Emma Donoghue - Raum/ Room

  • 12 Quadratmeter, Tisch, Stuhl, Teppich, Bett, Schrank und Oberlicht. Und eine verschlossene Tür. Das ist Raum.
    Jack lebt seit 5 Jahren in Raum. Zusammen mit seiner Mutter. Jack wurde in Raum geboren und liebt Fernzusehen. Er weiß ja, dass alles im TV nicht echt ist. Im Gegensatz zu Ma und ihm. Sie sind echt und nur sie. Und natürlich Raum.
    Als Jacks Mutter ihm aber eines Tages die Wahrheit über Raum erzählt, bricht dessen ganze Welt zusammen.
    Denn es gibt eine reale Welt außerhalb von Raum, nur können Ma und Jack nicht in diese Außenwelt, da Jacks Mutter mit 19 von „Old Nick“ gekidnappt und in Raum eingesperrt wurde.
    Jack ist das „Produkt“ dieser Gefangenschaft und seine Mutter ist nach einem lebensgefährlichen Zwischenfall nun fast entschlossen mit Jack aus Raum zu fliehen.
    Dazu müssen beide zu drastischen Mitteln greifen und bis an ihre Grenzen gehen – der Preis für ihre Freiheit!
    Mit „Raum“ hat Emma Donoghue ein unglaublich verstörendes, beklemmendes und erschütterndes Buch geschrieben, das einen tief berührt und ratlos zurücklässt.
    Ratlos, weil man nicht wirklich weiß was man dazu sagen kann, das dem hochbrisanten Thema gerechnet werden könnte.
    Jack ist das Ergebnis eines jahrelangen Missbrauchs seiner Mutter durch ihren Entführer „Old Nick“.
    Nicht nur, dass einen dieses Thema hier als Roman schon sehr nahe geht, auch in der Realität gibt es immer wieder solche Fälle und das macht das Buch noch bedrückender und noch glaubwürdiger.
    Es ist einfach nur erschreckend zu was Menschen fähig sind und s zeigt auch wie sehr jeder seine Freiheit genießen muss und froh darüber sein sollte nicht „Ma’s“ Schicksal zu teilen. Denn diese Freiheit ist wie „Raum“ zeigt nicht immer selbstverständlich.
    Emma Donoghue hat ein atemberaubendes Buch mit einem tiefen und mitreißenden Sog geschrieben, das den Leser nicht nur zum Nachdenken bringt, sondern ihn auch dauerhaft verändert.
    Ich fand das Thema glaubwürdig und sensibel umgesetzt, obwohl leider viel offen und ungeklärt bleibt.
    So wird meines Erachtens viel zu wenig auf den Täter „Old Nick“ eingegangen, der trotz seiner unglaublich verabscheuungswürdigen Tat nicht groß in Erscheinung tritt. Er bleibt eher eine Randfigur, obwohl seine Tat so weitreichende Folgen für Jack und seine Mutter hat.
    Das Motiv und einige interessante Hintergrundinfos zur Entführung werden ebenfalls nicht geklärt und auch die Verurteilung des Täters bleibt offen.
    Dann ist das Buch in Bezug auf die Erzählperspektive sehr einseitig. Es wird nur aus Jacks Perspektive erzählt ohne, dass man einen richtigen Einblick in die Gefühlswelt und die Gedanken von Jacks Mutter bekommt. Es wäre interessant gewesen, auch ihre Sicht der Geschichte zu kennen. Oder auch die der Beteiligten, also die der Familie von Jacks Mutter, ihren Freunden, etc. . Man bekommt so fast keinen Einblick wie es ihnen in der Zeit erging, in der „Ma“ eingesperrt war.
    Die Sprache von Jack fand ich dann sehr gewöhnungsbedürftig und der Lesefluss wird durch die falschen konjugationen, Grammatik- und Artikelfehler, die teilweise sehr konstruiert und dadurch unglaubwürdig wirkten, gehemmt.
    „Raum“ ist für mich ein erschütterndes und in einer Weise faszinierendes Buch, das einen sehr zum Nachdenken bringt und auch nachhaltig verändert.
    Es ist ein besonderes Buch mit einigen Schwächen, das auch überraschend ist.
    So endet das Buch nach der geglückten Flucht nicht einfach, sondern die Geschichte wird weitererzählt und es wird gezeigt wie sich das Leben von Jack und seiner Mutter (deren Namen leider nicht erwähnt wurde) entwickelt.
    „Raum“ ist ein Buch, das man gelesen haben sollte, da nicht nur das Thema allgegenwärtig und hochbrisant ist, sondern, da hier auch die Opfer „zu Wort kommen“ und man einen gewissen Eindruck bekommt wie deren Leben durch eine solch widerliche Tat verändert wird.
    Lesenswert!


