Klappentext:
Eine mutige Frau.
Eine außergewöhnliche Liebe.
Eine Reise ans Ende der Welt.
Madeiras Lorbeerwald, Feuerlands Felsenküste, Tahitis Blütenpracht. Im späten 18. Jahrhundert hofft die junge Mary Linley in Plymouth darauf, als Botanikerin fremde Länder zu erkunden. Sie muss einen hohen Preis zahlen, um ihren Lebenstraum zu verwirklichen und an Bord der Sailing Queen auf Expeditionsreise in den Pazifik aufzubrechen. Doch ihr Weltbild gerät ins Wanken, als sie ihre Liebe zu dem Botaniker Sir Carl Belham entdeckt...
Über die Autorin (Verlagswebsite)
Liv Winterberg, 1971 in Berlin geboren, studierte Germanistik, Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft. Sie arbeitet für Film und Fernsehen als Drehbuchautorin und Rechercheurin. Mit ihrer Familie lebt sie in Berlin. "Vom anderen Ende der Welt" ist ihr erster Roman.
Aufbau:
Der Roman ist in drei Teile gegliedert, die Mary Linleys Geschichte erzählen - ihren Aufbruch zu der Reise, die Reise selbst und ihre Rückkehr. Die Kapitel sind sehr unterschiedlich lang und meist begleitet der personale Erzähler Mary und ihr Erleben dieser Reise. Es gibt aber auch Kapitel aus der Perspektive anderer wichtiger Charaktere, und diese geben sehr gut Aufschluss über das, was andere über Mary und ihr Verhalten denken.
Die Kapitel sind nicht nummeriert, sondern sie geben immer das Datum und den Ort der Handlung an. Das ist gerade im zweiten Teil, als Mary auf Reisen ist, sehr interessant.
Der Roman hat 429 Seiten, an den sich 17 Seiten Anhang anschließen, die unter Anderem in einem Glossar einige Begriffe aus der Schifffahrt, der Botanik und vielen anderen Bereichen erklären. Auch genannte historische Persönlichkeiten werden dort kurz vorgestellt. Dies ist ziemlich hilfreich beim Lesen, um sich ein besseres Bild machen zu können.
Inhalt:
Mary Linleys Vater war ein bekannter Botaniker, der seine Tochter häufig an den Forschungen teilhaben ließ. Das Mädchen, das ohne Mutter aufwächst und deswegen viel Zeit mit dem Vater verbringt, lernt viel über die Forschung des Vaters und auch wenn ihr Wunsch für das 18. Jahrhundert unangemessen scheint - Mary möchte Botanikerin werden.
Nach dem Tod ihres Vaters bricht für sie eine Welt zusammen. Die Tante, die Mary erziehen soll, will von dem Fotschungsdrang der Nichte nichts wissen. Mary soll heiraten und Kinder erziehen, ihr botanisches Wissen an ihre Söhne weitergeben, dazu sei es doch ganz gut. Aber das reicht Mary nicht und ein solches Leben kann sich die junge Frau für sich nicht vorstellen. Sie will die Welt sehen, sie will reisen, sie will forschen!
Aber einer Frau gibt niemand eine Chance und so sieht Mary sich gezwungen, zu drastischeren Mitteln zu greifen. Sie schneidet sich kurzerhand die Haare ab, packt die Reisekleidung ihres Vaters zusammen und lässt alles stehen und liegen, um auf einem Schiff unter dem Namen Marc Middleton als Zeichner anzuheuern. Sie hat Glück, dass der Crew nicht mehr viel Zeit bis zur Abreise bleibt und man keine Zeit hat, ihre Zeugnisse zu überprüfen, die sie nicht hätte; die Arbeiten, die Mary mitbringt, genügen, und schon ist sie samt ihrer neuen Identität an Bord des Schiffes "Sailing Queen". Nun wird ihr Traum wahr werden - sie wird ans andere Ende der Welt reisen, wird fremdartige Tiere und Pflanzen sehen und fremde Kulturen kennenlernen, sie wird an der Stelle entlangsegeln, an der das Schiff ihres Vaters sank. Sie wird Abschied nehmen können und ihm gleichzeitig zeigen, dass sie es geschafft hat, ihren Traum wahrzumachen.
