Arno Geiger - Der alte König in seinem Exil

  • Inhalt:
    Arno Geiger hat ein tief berührendes Buch über seinen Vater geschrieben, der trotz seiner Alzheimerkrankheit mit Vitalität, Witz und Klugheit beeindruckt. Die Krankheit löst langsam seine Erinnerung und seine Orientierung in der Gegenwart auf, lässt sein Leben abhandenkommen. Arno Geiger erzählt, wie er nochmals Freundschaft mit seinem Vater schließt und ihn viele Jahre begleitet. In nur scheinbar sinnlosen und oft so wunderbar poetischen Sätzen entdeckt er, dass es auch im Alter in der Person des Vaters noch alles gibt: Charme, Witz, Selbstbewusstsein und Würde. Arno Geigers Buch ist lebendig, oft komisch. In seiner tief berührenden Geschichte erzählt er von einem Leben, das es immer noch zutiefst wert ist, gelebt zu werden.(Quelle: Hanser verlag)


    Der Autor:
    Arno Geiger, 1968 in Bregenz geboren, lebt in Wien. Bei Hanser erschienen die Romane: Kleine Schule des Karusselfahrens (1997), Irrlichterloh (1999), Schöne Freunde (2002), Es geht uns gut (2005), Erzählband Anna nicht vergessen (2007) und zuletzt der Roman Alles über Sally (2010). Für sein Werk erhielt er unter anderem den Friedrich Hölderlin-Förderpreis (2005), den Deutschen Buchpreis (2005) und den Johann Peter Hebel-Preis (2008 ).
    Daten, Fakten, Jahreszahlen


    1968 in Bregenz geboren, aufgewachsen in Wolfurt / Vorarlberg
    1993 Abschluss des Studiums der Deutschen Philologie, Alten Geschichte und Vergleichenden Literaturwissenschaft in Wien und Innsbruck
    1986 – 2002 Arbeit als Videotechniker bei den Bregenzer Festspielen
    1996 Einladung zum Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb

    Arno Geiger lebt als Schriftsteller in Wolfurt und Wien.(Quelle: Hanser Verlag)



    Meine Meinung:
    " Das einzige, was uns angesichts dieser unausweichlichen Niederlage, die man Leben nennt, bleibt, ist der Versuch, es zu verstehen."(S. 8, Der alte König in seinem Exil)

    Arno Geiger berichtet in seinem Roman "Der alte König in seinem Exil" von seinem demenzkranken Vater August Geiger.
    Langsam, aber stetig verliert August Geiger sein Erinnerungsvermögen. Daheim weiß er nicht mehr, dass er zuhause ist - ausgerechnet dieses Gefühl muss ihm abhanden kommen, wo er als junger Kriegsgefangener solch starkes Heimweh hatte, dass er zurückgekehrt seinen Heimatort kaum verlässt.
    Durch die Krankheit sind die Familienangehörigen eingespannt, die Beziehung Vater-Sohn verändert sich. Anfangs gegenüber der Krankheit noch hilflos und oft auch nicht gerecht, wandelt sich die Einstellung des Sohnes zum Vater und seiner Krankheit.
    Arno Geiger ist oft beeindruckt von den überraschend hellsichtigen Antworten seines Vaters, wenn man sich nur auf diesen einlässt.
    So ist die Krankheit nicht nur ein Übel, sondern auch eine Chance, sich Gedanken zu machen und eine neue Vater-Sohn-Beziehung aufzubauen.
    Der Leser erfährt aber nicht nur über die Erkrankung des Vaters, sondern auch einiges aus dessen Lebensgeschichte.


    Arno Geiger erzählt behutsam und sensibel, voller Achtung von seinem Vater und der Krankheit.
    Ein Roman, den ich nur empfehlen kann und der einen nachdenklich stimmen könnte.

  • Hallo,


    ich lese auch gerade dieses Buch und bin begeistert aber auch betroffen, obwohl ich (beruflich) ständig mit an Demenz erkrankten Menschen zu tun habe. Sehr interessant finde ich die Sichtweise eines Familienangehörigen, hier trifft Arno Geiger wirklich die richtigen Worte. Beeindruckend sind die Ausdrücke seines Vater, das sprachliche Geschick wurde anscheinend vererbt und kommt erst durch die Krankheit hervor.