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: von :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :thumleft:

  • So wird meines Erachtens viel zu wenig auf den Täter „Old Nick“ eingegangen


    Mir ging es eher so: Ich war erleichtert, dass die Autorin nicht weiter auf ihn eingegangen ist, nachdem er aus der Geschichte verschwunden war. Das, was ich von ihm erfahren habe, hat mir gereicht.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Was mir noch eingefallen ist: die Tür hat doch einen Zahlencode. War sie darüber hinaus noch versperrt? Ma konnte ja anhand der Piepgeräusche wissen, wie viele Ziffern der Code hat. Sicher, es dauert ne ganze Weile alle 5 oder 6 stelligen Nummern durchzuprobieren, aber 8 Jahre ist ja auch ne lange Zeit...Ich muss gestehen, dass ich auch wesentlich brachialer vorgegangen wäre. Klar, "außen" lässt sich sowas gut sagen, aber


    Man muss allerdings auch sagen, dass ich ein paar Selbstverteidigungskurse absolviert habe.

  • So wird meines Erachtens viel zu wenig auf den Täter „Old Nick“ eingegangen, der trotz seiner unglaublich verabscheuungswürdigen Tat nicht groß in Erscheinung tritt. Er bleibt eher eine Randfigur, obwohl seine Tat so weitreichende Folgen für Jack und seine Mutter hat.
    Das Motiv und einige interessante Hintergrundinfos zur Entführung werden ebenfalls nicht geklärt und auch die Verurteilung des Täters bleibt offen.

    So habe ich es auch empfunden - vor allem das Motiv des Täters hätte mich interessiert! Andererseits bin ich, wie Marie, froh, dass er nicht weiter in Erscheinung getreten ist. Es hat mir gereicht, was man von ihm mitbekommen hat. Aber wie gesagt: Warum er ausgerechnet Jacks Mutter entführt hat, hätte mich doch interessiert.


    Dann ist das Buch in Bezug auf die Erzählperspektive sehr einseitig. Es wird nur aus Jacks Perspektive erzählt ohne, dass man einen richtigen Einblick in die Gefühlswelt und die Gedanken von Jacks Mutter bekommt. Es wäre interessant gewesen, auch ihre Sicht der Geschichte zu kennen. Oder auch die der Beteiligten, also die der Familie von Jacks Mutter, ihren Freunden, etc. . Man bekommt so fast keinen Einblick wie es ihnen in der Zeit erging, in der „Ma“ eingesperrt war.

    Das sehe ich etwas anders. Vor allem über das Gefühlsleben von Jacks Mutter erfährt man indirekt doch einiges.

    Auch das Gefühlsleben der Familie wird deutlich: Die Mutter / Großmutter geht anders mit der Sache um als der Großvater, wenn ich das richtig in Erinnerung habe. Für mich hat es ausgereicht, zu sehen, wie unterschiedlich auf die Rückkehr der Tochter und des Enkelsohnes reagiert wird.

    "Hab Vertrauen in den, der dich wirft, denn er liebt dich und wird vollkommen unerwartet auch der Fänger sein."
    Hape Kerkeling


    "Jemanden zu lieben bedeutet, ihn freizulassen. Denn wer liebt, kehrt zurück."
    Bettina Belitz - Scherbenmond


    http://www.lektorat-sprachgefuehl.de

  • So habe ich es auch empfunden - vor allem das Motiv des Täters hätte mich interessiert! Andererseits bin ich, wie Marie, froh, dass er nicht weiter in Erscheinung getreten ist. Es hat mir gereicht, was man von ihm mitbekommen hat. Aber wie gesagt: Warum er ausgerechnet Jacks Mutter entführt hat, hätte mich doch interessiert.

