Julie Zeh - Corpus Delicti. Ein Prozess

  • Klappentext:


    Irgendwann im 21. Jahrhundert: Der Staat will nur unser Bestes und hat Gesundheit zur höchsten Bürgerpflicht gemacht. Ein junger Mann bringt sich um, weil ihn das System eines Verbrechens beschuldigt. Seine Schwester will beweisen, dass er unschuldig ist. Und wird zur Gefahr.


    Eigene Beurteilung:


    Es dreht sich alles um einen Prozess gegen Mia Holl, die nach dem Tod ihres Bruders Moritz in Haft - mit Hilfe einer von ihr eingeschleusten Angelschnur - nun selbst vor Gericht steht, weil sie den allgemeinen Gesundheitsvorsorgeregeln - der METHODE - die die Gesellschaft beherrschen in ihrer Trauerarbeit nicht befolgt hat und in Angedenken an ihren toten Bruder sogar rauchte. Nun wird sie durch einen Medienvertreter und die Politik mehr und mehr in die Rolle einer Märtyrerin für die Freiheit gedrängt - und dass, obwohl sie eigentlich als Naturwissenschaftlerin immer eine strikte Vertreterin und Befürworterin der METHODE gewesen ist. Sie möchte nur für ihre Trauer ihre Ruhe.


    Voller Philosophiereien und Winkelspiele der Akteure, die schließlich zu einem nicht so ganz überraschendem Ende führen. Die Idee eines totalitären Regimes, wie man es von Blankertz, Leo P. Ard und auch aus der Martha-Washington-Reihe kennt ist hier noch einmal anders umgesetzt und auch nicht ganz so drastisch demonstriert. Eine umfassende Darstellung des Systems, wie sie sonst in Dystopien üblich ist wird hier nicht unbedingt geliefert. Dafür sind die Begegnungen Mias mit der Ordnungsmacht und dem Gericht durchaus kafkaes in ihrer Darstellung, was das Lesen nicht unbedingt vereinfacht, obwohl es interessant ist.

  • Wir haben das Buch Corpus Delicti mit der Schule gelesen.
    Ich fand es zu erst etwas schwer, in der Buch rein zu kommen. Doch wenn man die Grundlegenden Themen und Personen kennen gelernt
    hat lässt sich das Buch gut lesen. Es geht in dem Buch um Mia Holl und ein neues Staatssystem das sich die Methode nennt.
    Die Methode ist ein System was ganz und gar auf die Gesundheit des Menschens aus gerichtet ist. Oberstes Gebot ist die Gesundheit
    des Menschens. Mia Holl kommt in einen Zwiespalt, wo sie sich nicht mehr sicher ist ob sie gegen die Methode ist oder dafür.


    Ich fand das Buch richtig gut. Das Buch ist jedoch kein Buch, das man mal eben schnell weg ließt man muss es schon intensiv lesen.
    Ich glaube ob wohl ich das Buch so gut fand hätte ich es, wenn ich es privat gelesen hätte, abgebrochen da es schon schwere kost war. :study:

  • Ich fand das Buch richtig gut. Das Buch ist jedoch kein Buch, das man mal eben schnell weg ließt man muss es schon intensiv lesen.
    Ich glaube ob wohl ich das Buch so gut fand hätte ich es, wenn ich es privat gelesen hätte, abgebrochen da es schon schwere kost war.


    Was einer der besten Gründe ist, solche Lektüren in der Schule zu lesen und nicht nur leichte Unterhaltungskost um Schülerinnen und Schüler nicht durch "zuviel Schwierigkeiten" abzuschrecken. Es kommt eben auf die Dosis an.

  • Handlung
    In einem System, in dem die körperliche Gesundheit keine Sache des Individuums mehr ist, sonder staatlichen Prüfungen unterliegt, ist das Bild vom gläsernen Menschen wahrgeworden. Ein Chip im Oberarm misst permanent, ob das vorgeschriebene Sportpensum eingehalten wurde, welche Ruhephasen der Körper erhält und ob er von seinem "Besitzer" auch zum Optimum gepflegt wird. Regelmäßige Blut- und Urinkontrollen gehören genauso zum Alltag wie das Einhalten der Hygienestandards in der Wohnung. Alles durch Gesetze eines unfehlbaren, weil auf Objektivität beruhenden, Gesellschafts- und Rechtssystems geregelt und kontrolliert.
    Moritz Holl hielt nicht viel von diesem System. Er zweifelte die Unfehlbarkeit und die Universalität an. Landete im Gefängnis für ein Verbrechen, das er laut eigener Aussage nicht begangen hat - trotz Überführung durch einen DNA-Test. Seine Schwester Mia glaub fest an seine Unschuld, auch und vor allem, nachdem Moritz sich selbst im Gefängnis das Leben genommen hat. Ab diesem Moment beginnt sie konsequent, das System in Frage zu stellen.


    Meine Meinung
    Um es kurz zu machen: dieses Buch ist eine grandiose Geschichte über ein totalitäres und gleichzeitig demokratisches System, die die Möglichkeit einer freien und gerechten Gesellschaft ausschließt. Zumindest wenn man diese beiden Parameter an individuellen Schicksalen bemisst.