Aber trotz der paradiesischen und überwältigenden Orte, die Mary auf ihrer Reise kennenlernt, ist die Fahrt auf dem Schiff bei weitem nicht nur angenehm. Der Umgangston ist oftmals rau, das Leben ist hart, und die Mannschaft geht auch mit dem zarten Marc Middleton nicht zimperlich um. Trotzdem findet Mary auch als Marc Freunde auf dem Schiff - zum Beispiel den kleinen Schiffsjungen Seth, der mit seinem Bruder Nat und seinem Vater auf dem Schiff ist, und den Marcs Arbeit sehr fasziniert. Aber auch Franklin, der dem Fotschungsteam angehört, und der Smutje Henry werden zu Marys Freunden. Und dann ist da natürlich auch noch Carl Belham, der Botaniker. Er ist immer freundlich und zuvorkommend zu allen - und Mary muss bald schon feststellen, dass sie für diesen Mann starke Gefühle entwickelt. Das darf nicht sein - wie soll sie ihre Rolle aufrecht erhalten, wenn ihre Gefühle verrückt spielen? Mary ahnt nicht, dass ihre Identität bald schon aus ganz anderen Gründen auffliegen wird...
Meine Meinung:
"Vom anderen Ende der Welt" hat mir sehr gut gefallen. Es erzählt die Geschichte einer wirklich beeindruckenden Frau, die sich allen Widerständen zum Trotz nicht unterkriegen lässt und sich einer Gesellschaft entgegenstellt, in der sie ihre Träume nicht leben darf. Mary Linley wird dabei von der Autorin aber nicht als eine Figur porträtiert, die alles kann und sich immer durchbeißt, weil sie so willensstark ist, nein, Mary hat oft Angst, ist traurig, macht sich Sorgen oder ist wütend. Sie zeigt viele Facetten ihres Charakters und Liv Winterberg hat mit ihr eine richtig tolle Protagonistin geschaffen, mit der man gern bis ans andere Ende der Welt und dann wieder zurück reist.
Auch viele der anderen Charaktere wachsen einem schnell ans Herz - allen voran natürlich der kleine Seth, und für mich war auch noch William Middleton (na, welche Personen standen für diesen Namen Pate?) eine der Figuren, die mir schnell sehr sympathisch waren. Man kann aber schon sagen, dass alle Charaktere sehr glaubwürdig und interessant dargestellt werden, sodass das Kopfkino beim Lesen schnell Bilder zu all diesen Charakteren findet. Sicherlich kam der Autorin da auch ihre Arbeit beim Film zugute.
Auch die Beschreibungen der Orte sind einfach nur schön - und das, obwohl Liv Winterberg gar nicht seitenweise Beschreibungen verfasst. Mit wenigen Sätzen versteht sie es, Schauplätze der Handlung so zu beschreiben, dass man als Leser sofort Bilder vor sich sieht und sich diese Orte genau vorstellen kann. Sie fängt die Atmosphäre der Orte ein - es ist schwer, das zu beschreiben, aber ich habe es beim Lesen so empfunden - und gibt sie unmittelbar an ihre Leser weiter. Genau diese Atmosphäre macht für mich einen riesigen Pluspunkt des Buches aus - mir hat das unheimlich gut gefallen.
Was ist "Vom anderen Ende der Welt" für ein Genre? Es ist zum Einen ein großartig recherchierter historischer Roman, der sich für die Figur der Mary Linley die französische Botanikerin Jeanne Baret als Vorbild nimmt, die 1768 tatsächlich die Reise antrat, die Mary Linley in diesem Roman macht. Auch andere Ereignisse aus dem Leben der Französin hat Winterberg für ihre Protagonistin übernommen, und es ist spannend, dies im Nachwort mitzuverfolgen. "Vom anderen Ende der Welt" ist aber auch eine Liebesgeschichte, die wunderschön und vollkommen ohne Kitsch erzählt wird, es ist ein Abenteuerroman und ein Reiseroman - ein Buch, das mich überzeugt, mich gefesselt, mir von der ersten bis zur letzten Seite Spaß gemacht und mich auch manchmal mit Tränen in den Augen zurückgelassen hat.
Ein spannendes und zugleich wunderschönes Buch, das ich unbedingt weiterempfehlen möchte!