Chaim Potok – Die Erwählten

  • Original: The chosen (Englisch/USA, 1966)


    ZUM INHALT:
    New York/Brooklyn: in den 40iger Jahren die größte jüdische Stadt der Welt. Und mitten in diesem Universum leben Juden verschiedenster Schulen und Ausrichtungen neben- oder gar gegeneinander. Durch ein Baseballspiel, in dem sie auf verschiedenen Seiten fast feindlich gegenüberstehen, lernen sich die Fünfzehnjährigen Danny Saunders, Sohn eines charismatischen, chassidischen Rabbis und Zaddiks (http://de.wikipedia.org/wiki/Zaddik ) und der Ich-Erzähler Reuven Malter aus assimiliertem, intellektuellen, zionistischen Milieu kennen. Wir folgen der Geburt, dem Werdegang und den Anfechtungen einer seltsamen Freundschaft. Und gleichzeitig ist es auch die Geschichte von unterschiedlichen Vater-Sohn-Beziehungen und den geschichtlichen, kulturellen, religiösen Prägungen, die unsere Entscheidungen mitbestimmen.


    Danny ist höchst begabt und, entgegen den übertragenen Beschränkungen seiner Kultur, höchst neugierig, wissensbegierig. Und von daher: einsam. Er kann nicht mit seinem Vater kommunizieren: die Gespräche beschränken sich auf die intellektuellen talmudischen Auseinandersetzungen. Bei Reuven spielen gerade die regelmäßigen offenen Gespräche mit seinem Vater eine große Rolle.
    Reuvens Vater kennt Danny zufällig, und wird bei einer Gelegenheit die Freundschaft seines Sohnes Reuven mit Danny begünstigen: als ob sie einander Stütze und Ergänzung sein könnten.


    BEMERKUNGEN:
    Wie stellt es dieser Autor an, dass uns eigentlich wildfremde Themen plötzlich hoch interessant und ansprechend werden? Das fängt mit ausführlichen Beschreibungen eines Baseballspiels an und geht mit rabbinischen Streitgesprächen über den Talmud weiter. Nur so mit den Ohren können wir schlackern, wie hier eine Kultur dargestellt wird.


    Nun mögen einige sagen, dass all dies dann ja ein „jüdischer“ Roman sei. Das ist so exakt: keine Passage steht nicht in Zusammenhang mit dem Judentum. Dennoch wird dem aufmerksamen Leser gerade hinter den auch für uns alle interessanten historischen Einblicken und Kämpfen in dieser anderen Kultur mehr und mehr bewusst werden, wie viele spezifische Fragen hier allgemeine Gültigkeit besitzen und auch uns, in unseren Fragen und Eingebundenheiten ansprechen können. Neben spezifischen, auch intellektuellen Betrachtungen geht es vor allem um Fragen der Freundschaft, der Loyalität, ja der Liebe.


    Eng verflochten ist die „persönliche“ Geschichte der beiden Heranwachsenden mit der Zeitgeschichte: Die ersten Szenen spielen in Erwartung der Landung der Alliierten in der Normandie. Wir sind mit ihnen entsetzt bei den Befreiungen der KZ und der Entdeckung des Ausmaßes der Zerstörung des europäischen Judentums. Vielleicht verstehen wir mit ihnen und ihren Vätern besser jenen Schmerz? Und den Auftrag, den dann viele Juden, gerade auch in Amerika, verspürten, um eine neue Heimstatt zu schaffen (Zionismus)? (Das Wort „absurd“ kommt in diesem und auch in den persönlichen Konflikten, öfter vor.)
    Der Autor, selber Rabbiner und Verfasser verschiedener historischer Arbeiten, gibt uns so ganz nebenbei faszinierende Zusammenfassungen der europäisch-jüdischen und amerikanisch-jüdischen Geistes- und Kulturgeschichte und der verschiedenen religiösen Strömungen und Spiritualitäten.


    Ich bin sehr beeindruckt von diesem Werk und Autor, der mir in einer sehr ansprechenden und intensiven Geschichte von Heranwachsenden vieles sehr klar darstellen konnte.


    Die englische Fassung, die ich las, ist sprachlich gut zugä,glich. Manch typische jüdische Terminologie wird sicherlich auch im Deutschen anzutreffen sein?!
    Es gibt eine Fortsetzung des Romans auf Englisch: “The promise”. Anscheinend (noch) nicht auf Deutsch erhältlich... ISBN: 9781400095414


    ZUM AUTOR:
    Herman Harold Potok, besser bekannt als Chaim Potok (* 17. Februar 1929 in New York City; † 23. Juli 2002 in Merion, Pennsylvania), war ein amerikanisch-jüdischer Schriftsteller und Rabbiner.


