehe ich im Moment mit einem gesunden Misstrauen gegenüber.
Die Wechsel der Handlungsstränge zurück ins Wirtshaus - vom Autor als Zwischenspiele bezeichnet, empfand ich diesmal wesentlich weniger irritierend als im Vorgänger. Die Figur des Kote scheint mir lockerer und besonders in der Begegnung mit der armen, aber sehr stolzen jungen Familie zeigt er eine Menschlichkeit von der ich mir auch in der heutigen Zeit sehr viel mehr wünschen würde. Anderen helfen, ohne das gönnerhaft raus zu kehren und damit den Stolz des anderen zu verletzen.
Das Warten hat erneut begonnen
Die Geschichte selbst ist in einen Prolog und 92 relativ kurze Kapitel eingeteilt. Zur besseren Orientierung des Lesers sind auf den Innenseiten des Einbandes vorn und hinten die Karte des Fantasy-Reiches und auf den ersten Seiten das Inhaltsverzeichnis abgedruckt. Die Kürze der Kapitel verführte mich regelmäßig dazu, vor dem eigentlich dringend nötigen Schlafengehen doch noch eins ran zu hängen und als das Buch dann an einer recht gefälligen Stelle zu Ende war, hätte ich am liebsten immer noch weiter gelesen.
Leider beinhaltet das Buch noch nicht den gesamten zweiten Tag der Königsmörder-Chronik-Trilogie. Laut Verlagsinformationen wäre der zweite Band (Originaltitel The Wise Man's Fear – 993 Seiten) in der deutschen Übersetzung so umfangreich geworden, dass man ihn in zwei Bücher teilen musste – „Die Furcht des Weisen 1“(ET Oktober 2011) und „Die Furcht des Weisen 2“ (ET Februar 2012). Das ist natürlich für die deutschen Leser, die schon so lange auf die Fortsetzung warten, ziemlich heftig. Beide Bücher zusammen sind schon mal preislich eine gewaltige (aber auch lohnende) Investition. Die nochmalige Wartezeit von weiteren 4 Monaten ist für mich persönlich dabei am Schlimmsten. Aber diesmal ist der Zeitraum wenigstens überschaubar.
Obwohl noch lange nicht alle Fragen, die sich in mir zum Ende des ersten Buches der Reihe auftürmten, beantwortet sind, habe ich diesmal nicht ganz so sehr das Gefühl, im Regen stehen gelassen worden zu sein. Die Handlung schreitet voran. So habe ich durch eine situationsbedingte Begebenheit endlich ein kleines bisschen Einblick in die Motivation der bisher so geheimnisvollen Denna erhalten. Bei der Suche nach den mörderischen Chandrian gibt es – wenn auch nur winzig kleine – Fortschritte.
Ich persönlich vermute, dass es auch zwischen Dennas mysteriösen Schirmherrn und den Chandrian eine Verbindung gibt und dass auch die eigenartige aber mir mittlerweile sehr lieb gewordene Auri noch eine Menge zur Auflösung beitragen wird. Die Szenen mit Meister Elodin haben mir in Bezug auf das Mädchen einige Sorgen genommen. Auch zur Identität des Anführers der Banditen habe ich bereits einen ganz bestimmten Verdacht. Die in der Kurzbeschreibung schon angekündigte Begegnung Kvothes mit Felurian werde ich aber wohl erst im Februar 2012 erleben können.
Resümee
Mit einer wunderschönen Sprache, einer interessant fortschreitenden Handlung, lebendigen Charakteren, wunderbaren Geschichten in der Geschichte und ganz vielen Situationen die man trotz der fantastischen Rahmenbedingungen auf den eigenen Alltag adaptieren kann, bescherte mir der Autor Patrick Rothfuss (mit Hilfe der deutschen Übersetzer) wieder ein ganz besonderes Lesehighlight, für das ich eine 100%ige Leseempfehlung abgebe. Allerdings sollte man zuvor wirklich schon „Der Name des Windes“ gelesen haben. Ich selbst warte nun schon wieder sehnsüchtig auf „Die Furcht des Weisen 2“.