    Vor allem wäre eine "Aufklärung" in diesem Sinn ja auch glaubwürdig gewesen, da


    Deswegen dachte ich auch die ganze Zeit, dass dazu noch etwas kommen muss und war dann eben etwas enttäuscht als darauf überhaupt nicht eingegangen wurde.
    Und detaillierte Handlungen von Old Nick wären mir auch zu viel gewesen, da hat das wenige schon gereicht, aber ich hätte einfach gerne gewusst wie so ein kranker Mensch tickt und was ihn dazu bewogen hat.


    Das sehe ich etwas anders. Vor allem über das Gefühlsleben von Jacks Mutter erfährt man indirekt doch einiges.

    Auch das Gefühlsleben der Familie wird deutlich: Die Mutter / Großmutter geht anders mit der Sache um als der Großvater, wenn ich das richtig in Erinnerung habe. Für mich hat es ausgereicht, zu sehen, wie unterschiedlich auf die Rückkehr der Tochter und des Enkelsohnes reagiert wird.


    Und hier hätte ich mir auch einen tieferen Einblick in die Gefühle der Mutter gewünscht.

  • Was mir noch eingefallen ist: die Tür hat doch einen Zahlencode. War sie darüber hinaus noch versperrt? Ma konnte ja anhand der Piepgeräusche wissen, wie viele Ziffern der Code hat. Sicher, es dauert ne ganze Weile alle 5 oder 6 stelligen Nummern durchzuprobieren, aber 8 Jahre ist ja auch ne lange Zeit...

    Das ging mir auch immer wieder durch den Kopf. Konnte sie die Zahlen nicht erkennen bzw. hören? Irgendwann und vor allem in dieser Situation, in der es um deine Freiheit, dein Leben geht, entwickelt man doch zusätzlich noch andere Kräfte/Fähigkeiten als normal. Vielleicht wurde der Code immer geändert, aber das wird ja nun nicht erwähnt, oder?


    Als Außenstehende kann man immer sagen, das hätte ich so gemacht und das ganz anders und sicher können wir uns diese Ausmaße gar nicht vorstellen, aber dennoch gibt es doch Aspekte in "Raum", die ich nicht wirklich nachvollziehen kann.

  • Warum er ausgerechnet Jacks Mutter entführt hat, hätte mich doch interessiert.


    In einer Szene wird kurz über die Entführung berichtet. Ich habe sie so verstanden, dass Jacks Mutter einfach zur falschen Zeit am falschen Ort war. (Leider habe ich das Buch gerade verliehen, so dass ich die entsprechende Seite nicht heraussuchen kann.)


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  • Ich denke, diese Entscheidung könnte auch halb unterbewusst getroffen worden sein.



  • Das war mir dann einfach zu einseitig.

  • @ Marie:


    Ja, so liest es sich heraus. Dann habe ich mich falsch ausgedrückt und meinte eigentlich ganz allgemein, warum er überhaupt einen Menschen entführt hat und was ihn dazu gebracht hat, diesen jahrelang in Raum einzusperren. Hatte er vielleicht einen Hintergrund, der ihn zu einer solchen Tat getrieben hat? Das wäre doch ganz interessant gewesen.

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  • Ich mag es lieber, wenn Personen in Büchern ihre Geheimnisse ein Stück weit bewahren und nicht alles offen gesagt wird. Daher reicht mir das, was das Buch über Nic oder Jacks Mutter sagt, so dass ich selbst noch Stoff zum Knobeln habe.


    Und es hätte sich hier nicht so eine interessante Diskussion mit verschiedenen Blickwinkeln und Überlegungen ergeben, wenn wir alles wüssten.

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  • Ich tue mir ehrlich gesagt sehr schwer dieses Buch zu bewerten.
    Egal ob hier, bei Amazon oder anderen Bücherseiten, wird dieses Buch gelobt ohne Ende, dh. man geht schon mit einer sehr hohen Erwartung ran und ich muss ehrlich sagen, ich habe mir mehr erhofft durch die ganzen 5 Sterne Bewertungen ...