    Chaim Potok wurde in der Bronx geboren. Seine Eltern waren Immigranten aus Polen. Traditionsgemäß gaben seine Eltern ihm einen hebräischen Namen. „Chaim“ ist das hebräische Wort für „Leben“. Er begann mit 16 Jahren zu schreiben. 1950 beendete Potok sein Studium in Englischer Literatur mit Auszeichnung. Auch ein Studium Hebräischer Literatur schloss er erfolgreich ab. Außerdem wurde er vom Jewish Theological Seminary of America zum Rabbiner ordiniert.
    Potok trat in die amerikanische Armee ein und verbrachte von 1955 bis 1957 mehr als ein Jahr als Militärrabbiner im Koreakrieg. 1958 heiratete er Adena Sara Mosevitzsky: sie hatten drei Kinder miteinander. 1965 erhielt er einen Doktorgrad von der University of Pennsylvania.
    (Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Chaim_Potok und, noch ausführlicher, auf Englisch: http://en.wikipedia.org/wiki/Chaim_Potok )


    Broschiert: 282 Seiten
    Verlag: Rotbuch (1996)
    ISBN-10: 9783880224858
    ISBN-13: 978-3880224858

  • Den zweiten Band gibt es auch deutsch, schau auch bei den Reihen.


    Und dann hat er noch zwei interessante Bücher geschrieben


    Chaim Potok * 17. Februar 1929 † 23. Juli 2002
    Asher Lev
    01. Mein Name ist Ascher Lev (1972) My Name Is Asher Lev
    02. (1990) The Gift of Asher Lev


    Liebe Grüsse Mara

    :study: Ich bin alt genug, um zu tun, was ich will und jung genug, um daran Spaß zu haben. :totlach: na ja schön langsam nicht mehr :puker:

  • Danke, Mara. Den zweiten Band hatte ich nicht gesehen. Über die zwei Ascher Lev Bücher hinaus hat er noch anderes geschrieben...


    Ich bin nicht ganz zufrieden mit meiner Rezi: sie läßt an ein trockenes Buch denken. Wie könnte ich meine Begeisterung ausdrücken, wie der Autor hier sehr facettenreich schildert? Das wird nicht langweilig und hat auch nichts Theoretisches an sich...


    Versuchen!!!

  • Über die zwei Ascher Lev Bücher hinaus hat er noch anderes geschrieben...

    Oh, ich wollte nicht den Eindruck erwecken er hätte nur noch zwei Bücher mehr geschrieben, nur die beiden stehen auch bei unseren Reihen. Ich hab vor langer Zeit ein Buch von ihm gelesen und es fällt mir der Titel nicht mehr ein :scratch: ein Vater Sohn Konflikt und ???? muss suchen gehen, wenn es nicht aus der Bibliothek war ist es hier noch irgendwo. Weiss aber noch, dass ich begeistert war und mir besonders die Sprache gefallen hat, jüdische Terminologie betrachten wir Wiener als wienerisch, es ist so in unserer Alltagssprache eingebettet, dass wir es gar nicht als fremd empfinden. z.B. Zores gehört geradezu zum Umgangston. :wink:
    Liebe Grüsse Mara

    :study: Ich bin alt genug, um zu tun, was ich will und jung genug, um daran Spaß zu haben. :totlach: na ja schön langsam nicht mehr :puker:

  • Ich bin nicht ganz zufrieden mit meiner Rezi: sie läßt an ein trockenes Buch denken. Wie könnte ich meine Begeisterung ausdrücken, wie der Autor hier sehr facettenreich schildert? Das wird nicht langweilig und hat auch nichts Theoretisches an sich...


    Glaube es mir, tom leo, deine Rezi hat sehr neugierig gemacht! So neugierig, dass das Buch mittlerweile auf meinem Bücherregal steht :D Von dem Eindruck eines "trockenen" Buches kann wirklich nicht die Rede sein!

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


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  • Ich bin nicht ganz zufrieden mit meiner Rezi: sie läßt an ein trockenes Buch denken.

    Hallo Tom: nein, ich hatte überhaupt nicht den Eindruck, dass hier ein trockenes Buch vorgestellt wurde :wink: Für mein Gefühl hast Du es sehr treffend präsentiert und mich neugierig gemacht. Danke schön :D

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Joseph Roth - Hiob

    :study: Mike Dash - Tulpenwahn


  • Hier noch ein Link und ein kurzer Kommentar zu einer der zahlreichen englischen Ausgaben von "The chosen":


    Out of a Baseball game that nearly became a religious war, two Jewish Boys become friends. Danny comes from the strict Hasidic sect that keeps him bound in centuries of orthodoxy. Reuven is brought up by a father patiently aware of the twentieth century. Everything tries to destroy their friendship, but they use honesty with each other as a shield and it proves an impenetrable protection. (Quelle: amazon)

  • Ich verzichte auf eine Inhaltsbeschreibung und schreibe gleich meinen Eindruck über das Buch.


    Ich kann fast gar nicht beschreiben was mich alles an diesem Buch fasziniert hatte. Zum einen der sehr warmherzige Grundton des Buches. Dann die vielen Informationen über Unterschiede zwischen der aufgeklärteren Form des Judentums und der Welt der orthodoxen Juden. Die Freundschaft zwischen den beiden Jungs trotz aller Schwierigkeiten. Dann die geschichtlichen Hintergrundinformationen beginnend von der Invasion der Alliierten in der Normandie bis zur Gründung des Staates Israel und die Auswirkungen auf die Menschen in diesem Buch.


    Es ist eine sehr intensiv geschriebene Geschichte mit vielen Facetten. Mir hatte es sehr gut gefallen! :thumleft:

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