Laurent Seksik - Vorgefühl der nahen Nacht / Les derniers jours de Stefan Zweig

  • Inhalt (Cover):
    Als Stefan Zweig im September 1940 mit seiner dreißig Jahre jüngeren Frau Lotte nach Brasilien kommt, ist er voller Hoffnung, hier Wurzeln schlagen zu können. Jahre des Reisens und der Entbehrungen liegen hinter ihm. Tatsächlich wird er herzlich aufgenommen, und Lotte hofft, dass ihr Mann nun endlich jenen Gefühlen freien Lauf lassen kann, nach denen sie sich sehnt. Für einen Moment glauben beide, das Paradies wiedergefunden zu haben. Sie mieten ein Haus in Petropolis nördlich von Rio de Janiero. Können sie hier endlich den schmerzlichen Verlust vieler Freunde vergessen und ein neues Leben beginnen?


    Autor:
    Laurent Seksik, 1962 in Nizza geboren, studierte Medizin und arbeitet heute halbtags an der medizinischen Universität in Paris. 1999 veröffentlichte er seinen ersten Roman: Les mauvaises pesées wurde sogleich in zwölf Sprachen übersetzt.
    Seksik war einige Jahre Literaturchef von "LePoint" und "Figaro Etudiant". Vorgefühl der nahen Nacht - Originaltitel: "Les derniers jours de Stefan Zweig" - ist sein vierter Roman und markiert in Frankreich seinen Durchbruch auf die Bestsellerränge, auch wurde er mit dem "Grand Prix des Lectrices de Elle" ausgezeichnet.


    Meine Meinung u. Bewertung:
    Ständig auf der Flucht von England, wo Stefan Zweig plötzlich als Staatsfeind behandelt wurde, nach New York. Er fühlte sich bedrängt von den vielen Bittstellern, hatte wieder Kontakt zu seiner ersten Frau Friderike. Lotte reagiert darauf mit Eifersucht. Auch häufen sich ihre Asthmaanfälle. Brasilien bot sich als Lösung an. Lotte erholte sich schnell, hegte neue Hoffnung nun endlich Wurzeln zu fassen, und die Beachtung ihres Mannes zu spüren. Doch die Schatten seiner toten Freunde holten ihn ein, lassen ihn nachts nicht schlafen. Er verlässt das Haus nur ungern, versinkt in Gedanken an seine verlorene Bibliothek, seine Heimat und stellt sich die Frage nach dem Wert eines Autors, der weder in der Muttersprache schreiben darf noch gelesen wird, grübelt über die Gräueltaten, die ihm immer wieder den Mut zum Weiterleben, zum Neuanfang verleiten.
    Laurent Seksik schreibt in angenehmem Erzählton, der Einstieg ist fesselnd greift in die Vergangenheit zurück. Doch dann hatte ich das Gefühl alles stagniert oder wiederholt sich, das Hadern mit dem Schicksal. Ein kleiner Lichtblick der bevorstehende Karneval, neue Zuversicht, aber alles nur Trug. Der Schluß ergreifend und niederschmetternd, deprimierend, düster. Von Seksik sehr einfühlsam geschildert.
    Schade, dass Lotte eher ein Schatten bleibt. Auch erhält man keine neuen Erkenntnisse. Seksiks Stärke liegt in der Beschreibung der Gedanken, der Gefühle, des Verlusts.
    Daher ein trauriger, aber faszinierender, aufwühlender, erklärender Roman, den ich gerne empfehle.
    Meine Bewertung: :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:


    Liebe Grüsse
    Wirbelwind


    :study: Anna-Louise Jordan, Herbst in Heidelberg

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Das Buch beginnt mit der Ankunft Zweigs im September 1941 in Brasilien. In sechs Abschnitten, monatlich von September bis Februar 1942, berichtet der Autor von dem Versuch der Zweigs sich in ihrem Exil einzuleben. Bekanntermassen wird es nicht gelingen: Lottes Asthmaanfälle werden schlimmer, Stefan Zweig trauert nicht nur seinen Freunden und dem untergehenden Humanismus her, der Faschismus scheint unaufhaltsam zu sein. Singapur wird von Japanern besetzt, Schreckensnachrichten über die jüdische Verfolgung treffen aus aller Welt herein. Wieso sollte man im Dschungel noch Karneval feiern, wenn es keine Rettung zu geben scheint, man quasi nur noch abwartet, bis auch Brasilien faschistisch wird?


    Eine spannende Zeit und sicherlich lesenswert für alle Fans von Stefan Zweig. Persönlich erfuhr ich hier wenig Neues. Zu Beginn hatte ich Mühe mit der allzu gefälligen einfachen Sprache. Auf den ersten Seiten ein "Name-dropping" nach dem anderen, als Stefan Zweig sich erinnert, wen er alles gekannt und verloren hat, wo er überall war, etc

    Aber schliesslich findet sich doch noch eine Handlung ein. Er trifft im Exil auf Ernst Feder und Georges Bernanos, und diese Diskussionen mit ihnen, ebenso wie die Feier zum 60. Geburtstag haben mich mit dem schwachen Anfang versöhnt.

    Und ich gebe Wirbelwind recht, der Schluss - so bekannt einem das Ende von Beginn an ist - hinterlässt dann doch einen melancholischen Eindruck, den eines schweren Verlustes...

    Der Schluß ergreifend und niederschmetternd, deprimierend, düster. Von Seksik sehr einfühlsam geschildert.

    Ach ja: das Original wurde in französischer Sprache verfasst, hier ein Link dazu...

  • Ich habe direkt im Anschluss diese Graphic Novel gelesen, die mir aufgrund der Zeichnungen noch besser gefallen hat, als der zu Grunde liegende Prosatext!


    Der Handlungsablauf ist leicht angepasst, bspw beginnt die Handlung hier auf der Überfahrt nach Brasilien und Zweig trifft hier auf Personen, die im Buch erst später erscheinen - das schadet dem Ablauf aber keineswegs.


    Ansonsten ist die Atmosphäre der Zerrissenheit, dem Gegensatz zwischen paradiesischem Exil und dem Grauen, dem man versucht zu entfliehen, hervorragend herausgearbeitet. Man kann auf Youtube einen schönen, dreiminütigen Buchtrailer des Verlags Jacoby & Stuart finden (Die letzten Tage von Stefan Zweig) finden, der einen Eindruck über die Panels, Textgrösse usw gibt.

  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „Laurent Seksik, Vorgefühl der nahen Nacht“ zu „Laurent Seksik - Vorgefühl der nahen Nacht“ geändert.
  • Squirrel

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