    Das es nicht einfach zu lesen sein wird, hab ich das ein oder andere mal vorher schon gehört, allerdings fand ich es nur die ersten paar Seiten schwierig, wenn man erst mal „drin“ war, war auch die Schreibweise kein Problem mehr bzw. verstanden hat man immer was Jack aussagen will.


    Das Buch aus der Sicht eines 5 jährigen zu schreiben war mit Sicherheit eine gute Idee, es war auf jeden Fall spannend und interessant zu lesen. Auch wenn ich manchmal „Ma´s“ Gedankengänge hätte lesen wollen, wie sie vieles sieht. Ab und an konnte man es zwar raus lesen, aber auch ihre Sichtweise zu hören, wäre bestimmt das ein oder andere mal noch interessanter gewesen.


    Die Thematik in diesem Buch ist auf jeden Fall schwere Kost, denkt man an die „aktuellen Entführungsfälle“, daran das es wirklich so passiert sein könnte, wird einem ganz anders. „Ma“ wird von heute auf morgen aus ihrem alten Leben rausgerissen, wird in „Raum“ gespeert und verharrt ihren Dingen.


    Als sich Jack immer und immer wieder nach der Befreiung in Raum zurückwünscht, einfach weil die Welt dort draußen so kalt, gefühllos und böse ist lief es mir ab und an wirklich eiskalt den Rücken runter. Man konnte sich sehr gut in ihn hineinversetzen, ein Kind, das nur Raum kennt, es gewöhnt ist mit seiner Mutter 24 Stunden am Tag zusammen zu sein, kein wirkliches Spielzeug zu haben … wird plötzlich in die Welt geschickt und muss zusehen wie er klar kommt.
    All die alltäglichen Dinge wie Schuhe anziehen, Schaukeln, verschiedene Geräusche, wirklich alles muss Jack lernen bzw. versuchen damit umzugehen.


    Was ich mir dagegen sehr aufgestoßen ist (da muss ich hasewue zustimmen)
    der Selbstmordversuch von Ma, jahrelang kämpft sie für sich und ihren Sohn! Steckt vieles ein und dann, wenn sie es „geschafft“ hat gibt sie „auf“? Einfach so?
    Gerade jetzt, wo sie sieht wie schwer sich ihr Sohn tut?
    Klar auch sie hat es verdammt schwer, die Familie die zerbrochen ist, Jack, ihre Vergangenheit, die Medikamente usw. aber irgendwie fand ich es einfach nicht passend in diesem Buch, das sie diesen Schritt auf einmal macht.


    Wie gesagt, ich habe wirklich lange überlegt wieviele Sterne mir dieses Buch „wert“ ist, ich gebe 4 gut gemeinte Sterne, mehr ist es meiner Meinung nach nicht.

    Es geht uns mit Büchern wie mit den Menschen. Wir machen zwar viele Bekanntschaften, aber nur wenige erwählen wir zu unseren Freunden.

  • Ich tue mir ehrlich gesagt sehr schwer dieses Buch zu bewerten.Egal ob hier, bei Amazon oder anderen Bücherseiten, wird dieses Buch gelobt ohne Ende, dh. man geht schon mit einer sehr hohen Erwartung ran und ich muss ehrlich sagen, ich habe mir mehr erhofft durch die ganzen 5 Sterne Bewertungen ...

    Schließe mich an!
    Ich hab mir auch viel erwartet und war dann erst einmal durch den Schrebstil etwas irritiert, ich fand ihn mit der Zeit auch immer anstrengender, obwohl ich das Buch mit nur einer Unterbrechung durchgelesen habe.
    Das Thema fand ich total spannend, auch wenn im Buch erwähnt wird, dass "solche Fälle kaum vorkommen", was in Anbetracht der Ereignisse in den letzten Jahren wohl etwas übertrieben ist (sonst wäre dieses Buch wohl nicht geschrieben worden).
    Das Leben in "Raum" war auch sehr interessant, auch wenn ich sehr gerne mehr über Old Nick erfahren hätte, man wird da ziemlich im Dunkeln gelassen, finde ich. Gegen Ende des Buches hätte ich daher gern einen Wechsel des Erzählers gehabt, dass z.B. am Schluss einmal Ma erzählt, um auch etwas von ihr zu erfahren.
    Öfters war es mir an Informationen zu wenig, auch wenn Jack aus seiner Perspektive natürlich nicht mehr sagen kann, weil er vieles gar nicht mitbekommt.