    So viel Lob möchte ich über dieses Buch loswerden, dass ich gar nicht weiß, wie ich anfangen soll. Von der ersten Seite an, hat es mich total gepackt. Die Logik, nach der dieser Staat errichtet ist, ist so bestechend und so fundiert, dass man selbst schnell Teil seiner Zirkelschlüsse wird, wenn man nicht aufpasst. Aber zum Glück kann man Mias Gedankengänge, ihre Entwicklung und die Herleitung eines Gegenentwurfs - der dennoch keine Lösung enthält - verfolgen und so dem Sog der Argumentation für eine völlige Gesundheitsgesellschaft (so würde ich sie mal salopp bezeichnen) entgehen. Wobei die Drastik auch ohne Mia zu Tage kommen und den Leser erschaudern machen würde.


    In einer Welt, in der alles reguliert ist und allein der Zug an einer Zigarette ein schweres Vergehen ist, weil es einen Missbrauch toxischer Substanzen darstellt, in der man keinen Schluck Wein trinken darf und überhaupt alles unter Strafe steht, was dem Wohl des Leibes in irgendeiner Form schadet - dorthin wird der Leser gleich geworfen. Mit allen Konsequenzen. Sportpensum, das es einzuhalten gilt. Panische Mütter, die erschrocken rumrennen, wenn ihre Kinder anfangen zu niesen. Immer, wenn man erschrocken einen neuen - vermeintlich privaten - Bereich des Lebens sieht, der von diesem Staat überwacht wird und man denkt, dass jetzt eigentlich nichts mehr kommen kann, erscheint ein weiterer Aspekt auf der Bildfläche, über den das Individuum nur beschränkte Kontrolle hat.


    Und mittendrin ist Mia. Eine Anhängerin dieser METHODE. Eine Naturwissenschaftlerin, deren gesamtes Wesen auf Rationalität ausgerichtet ist und die deshalb diese Gesellschaftsordnung als logische Reaktion einer Gesellschaft auf die Umwelt ansieht. Krankheiten sind ausgerottet und die Menschen schaffen sich die äußeren Bedingungen dafür, ein möglichst langes, gesundes Leben zu führen. Wie es dem natürlich Instinkt der Lebewesen entspricht. Aber eine Sache ist falsch gelaufen und hat einen großen Riss in die Fassade gesprengt: Mias Bruder Moritz ist einem Justizirrtum zum Opfer gefallen - davon ist sie fest überzeugt. Und das bei einem System, das sich selbst als unfehlbar definiert. Da kann etwas nicht stimmen.
    Mia ist eine ausgesprochen interessante Hauptfigur; ihr Psyche ist gleichzeitig furchtbar labil - neben Wahnvorstellungen hat sie außerdem Depressionen - und gleichzeitig ist ihr Verstand messerscharf. Man weiß nie, wann sie den nächsten gedanklichen Schritt zulässt und wann sie sich für eine Seite entscheidet: für oder gegen die METHODE.
    Spannend ist auch ihre Gegenfigur: Heinrich Kramer, der ebenfalls blitzschnelle Gedanken hat und hochmanipulativ seine Ziele verfolgt; dabei aber klarer Anhänger der bestehenden Ordnung ist. In den Dialogen zwischen den beiden findet man unheimlich viele Denkanstöße - genau wie auch in den Dialogen zwischen Mia und Moritz.


    Sowieso ist dieses Buch sehr gesprächslastig. Als könne man die Aushandlung dieses Gesellschaftsbildes nur im Gespräch führen. Oder eben auch nicht. Der Schreibstil ist perfekt - nüchtern an manchen, überschwänglich an anderen Stellen, aber immer präzise. Sicher keine leichte Kost. Aber eine lohnenswerte. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: von mir.

  • Sowieso ist dieses Buch sehr gesprächslastig. Als könne man die Aushandlung dieses Gesellschaftsbildes nur im Gespräch führen. Oder eben auch nicht. Der Schreibstil ist perfekt - nüchtern an manchen, überschwänglich an anderen Stellen, aber immer präzise. Sicher keine leichte Kost. Aber eine lohnenswerte. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: von mir.

    Ich hab den Roman vor einigen Jahren - als auch die Verfilmung von "Spieltrieb" aktuell war - begonnen und abgebrochen, weil ich mit Juli Zehn nie warm werden kann. Nun denk ich mir, dass - um mitreden zu können - das kurze Hörbuch absolut zumutbar ist. Bildungslücke.

    "Wer sich in Familie begibt, kommt darin um!" (Heimito von Doderer)

  • Von der Idee her ist der Roman großartig. :thumleft:

    Die Zukunftsvision, die Juli Zeh in ihrem Roman entwickelt, ist für mich erschreckend, und dennoch kann ich es mir gut vorstellen, dass es wahr werden könnte. :shock:

    Die Gesundheit des Individuums, die Art zu leben und mit eigenem Körper umzugehen, die Partnerwahl unterliegen strengen Regeln des totalitären Staates. Das System wird Methode genannt, und stellt eine Gesundheitsdiktatur vor. Die Menschen bekommen einen Chip implantiert, um die Kontrollen des Einzelnen besser zu gewährleisten.


    Leider fand ich, dass der Autorin lediglich der Anfang gut gelungen ist. Im Laufe der Geschichte wurden die Charaktere eindimensionaler, die Ansichten und Gedanken wiederholten sich unzählige Male, sodass ich als Leser das Gefühl hatte, dass Juli Zeh nichts mehr zu dem Thema einfällt. Das ganze Konzept war zu simpel für so ein umfassendes Thema. Auch die Sprache des Romans fand ich zu einfach. Für mich hat diese Geschichte nur bedingt funktioniert.

    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: Sterne.

    2024: Bücher: 90/Seiten: 39 866

    2023: Bücher: 189/Seiten: 73 404

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    Mein Blog: Zauberwelt des Lesens
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