    Ein wirklich schönes Buch!

    Liebe Grüße
    Gabi


    "Welchen Kummer deiner Seele du auch ertränken willst,
    deine Bibliothek ist der beste Keller!"
    Jean Cocteau

  • Ich freue mich schon sehr auf die Lesung im Kunsthaus Mürzzuschlag am 15. März, wo ich mir das Buch kaufen möchte. Arno Geiger schätze ich schon seit längerer Zeit ("Es geht uns gut", "Alles über Sally", "Anna nicht vergessen"), aber dieses Buch muss nochmal was ganz Besonderes sein! Vielen Dank für die tolle Vorstellung!

  • Ich freue mich schon sehr auf die Lesung im Kunsthaus Mürzzuschlag am 15. März, wo ich mir das Buch kaufen möchte. Arno Geiger schätze ich schon seit längerer Zeit ("Es geht uns gut", "Alles über Sally", "Anna nicht vergessen"), aber dieses Buch muss nochmal was ganz Besonderes sein! Vielen Dank für die tolle Vorstellung!


    Vielleicht magst du von der Lesung berichten, Susannah!
    Einen schönen Abend wünsche ich dir morgen.


    :winken:

  • Gerne, Conor!


    Das Kunsthaus war - was nicht oft der Fall ist - total voll. Es gab keine einzige Karte mehr zu kaufen. Glücklicherweise hab ich die Karte von meiner Freundin zum Geburtstag bekommen und so konnten wir uns gemeinsam auf einen schönen Abend freuen.


    Arno Geiger ist - wie nicht anders zu erwarten war - sehr sympathisch, hat eine sehr angenehme, ruhige Art, eine schöne Stimme und seine Sprache hat einen charmanten vorarlberger Einschlag. Natürlich spricht er nicht im Dialekt, aber man hört doch deutlich raus, dass er aus unserem westlichsten Bundesland stammt.


    Er hat aus den ersten Seiten des Buches zu lesen begonnen. Man erfährt, wie sein Vater aufgewachsen ist, man kann sich gut vorstellen, wie es auf dem Kleinbauernhof der Familie Geiger zugegangen ist und man hört von den Anfängen von August Geigers Krankheit. Wie die Kinder damit umgehen; wie er selbst damit umgeht. Danach war ein kurzes Gespräch mit dem Literaturwissenschafter Thomas Eder.


    Der zweite Teil der Lesung hat mir dann noch besser gefallen. Hier hat Arno Geiger eine Stelle aus dem Buch gelesen, in der die Krankheit schon recht fortgeschritten ist und man hat wirklich einen guten Einblick in das Buch bekommen.


    Insgesamt hat die Veranstaltung fast zwei Stunden gedauert, aber wären die Stühle nicht so unbequem gewesen, hätte sie gut nochmal so lange dauern dürfen. Anschließend konnte man sich noch Bücher signieren lassen (ich hab gleich drei mitgebracht).


    An alle die die Lesung noch vor sich haben: Ihr könnt euch auf einen wundervollen Abend freuen!!!

  • Gestern abend habe ich in Nachtkultur einen Bericht über Geiger gesehen. Auf der Seite sind Links zu Interviews mit ihm und Termine, wann die Sendung wiederholt wird.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Danke, @ Marie! Auf dieser Seite gibt es auch einen Link zur Sendung "Literatur im Foyer", bei der Geiger zu Gast war: Link. Er erzählt von der Entstehungsgeschichte des Buches, vom Zusammenleben mit seinem Vater, usw.