    Ich schließe mich auch an, dass es gar nicht einfach war, zu akzeptieren,


    "Raum" regt definitiv zum Nachdenken und Diskutieren an. Ich gebe dem Buch trotzdem (nur) :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: , weil mir einiges gefehlt hat und ich zwar gut unterhalten war, aber nie wirklich befriedigt - auch nicht am Ende.

    "Ein Schiff, das im Hafen liegt, ist sicher. Aber dafür werden Schiffe nicht gebaut."

  • "Raum" regt definitiv zum Nachdenken und Diskutieren an


    Auf jeden Fall. :thumleft:
    Was ich so interessant finde, wie unterschiedlich doch die Leser ein Buch erleben können

    auch wenn ich sehr gerne mehr über Old Nick erfahren hätte, man wird da ziemlich im Dunkeln gelassen, finde ich.


    mir haben mehr Informationen über Old Nick in keiner weise gefehlt, er war für mich als Protagonist einfach nebensächlich.

    2024: Bücher: 91/Seiten: 40 202

    2023: Bücher: 189/Seiten: 73 404

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    Mein Blog: Zauberwelt des Lesens
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    "Das Nicht-Wahrnehmen von Etwas beweist nicht dessen Nicht-Existenz "

    Dalai Lama

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    Lese gerade:

    Saunter, Mick - Im Angesicht des Zorns

    Naam, Ramez - Nexus

  • Inhalt: Jack lebt mit seiner Ma in Raum. Raum ist alles was er kennt und hat eine immer verschlossene Tür, ein Oberlicht. Raum ist 12 Quadratmeter groß und in Raum spielt, isst und schläft Jack. Am Abend kommt jedoch immer Old Nick und Jack muss sich vor ihm im Schrank verstecken. Zusammen mit seiner Ma feiert Jack seinen fünften Geburtstag in Raum und eines der größten Geschenke die Ma ihm machen kann, ist ein wenig länger fern zu sehen, dann Jack liebt fernsehen. Im Fernsehen trifft Jack nämlich seine Freunde, die Cartoonfiguren, wie unter anderem Dora. Er weiß jedoch, dass die ganzen Dinge, die er im Fernseher sehen kann, wie die Tiere, die Leute oder auch seine Freunde eigentlich nicht echt sind. Echt sind nur er und seine Ma und alle Dinge, die sich in Raum befinden. In diesem Glauben wächst Jack auf, bis der Tag kommt, an dem seine Ma ihm plötzlich erzählt, dass außer den gezeichneten Figuren im Fernsehen echt sind und es draußen eine viel größere Welt gibt und dass sie versuchen müssen aus Raum zu fliehen!


    Meinung: Die Geschichte wird aus der Perspektive Jacks erzählt, wodurch man als Leser sehr nah an seinen Erfahrung, Gefühlen und seiner Weltsicht ist, da er nur Raum kennt. Ebenso ist Jack an stark geregelte Abläufe gewohnt und wenn diese unterbrochen werden, ist seine Unsicherheit von der Autorin gut herausgearbeitet, denn der Leser spürt, wenn Jack Probleme hat oder Freude an etwas empfindet. Insgesamt unterscheidet sich Jacks Weltsicht sehr stark von der anderer, was insbesondere dadurch deutlich wird, dass er viele Dinge vollkommen anders und für den Leser sehr befremdlich angeht. Dadurch wird man immer wieder damit konfrontiert, dass man über Jacks Handlungen nachdenkt und versucht, zu reflektieren. Des Weiteren bemerkt man jedoch allein die unterschiedlichen Ansichten von Jack und seiner Mutter in Bezug auf Raum und die Außenwelt.


