Aufzeichnungen eines unkonventionellen orthodoxen Priesters...
ZUM BUCH UND ZUM AUTOR:
Wohl den meisten Lesern des Forums wird dieser Name nicht viel sagen. Dabei handelt es sich dennoch um eine schillernde und bedeutende Persönlichkeit aus der orthodoxen Welt! Alexander Schmemann wurde 1921 in Estland in einer Familie russischer Emigranten geboren. Noch als Kind kommt er nach Paris und empfängt nach der Schule eine theologische Ausbildung am orthodoxen Institut Saint Serge. Nach Ende des Studiums unterrichtet er eben dort Kirchengeschichte. 1945 wird er zum (orthodoxen) Priester geweiht und wird sechs Jahre darauf eingeladen, in die Vereinigten Staaten zu kommen, um dort zu unterrichten und am Aufbau der orthodoxen Kirche in den USA teilzunehmen. Diese wird 1970 offiziell unabhängig von der russisch-orthodoxen Kirche.
Schmemann stirbt im Dezember 1983 und erst da entdeckt man die diskret geführten Tagebuchaufzeichnungen in seinem Büro in New York. Diese hatte er 1973 begonnen, zu einem Zeitpunkt, an dem er schon eine bedeutende und sehr geschätzte Persönlichkeit im Kirchenleben und darüber hinaus war.
Wenn ich nun aber solch ein Tagebuch hier vorstelle, dann auch wegen der unglaublichen Spannbreite der Einträge: mal kommentiert er weltliches, kirchliches, kulturelles Tagesgeschehen, mal oft auf interessanteste Weise Begegnungen, wie die mehrmaligen und intensiven mit Alexander Solschenizyn. Immer wieder zeigt er sich als freier Mensch, der fest verwurzelt in einem befreienden Glauben steht, aber gleichzeitig jedwede Ideologisierung ablehnt und einen wirklich souveränen Standpunkt zeigt. Welche Spannbreite an Interessen und Wissen! Und gerade uns Leseratten erscheint er als eben so ein Lesebegeisterter, der interessant über verschiedenste Lektüren spricht, besonders russischen und anglo-amerikanischen Ursprungs!
Die Veröffentlichung seines Tagebuches war im Jahre 2000 auf Englisch, und dann vor allem im Jahre 2005 auf Russisch ein echtes Ereignis.
Hier zeigt sich ein interessanter Mensch und Glaubender, und diese Aufzeichnungen könnten mehr als einen sehr erstaunen! Für mich persönlich ist es einfach wohltuend zu wissen, dass solch ein Mensch an verantwortlicher oder entscheidender Stelle im Glaubensleben mitgewirkt hat. Es könnte so manchen vielleicht etwas versöhnen mit einem arg negativ besetzten Bild von Glaubenden und der Kirche.
Dieses Buch braucht man keinesfalls in einem Rutsch zu lesen, sondern kann von Zeit zu Zeit ein paar Eintragungen verfolgen. Insofern kann es sich auch wie ein „Meditationsbuch“ lesen lassen... Eben deswegen, aber auch wegen des Einblicks in die Gedanken eines spirituell lebendigen Menschen und Glaubenden stelle ich es in die Rubrik „Weltanschauung/Lebenshilfe“ hinein...
Ganz dicke Empfehlung!
Da die französische Ausgabe über 900 Seiten enthält befürchte ich, dass die deutsche Fassung gekürzt ist...?! Vielleicht etwa, weil manche Passagen dem deutschen Normalleser ohne erklärende Fußnoten nicht zugänglich gewesen wären?
Sondereinband: 512 Seiten
Verlag: Johannes Verlag Einsiedeln (2002)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3894113715
ISBN-13: 978-3894113711