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Ich schleiche ja schon eine Weile um dieses Buch herum, hab aber noch so viele ungelesene Bücher hier liegen. Aber gestern war ich in meiner Buchhandlung um bestellte Bücher abzuholen und eines war leider noch nicht da und da ist der Geiger wie von selbst mitgegangen. Freu mich jetzt schon darauf, auch wenn es ein wenig dauern wird.
    Liebe Grüsse Mara

    :study: Ich bin alt genug, um zu tun, was ich will und jung genug, um daran Spaß zu haben. :totlach: na ja schön langsam nicht mehr :puker:

  • Würde die Thematik dieses Buches nicht so ernst sein, ich würde es als richtiges "Wohlfühlbuch" bezeichnen. Ich habe das Buch von der ersten bis zur letzten Zeile genossen! Mit viel sprachlichem Geschick setzt sich Arno Geiger mit der Erkrankung seines Vaters auseinander und kommt dabei mit sich selber ins Reine. Es lässt sich erahnen, wie wichtig dieses Buch für Arno Geiger selber ist, und wie persönlich!
    Wer sich eine Abhandlung über die Krankheit Demenz erwartet, wird enttäuscht werden, im Buch findet man keine medizinischen Fakten. Vielmehr ist es eine Bestandaufnahme einer Familie, die gelernt hat, sich mit der Krankheit zu arrangieren und das Beste daraus zu machen und dem Vater v.a. allem Würde und Respekt zukommen zu lassen und ihn so zu nehmen, wie es die Krankheit eben zulässt. Manch tagisch-komischhe Situation entsteht dabei!


    Allerdings muss sich Arno Geiger schon die Kritik gefallen lassen, dass er vielleicht ein wenig beschönigt und verniedlicht? Von den Strapazen, der Verzweiflung und der Belastung für alle Angehörgien ist nur zwischen den Zeilen zu lesen und es lässt sich nur erahnen, wie schwierig und aufreibend der Weg bis zum heutigen Tag ist und war. Auch wird nur wenig auf die Beziehungen der Familienmitglieder zueinander genommen, vieles wird nur angedeutet, vieles bleibt offen. Doch dies alles würde zu einer Familiensaga ausarten, und das war sicher nicht die Intention des Autors.


    Dennoch wird hier auf 189 Seiten mehr transportiert, als andere Schriftsteller auf 1000 Seiten nicht schaffen! Ein absolutes Muss für Geiger-Fans, eine Empfehlung an die üblichen Verdächtigen, die gerne schmale Bücher mit viel Inhalt mögen!


    Von mir gibts :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


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  • Zitat

    von Rosalita: Allerdings muss sich Arno Geiger schon die Kritik gefallen lassen, dass er vielleicht ein wenig beschönigt und verniedlicht? Von den Strapazen, der Verzweiflung und der Belastung für alle Angehörgien ist nur zwischen den Zeilen zu lesen und es lässt sich nur erahnen, wie schwierig und aufreibend der Weg bis zum heutigen Tag ist und war

    .
    Damit hast du sicher recht, Rosalita - die Strapazen für die Familienmitglieder bleiben ein wenig außen vor.
    Ganz anders scheint Tilman Jens mit der Thematik umzugehen. Ich kenne den Roman nicht, kann ihn daher hier nur mal erwähnen.

  • Ich hatte gestern das große Vergnügen, Arno Geiger live aus seinem Buch lesen zu hören (und mir meine Bücher signieren zu lassen), es war ein wunderbarer Abend! Zwischen zwei Leseblöcken (der erste war vom Buchanfang, als die Krankheit begann "ihr Netz über den Vater zu spannen", der zweite berichtete über die Kindheit und das Leben des Vaters) gab es ein Gespräch mit dem Moderator des Abends. Es wurde angesprochen, dass das Buch hauptsächlich (aber eigentlich fälschlicherweise) als "Buch über Demenz" in den Medien bezeichnet wird. Dagegen wehrt sich der Autor, vielmehr bildet die Krankheit "nur" den Hintergrund für die tiefe Botschaft dieses Buches: die Krankheit löst eine Neustrukturierung des Familienlebens aus, ein längst verloren geglaubtes Zusammengehörigkeitsgefühl kommt ans Tageslicht, das Wesentliche tritt in den Mittelpunkt, und eine Vater-Sohn-Beziehung wird möglich, die Arno Geiger eigentlich selber nie für möglich gehalten hat. Die Krankheit als Chance ..... noch einmal eine unbedingte Leseempfehlung von mir!

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
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  • So, ich hab das Buch inzwischen gelesen. Am liebsten hätte ich es einfach umgdreht und von vorne begonnen, so sehr hat es mich berührt.