    Allgemein schafft es die Autorin meiner Meinung nach konstant über das Buch hinweg die Gefühle von Jack sehr gut darzustellen. Ebenfalls werden die Probleme, die mit ihrem Leben in Raum auftauchen sehr anschaulich beschrieben und sind an vielen Stellen, grade durch die unbedarfte Sichtweise des Jungen, die für die Erzählung gewählt wurde, sehr erschreckend.


    Interessant ist auch der Stil, in dem die Geschichte präsentiert wird, denn man erlebt die Welt nicht nur aus Jacks Sicht, sondern auch in seiner Sprache, wodurch vieles ganz anders anmutet, als wäre es in normalen Sätzen präsentiert. Jedoch muss ich leider auch sagen, dass es der Autorin nicht an allen Stellen gelungen ist, die Sprache glaubhaft durchzuhalten, denn manche Worte, kam mir doch zu erwachsen vor, wie "Vagina", bei einem Jungen der bei Männern das Wort "Peterchen" benutzt.


    Alles in allem lebt das Buch eindeutig weniger von der Geschichte, als von den Emotionen, die durch die Erzählweise entstehen und den Leser mit den Charakteren mitfühlen zu lassen. An manchen Stellen der Handlung kamen mir selbst einige Dinge konstruiert vor und von manchen Charakteren oder Handlungen, wie Old Nicks Taten werden sehr kurz dargestellt und ab und an sind auch inhaltliche Schwächen vorhanden. Da Jacks Erzählperspektive gewählt wurde, führt das zu einer leichten Langatmigkeit, da Jack auch alltägliches ausführlich beschreibt.


    Auch muss man diese Art der Erzählung einfach mögen, denn sonst kann es einem sehr schwer fallen, mit der Sprache zu Recht zu kommen.

    Furcht ist der Pfad zur dunklen Seite. Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass, Hass führt zu unsäglichem Leid.

  • Was für ein Buch! Es hat mich schon lange nicht mehr ein Buch so in seinen Bann gezogen, dabei habe ich gerade dieses Jahr einige hervorragende Bücher gelesen!!


    Man sollte sich vom Stil nicht abschrecken lassen, nach einigen Seiten liest man es wie selbstverständlich! Für mich wäre es auch sehr interessant, einen Blick ins Original zu werfen! Die Übersetzung ist jedenfalls grandios!
    Zum Inhalt ist schon alles gesagt worden einige hier diskutierte Punkte möchte ich aufgreifen:


    Zur Person des OId Nic:
    Mir haben die Infos, die man über ihn bekommt, gereicht. Das Warum, Weshalb und Wie interessierte mich nicht weiters. Ich war voll und ganz damit beschäftigt, wie der Junge, und v.a. die Mutter mit der Situation umgegangen sind, alles andere hätte den Rahmen gesprengt.
    Man darf nicht vergessen, dass die Geschichte aus der Sicht des kleinen Jungen erzählt wird, es hätte meiner Meinung nicht ins Buch gepasst, die Person und die Psyche des Old Nic zu zerlegen.



    Besonders lesenswert fand ich den Sozialisierungsprozess des Jungen: Dinge, die alltäglich sind, sind für ihn alles anders als alltäglich, die Beobachtungsgabe, die Ideen der Schriftstellerin u die Beschreibungen , fand ich ausgezeichnet! Auch die Charakterisierung der Personen der näheren Umgebung (Stiefpa, Grandma, usw). sind sehr treffend geschildert


    Fazit:
    ein großartiges Buch, ein Highlight, das durch Stil, Authentizität, Herzenswärme und Ideenreichtum besticht, und aufgrund der Ereignisse in Amstetten und rund um N. Kampusch alles andere als Fiktion ist!


    von mir gibt es ganz überzeugte :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Raum sind 14 Quadratmeter. In Raum gibt es einen Schrank, ein Bett, einen Tisch, zwei Stühle, einen Fernseher und ansonsten nur noch weniges andere. Jack ist 5 Jahre alt und kennt nur Raum. Die Welt draußen kann er sich nicht vorstellen. Alles andere, was er im Fernseher sieht, ist für ihn unecht. Jack lebt mit seiner Mutter in Raum. Diese wurde vor sieben Jahren entführt und in eben diesem Raum eingesperrt. Durch eine List gelingt es den beiden zu fliehen. Das Draußen wird auf einmal Wirklichkeit.


