Originaltitel: La Regenta, erschien erstmalig 1884 / 1885 in zwei Bänden
Kurzbeschreibung (Amazon)
Neben Anna Karenina, Emmy Bovary und Effi Briest gehört die „Präsidentin“ Ana Ozores zu den großen Frauengestalten der Literatur: „Der beste spanische Roman des 19. Jahrhunderts.“ (Mario Vargas Llosa) Die schöne junge Ana Ozores droht in der Enge einer spanischen Provinzhauptstadt als Gattin eines schon betagten Gerichtspräsidenten zu ersticken. Das Leben hier wird beherrscht einerseits von der Kirche, andererseits von den Gesetzen der adeligen Gesellschaft, die Ana allenfalls etwa Koketterie und Liebelei zubilligen würde. Die Verführung naht in Gestalt des Don Álvaro Mesía, einem Mann von sinnlicher Ausstrahlungskraft. Die Ereignisse überschlagen sich – es kommt zu einem dramatischen Duell.
Meine Meinung
Ana Ozores ist jung und schön. Sie lebt mit ihren wesentlich älteren Ehemann, einem pensionierten Gerichtspräsidenten, in Vetusta, einer Provinzhauptstadt irgendwo in Spanien. Die Atmosphäre der Stadt wirkt auf Ana eher bedrückend, sie fühlt sich eingesperrt in einem goldenen Käfig. Sie muss auf ihre Ehre achten. Eine kleine, bedeutungslose Affäre darf sie sich gestatten, sofern sie diskret ist. Aber nicht mehr.
Sie ist kinderlos und ihr Mann, der ihr durchaus zugetan ist - aber mehr auf eine väterliche Art - verbringt seine Zeit lieber mit der Jagd. Und so flüchtet sie sich schließlich in die Religion. Fast täglich geht sie zur Beichte bei dem Genrealvikar der Stadt, Don Fermín de Pas. Die beiden fühlen sich auf eine geistige Art miteinander verbunden.
Der zweite Mann, der sich zu Ana hingezogen fühlt, ist Don Alvaro Mesía. Er hat schon die Hauptstadt Madrid gesehen und gilt als welterfahren. In Vetusta erfüllt er die Rolle des Don Juan. Er erkennt schnell, das er in Don Fermín einen Rivalen hat.
Ana ist sehr naiv. Das Don Alvaro ihr Liebhaber sein möchte, bemerkt sie irgendwann schon. Doch sie strebt nach Reinheit, bekommt ihre "Nervenkrankheiten", flüchtet sich in mystische Zustände. Ihr Ehemann kann da nur hilflos zusehen - doch Don Fermín unterstützt das ganze.
In dem Buch gibt es keine Kapitel, aber ab und zu gibt es mal einen größeren Absatz. Erzählt wird aus Sicht der unterschiedlichsten Personen, dabei auch Nebenfiguren. Intrigen spielen in der Stadt eine gro0e Rolle. Die Kirche ist in sich gespalten. Neben dem Klerus gibt es in Vetusta auch noch den Adel, die Neureichen und natürlich das Bürgertum. Einige der Adelsfrauen sind neidisch auf den guten Ruf von Ana und arbeiten mit aller Kraft an ihrem Fall und unterstützen Don Alvaro.
Es gibt eine große Masse an Personen, die teilweise mal mit Rufnamen, mal mit Kosenamen und dann wieder mit vollen Namen und Titel angesprochen wird. Ich habe mir nach einigen Seiten eine Namensliste angelegt, um den Überblick zu behalten.
Sehr interessant fand ich den Abschnitt, in dem über Ana's Kindheit und Jugend erzählt wurde. Schon da wird klar, wie verlogen und scheinheilig die Gesellschaft war. Und auch über die Jugend von Don Fermín wird erzählt und es wird klar, warum er überhaupt ein Geistlicher wurde.
Leider fand ich das Buch insgesamt zu langatmig. Die Ereignisse in dem Buch ziehen sich über mehrere Jahre hin. Streckenweise ist es einfach etwas zäh. Und es ist auch von Anfang an klar, das Ana irgendwann straucheln wird - bei der Vielzahl an Personen, die an ihrem Untergang arbeiten. Zeitweise ist der Tonfall in dem Buch auch recht sarkastisch und nicht sonderlich kirchenfreundlich. Vielleicht hätte mir das Buch auch besser gefallen, wenn ich nicht schon einige Bücher von Jose Maria Eca de Queiroz gelesen hätte - besonders in Vetter Basillio ist das Thema ähnlich, aber leichter zu lesen.
Trotz allem vergebe ich vier Sterne, denn auch wenn das Buch zäh und schwierig war, ist es auch gleichzeitig ein Leseerlebnis.
Über den Autor (Amazon)
Leopoldo Alas, genannt Clarín, wurde 1852 in Zamora, Spanien geboren. Er wuchs in León und Guadalajara auf, wo sein Vater Zivilgouverneur war. 1856 zog die Familie in das nordspanische Oviedo, die Stadt, in der Clarín - nur unterbrochen durch seine Studienzeit -bis zu seinem Tod lebte. Er studierte von 1871-1878 Jura in Madrid und schloß mit einer Doktorarbeit über Das Recht und die Moral ab. In der spanischen Hauptstadt begann er seine journalistische Laufbahn mit Literaturkritiken und Artikeln zu politischen und philosophischen Themen; mit 23 Jahren unterschrieb er zum ersten Mal einen Artikel mit "Clarín". Er sollte der berühmteste Kritiker seiner Zeit werden, gefürchtet wegen seiner scharfen Intelligenz und seiner bissigen Kommentare.
Über seinen Doktorvater, den berühmten Pädagogen Francisco Giner de los Ríos, der das spanische Bildungssystem reformierte, wurde er vom Krausismus beeinflußt, einer philosophischen Richtung, die das spanische Geistesleben der zweiten Jahrhunderthälfte bestimmte. Dies verstärkte Claríns Suche nach einem metaphysischen, höheren Sinn der Existenz.
1883 erhielt Clarín den Lehrstuhl für Römisches Recht an der Universität von Oviedo. Sein berühmtestes Werk, La Regenta (dt. Die Präsidentin, 1991), erschien 1885. Heute als der beste spanische Roman des 19. Jahrhunderts anerkannt und auf einer Stufe mit Flauberts Madame Bovary gestellt, erntete der komplexe psychologische Roman, in seiner Zeit aus konservativen Kreisen vor allem Mißachtung und Ablehnung. Clarín schrieb nur noch einen weiteren Roman, Su único hijo von 1890 (dt. Sein einziger Sohn, 2002). Daneben hat er an die 60 Kurzgeschichten verfaßt.
Clarín starb 1901 im Alter von nur 49 Jahren.