Karsten Eckert - Traumwelten

  • Zitat

    Die junge Verkäuferin Julia begibt sich auf eine außergewöhnliche Reise ins Ich. Tagträume führen die schüchterne und zurückgezogen lebende junge Frau durch das Leben vieler verschiedener, besonderer Menschen. Die geistige Reise führt sie durch alle Gesellschaftsschichten und lässt Julia ihr eigenes Leben in Frage stellen. Mit der Zeit wird ihr immer klarer, dass sie diese Selbstfindungsreise nicht allein steuert, sondern von jemand anderem geleitet wird. Aber von wem?


    Schon das Cover zeigt, was den Leser bei diesem Buch erwartet. Ein verträumtes Mädchen ist darauf zu erblicken und in Hintergrund geht das Leben einer Großstadt ihren Weg. Der Klappentext ist gut formuliert und meine Neugierde auf diese schüchterne Person geweckt.


    Traumwelten ist ein Gegenwartsroman, welcher den Leser am Leben der 24jährigen Verkäuferin Julia teilhaben lässt. In den 14 Tagen Sommerurlaub erlebt die schüchterne Julia verschiedene Tagträume über Menschen, die sie oftmals nur wenige Augenblicke gesehen hat. Diese Tagträume sorgen dafür, dass Julia über ihr eigenes Leben nachdenkt und dabei sich selbst neu entdeckt.


    Gleich zu Beginn des Buches wurde mir die Protagonisten Julia vorgestellt. Karsten Eckert erweckt dabei eine Figur zum Leben, die anfänglich sehr sympathisch wirkt und aus dem Leben gegriffen scheint. Julia ist 24 Jahre alt, schüchtern, liebt ihre Arbeit als Verkäuferin,versteht sich blendend mit ihren Arbeitskolleginnen und lebt ansonsten eher zurückgezogen. Auf den ersten Blick eine alltägliche Person mit der sich viele Leser identifizieren können. Doch schon nach wenigen Seiten wird dieses Bild umgeworfen und ich musste mir immer wieder Fragen bezüglich dieser Figur stellen. Wie kann ein Mensch, der Angst vor Menschenmengen hat, als Verkäuferin arbeiten, wie kann es sein, dass sie mit 24 zum ersten Mal morgens den Fernseher anschaltet, wie kann eine halbwegs attraktive Persönlichkeit noch nie einen Freund gehabt haben? Dadurch gerät das Bild der Protagonistin zumindest für mich ins Wackeln. Schüchtern, unsicher, still, zurückgezogen, dies sind Adjektive die ein bestimmtes Bild wachsen lassen und ich ebenfalls von mir, aber auch anderen Personen kenne. Ein solcher Beruf ändert jedoch das Verhalten eines Menschen. Wer mit Kunden arbeitet, verliert diese Scheu und Angst. Dies weiß ich aus eigener Erfahrung. Zu dieser Protagonistin würde ein Bürojob eher passen, als Verkäuferin einer gut laufenden Boutique.
    Neben ihrer Vorstellung wurde ich mit der Situation 14 Tage Sommerurlaub vertraut gemacht. 14 Tage in denen Julia wenig mit sich anzufangen weiß. Ihre wenigen Ausgänge ins Freibad, ins Kino zu ihrer Freundin oder Shoppen werden immer wieder von Tagträumen unterbrochen. Auch hier kommen mir beim Lesen Fragen auf. Wenn ich Angst vor Menschenmengen, aber Lust auf Kino hätte, warum gehe ich dann nicht in eine Vorstellung am Nachmittag, wo weniger los ist, als am Abend? Dies passiert an ihrem ersten Urlaubstag. Später würde dies eher zu ihr passen, denn sie versucht ihre Angst zu überwinden.
    Wie eben erwähnt erlebt Julia viele Tagträume, die sich teilweise über den halben Tag ziehen. Zum Beispiel erblickt sie an der Ampel einen Raser, der wütend noch über die gelbe Ampel fährt und denkt sich zu ihm eine Geschichte aus. Oder dieser komische Mann, der absichtlich Kaugummis im Supermarkt klaut, den Rest aber alles bezahlt. Diese Tagträume beherrschen das Buch von Karsten Eckert. Sie gehen über viele Seiten und wirken wie gute Kurzgeschichten. In meinen Augen sind sie authentischer, logischer und abwechslungsreicher gestaltet, als die eigentliche Geschichte. Diese Fantasie, die in den Tagträumen steckte, konnte mich regelrecht fesseln. Julias kurze Einblendungen wirkten hingegen nüchtern und aufweckend. Das besondere an den eingebauten Tagträumen ist, dass Julia, aber auch der Leser zum Nachdenken animiert wird. Der Leser bekommt ganz andere Eindrücke, Blickwinkel auf das Leben gezeigt und kann dadurch sein Leben positiv verbessern, Ängste überwinden und Selbstbewusster werden. In meinen Augen sind sie lehrreich. Allerdings lassen sie Julia eher gestört erscheinen. Wenn man verliebt ist oder als Teenager gibt man sich gerne Tagträumen hin. Aber diese komplexen Geschichten, die sie sich ausdenkt, nur weil ihr Leben zu langweilig ist und sie so etwas nie erleben würde, wirken einfach gestört und lassen Julia eher unsympathisch erscheinen. Zum Schluss hin wird es sogar noch verwirrender. Reden mit Vögeln!? Hätte sie einfach aus ihren Tagträumen gelernt, ich will dieses Leben und nicht immer davon träumen, dann hätte ich den Schluss perfekt gefunden, aber so fand ich ihn eher verwirrend und träumerisch. Zudem muss man sich als Leser schon in der vorhergehenden Geschichte immer wieder mit Realität und Traumwelt auseinandersetzen.


    Die Idee Selbstfindung in eine solche Geschichte einzubauen, finde ich gut. Allerdings hätte Karsten Eckert in meinen Augen die Protagonistin authentischer erscheinen lassen müssen. Auf seiner Homepage erfährt der Leser, dass er für die Rohfassung ganze 14 Tage gebraucht hat. Andere Autoren benötigen dafür Monate. Für 14 Tage Rohfassung ist die gelungen, aber mit mehr Zeit, wäre es sicherlich authentischer geworden. Es sind einfach zu viele offene Fragen und unrealistische Aspekte. Zum Beispiel der Aspekt mit dem Fernseher. Sie ist 24, lebt schon länger alleine, arbeitet auch schon längere Zeit in diesem Laden und hatte somit schon mehrere Urlaube und sie kam früher nie auf die Idee mal morgens den Fernseher einzuschalten, wenn sie nichts mit sich anzufangen wusste? So zurückgezogen kann niemand sein. Wer keinen hat, okay, aber ansonsten hat zappt doch jeder mal morgens durch. Macht sie ja schließlich aus Langeweile auch.


    Empfehlen kann ich das Buch jedem, der mal über den eigenen Tellerrand hinaus schauen möchte, sich selbst neu entdecken und über das Leben nachdenken möchte. Die Tagträume und die Umsetzung zur Selbstfindung ist in diesem Buch hervorragend umgesetzt. Nur das Gerüst auf dem diese Idee aufgebaut ist, ist baufällig.