    Das Buch hat mich absolut fasziniert, gleichzeitig geschockt und nachdenklich zurückgelassen. Ich glaube als freier Mensch kann man sich nicht wirklich vorstellen wie es einem ergeht, wenn man auf einmal nur noch einen so kleinen Lebensraum hat. Oder wie es ist, in einen so kleinen Lebensraum hineingeboren zu werden. Tolles Buch!


  • Und es werden sich uns sicher noch einige andere anschließen.

    Eure beiden Rezensionen haben mir aus der Seele gesprochen und dem kann ich kaum mehr etwas hinzufügen. :thumleft:

    Ja. Ich habe auch eine Zeitlang gebraucht, bis ich es geglaubt habe. Es funktioniert ganz einfach: Solange eine Frau nicht abstillt und ihr Kind regelmäßig säugt, produziert ihr Körper weiter Milch. Und weil es die einfachste (und von Nic unabhängigste Form) der Ernährung für Jack ist, gibts natürlich keinen Grund, ihn abzustillen. Mütter in Hungergebieten stillen ihre Kinder auch weit über das Babyalter hinaus.

    Mir ging es hier wie gaensebluemche, ich fand die Stillszenen ziemlich verstörend. Wenn von der "Linken", der "Rechten" und von "sahnig" die Rede war, wurde mir leicht anders. Aber dann fiel mir wieder ein, dass hier ja ein 5jähriger erzählt, der nichts anderes kennt als einen Raum, ein paar Gegenstände und seine Mutter und für den dies das Normalste der Welt ist.

    Jack sagt an einer Stelle, dass die Menschen im Draußen immer im Stress sind und nie für etwas richtig Zeit haben – natürlich keine vollkommen neue Erkenntnis, aber im Zusammenhang mit dem Roman etwas, das nachklingt, wie überhaupt viele Szenen und Sätze dieses Buches.

    Dieser Satz ist mir auch sofort aufgefallen und im Gedächtnis geblieben.


    Das glaube ich allerdings nicht. Für Jack möglicherweise, für seine Mutter sicher nicht.

    Hm, irgendwie fühle ich mich aber als ob ich vorhin ein 90%iges Happy End gelesen habe. :-k Irgendwie kam mir die Mutter, natürlich bis auf den

    , auch im "Draußen" relativ normal, fürsorglich und gefasst vor, ja sogar glücklich. Und das sowohl vor als auch nach dem gespoilerten Ereignis. Natürlich werden bei solch schlimmen Erlebnissen immer Narben bleiben, egal wie stark ein Mensch ist.

    Ich mag es lieber, wenn Personen in Büchern ihre Geheimnisse ein Stück weit bewahren und nicht alles offen gesagt wird. Daher reicht mir das, was das Buch über Nic oder Jacks Mutter sagt, so dass ich selbst noch Stoff zum Knobeln habe.

    Das finde ich auch. Außerdem wäre es schwierig gewesen, mehr über Old Nicks Beweggründe oder dem Innenleben von Jacks Mutter zu erfahren, da das Buch eben aus der Sicht Jacks geschrieben ist und der Leser nur soviel mitbekommt wie eben auch Jack mitbekommen hat.
    Ich würde es allerdings interessant finden, das komplette Buch zusätzlich aus einer neutralen Perspektive lesen zu können um zu wissen wie es dann wirken würde.


    Fazit: Ein sehr sensibles und emotionales Buch, das sicher sehr schwierig zu schreiben war. Es wird mir lange im Gedächtnis bleiben. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb: (Den letzten halben Stern streiche ich weil mir manche der Ansichten von Jack im "Draußen" einfach zu reif für sein Alter und vor allem auf Grund seines Vorlebens vorgekommen sind.)

  • Mittlerweile habe auch ich das Buch gelesen und kann mich den positiven Rezensionen anschließen. Überhaupt hat dieses Buch geschafft hier einige sehr interesssante Diskussionen zu entwickeln.