    Ich bin überzeugt davon, dass Arno Geiger nichts beschönigen oder verharmlosen wollte. Das geht sowohl daraus hervor, was er bei der Lesung erzählt hat, als auch daraus, was er über die Anfänge der Krankheit schreibt. Dass sie sie nicht erkannt haben; dass sie sich über die Trägheit und den Egoismus des Vaters geärgert haben etc. Und über das schlechte Gewissen, dass er später deswegen hatte. Irgendwo steht ja "Schreiben ist immer auch eine Art der Entschuldigung" oder so ähnlich. Ich denke, Arno Geiger wollte einfach deutlich machen, dass das Leben für einen an Demenz Erkrankten lebenswert ist, und dass die Persönlichkeit des Kranken erhalten bleibt, auch wenn er sich selbst nicht mehr daran erinnern kann.


    Mich hat dieser ewige Wunsch "nach Hause zu gehen" so traurig gemacht. Wie kann man einem Menschen in dieser Situation helfen? Er ist zu Hause und kann es doch niemals (wieder) sein. Vor allem der Bericht über den Kriegsheimkehrer, der unter schwierigsten Umständen nach Hause gekommen ist... Das hat mich schon tief bewegt.


    Und dennoch habe ich oft geschmunzelt über die weisen Sätze, die der alte König so von sich gibt.


    Ich wollte mir ja auch einige aufschreiben, wollte die Lektüre dann aber nicht unterbrechen. Bestimmt lese ich das Buch bald wieder und dann werde ich das nachholen. Denn auch der Autor hat unglaublich schöne und kluge Sätze von sich gegeben - nicht nur sein Vater. Einige habe ich ein paar Mal gelesen und auf mich wirken lassen.


    Ein wundervolles Buch, das mindestens :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: verdient!

  • Hallo,


    mit diesem Buch hat mich Arno Geiger tief berührt. Habe selber einen demenzkranken Vater und Arno Geiger schreibt mir aus der Seele.


    Auch seine Sichtweise, dass man einen Demenzkranken nur in seiner "Welt" besuchen kann, weil es eben für ihn nur diese Welt gibt hat mich total beeindruckt.


    Ein wirklich wundervolles Buch, sprachlich ganz ausgezeichnet, sehr empfehlenswert zum Lesen.


    Lg, Lesefrosch :cheers:

  • Arno Geiger ist noch an einigen Orten mit seinem Buch zu erleben. Danke, an Rosalita, die mir den Hinweis geschickt hat. Ihr findet die Termine in unserem Kalender (schön nach PLZ sortiert) oder auf der Website von Arno Geiger .

    Gelesen in 2024: 9 - Gehört in 2024: 6 - SUB: 626


    "Wenn der Schnee fällt und die weißen Winde wehen, stirbt der einsame Wolf, doch das Rudel überlebt." Ned Stark

  • Nun hab ich es auch gelesen und bin noch nicht wirklich zurückgekehrt, irgendwie versinkt man in diesen Buch. Trotz des ernsten Themas verliert er nie seinen Humor und die Würde seines Vaters aus dem Blickfeld.
    Es tut mir leid die Lesung im Akademietheater versäumt zu haben, aber vielleicht kommt er ja doch noch einmal nach Wien.
    Im Moment ist das Buch auf Rundreise durch die Familie, aber wenn ich es wieder zurück habe werde ich es bestimmt nochmals lesen.
    Danke noch für eure Anregung, diese hat mir ein wundervolles Leseerlebnis beschert.
    Liebe Grüsse Mara

    :study: Ich bin alt genug, um zu tun, was ich will und jung genug, um daran Spaß zu haben. :totlach: na ja schön langsam nicht mehr :puker:

  • Im Moment ist das Buch auf Rundreise durch die Familie, aber wenn ich es wieder zurück habe werde ich es bestimmt nochmals lesen.


    :mrgreen: meines auch :mrgreen:

    Liebe Grüße
    Gabi


    "Welchen Kummer deiner Seele du auch ertränken willst,
    deine Bibliothek ist der beste Keller!"
    Jean Cocteau