    Anfänglich musste auch ich mich erst mal in den Stil einlesen. Irgendwie konnte ich erst wenig mit der Art des Erzählens von Jack nichts anfangen. Ich konnte einfach nicht nachvollziehen, dass so ein 5-jähriger sprechen soll. Wie gut das man im Büchertreff ist und wie gut, dass es gaensebluemche in Original lesen konnte. :) So gab es für mich einen Sinn, wie Jack seine Welt sah.


    Wie beklemmend Raum ist, dass muss ich hier niemanden schreiben. Es würgt einem fast die Luft ab. Ich wüsste nicht, ob ich all die Jahre so durchgehalten hätte. Allerdings kann einem ein Kind "Flügel" verleihen und die Kraft geben, so manches durchzustehen. Und "Ma" (ihren Namen erfährt man nicht - ein sehr interessantes Stilmittel von Donoghue) musste einiges mitmachen. Je mehr man von ihrem Aufenthalt erfährt, desto mehr Respekt bekam ich von ihr.


    Jack hatte eine wunderbare, aufmerksame und sehr phantasievolle Mutter in ihr gehabt. Was sie sich alles ausgedacht hatte, um Jack so vieles beizubringen, war für mich wahnsinnig toll. Was braucht es für ein Kind mehr.
    Mir schnürte es den Atem zu, als mir bewusst wurde, wie knapp das Essen dort war. Interessanterweise wurde es mir so richtig im zweiten Teil klar, als Jack erzählte, dass Ma ihm nicht mehr die Cornflakes abzählte und er so viel davon essen konnte wie er wollte. Noch nicht einmal genügend zum Essen hatten die beiden. Es macht mich wütend, wenn ich daran denke.



    Hier wurde so oft auf das stillen eingegangen, dass ich mir -fast schon automatisch- auch meine Gedanken dazu machte. Zum einen ist mir jetzt "langzeitstillen" nichts unbekanntes. Natürlich geht das und Marie hat es auch wunderbar erklärt. Zum anderen war das stillen für mich auch eine Metapher wie nah sich Ma und Jack sind. Stillen ist eine sehr intime und zärtliche Geste, zwischen Mutter und Kind. Sehr berührend war für mich, die Art wie sich Jack vom stillen verabschiedet hatte. Ein Zeichen für mich, dass er wieder ein "Stückchen" größer und selbständiger geworden ist.


    Und nun zum zweiten Teil des Buches. Wie unendlich schwer musste es für Jack gewesen sein, sich in dieser neuen Welt zurechzufinden. Ich mag gar nicht daran denken, wie es sich für ihn anfühlte. Und jeder ging unterschiedlich einfühlsam mit dieser Tatsache um, dass er sich ja erst mal zurechtfinden musste, in diesem neuen, unbekannten. Besonders gut hatte mir dabei Leo gefallen, der Stiefopa von Jack. Er ging am einfühlsamsten mit ihm um. Da waren wunderbare Szenen, an die ich mich gerade erinnere.


    Da das Buch ja aus dem Blickwinkel von Jack geschrieben wurde, störte es mich wenig, dass ich recht wenig von Old Nick erfuhr. Das wenige reichte mir schon.


    Und auch der Schluss fühlte sich für mich richtig an.


    Mein Fazit: Ein Buch, das mich sehr berührte, mich immer noch beschäftigt. Über manches lässt sich noch nachdenken. Selbst wenn einem das Leben selbst ja so vertraut scheint, mal hin und wieder inne zu halten und es vom Blickwinkel eines "Jacks" zu sehen, seinen Blickwinkel zu ändern, dass tut gut.

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


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  • Jack hatte eine wunderbare, aufmerksame und sehr phantasievolle Mutter in ihr gehabt. Was sie sich alles ausgedacht hatte, um Jack so vieles beizubringen, war für mich wahnsinnig toll. Was braucht es für ein Kind mehr.

    Das stimmt! Das hat mir während des Lesens auch sehr gut gefallen. Und der Autorin ist es dazu noch klasse gelungen, zu verdeutlichen, wie zufrieden Jack mit sich selbst und seiner eigenen kleinen Welt ist. Ganz nach dem Motto "Was man nicht kennt, kann man nicht vermissen". :-k

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