Cormac McCarthy - Die Abendröte im Westen / Blood Meridian or the Evening Redness in the West

  • Original: Blood Meridian, Or the Evening Redness in the West (1985, Englisch/USA)
    Übersetzung: Hans Wolf


    ZUM INHALT:
    Ein an historische Ereignisse angelehnter Roman über die Indianerkriege und die amerikanische Expansion nach Westen, voller Gewalt und Grausamkeit; ein mythisches Weltuntergangsepos wie nach Bildern von Bosch und Dalí. Hauptfigur ist ein vierzehnjähriger Junge, der 1850 nach Texas kommt und sich einer Bande marodierender Exsoldaten, Desperados und Abenteurer anschließt, die Komantschen, Apachen und friedliche Siedler abschlachten. (Quelle: rororo-Klappentext)


    ANMERKUNGEN:
    Keine abschließende Rezension, sondern eine kleine Vorstellung. Es sei vorneweg gesagt: ich kam mit diesem Buch nichts ans Ende, sondern legte es nach 80 Seiten und einer ausgesprochen grausamen Szene beiseite.


    Im letzten Jahr hatte mich „Die Straße“ und der dortige Stil McCarthys sehr beeindruckt, ja, das zählte eindeutig zu den Highlights des Lesejahres. Und als ich neulich dieses mir bislang unbekannte Buch auf des Autoren Namen hin ergatterte, machte ich mich sicherlich erneut auf eine düstere Atmosphäre gefasst, jedoch nicht auf eine solche Ballung an Gewalt und Hoffnungslosigkeit. Ja, in diesem Universum ist jede Seite der Kampf auf Leben und Tod und, laut Einführungstext in meiner Ausgabe, „beschreibt McCarthy Geschichte und Fortschritt der Menschen als Ausgeburt niederster Triebe, die ihn zum unausweichlichen Untergang verdammen“.


    Doch wurde „dieses sein Buch von 1985 in eine Liste des Magazines Time aufgrund einer Umfrage über die 100 besten Bücher in englischer Sprache, erschienenen zwischen den Jahren 1923 und 2005, aufgeführt. In einer Umfrage von 2006, veranstaltet von der The New York Times zum besten amerikanischen Roman, publiziert in den letzten 25 Jahren, stand er sehr weit oben.“ (Quelle: Wikipedia)


    Womit kann man das erklären? Vielleicht hat dieser Roman denn also wirklich mit romantischen Assoziationen mit dem goldenen Westen aufgeräumt, und einen Kampf ums Überleben dargestellt? Und somit insbesondere den Amerikanern etwas zu sagen gehabt?


    Vielleicht sind andere Leser gewaltsamsten Darstellungen distanzierter eingestellt und können diesen Roman besser einordnen, doch für mich war es zuviel verlangt. Sensibleren Herzen also keineswegs empfohlen und eventuell nicht der beste Einstieg in das Werk des Autors, der hier im Büchertreff bisher eher positive Reaktionen auslöste, von „Child of God“ mal abgesehen ( http://www.buechertreff.de/rez…ac%20McCarthy-index1.html )?!


    Das Buch soll 2011 von Todd Field verfilmt werden.


    ZUM AUTOR:
    Cormac (eigentlich: Charles) McCarthy wurde 1933 in Rhodes Island geboren und wuchs in Knoxville/Tennessee, auf. Für seine Bücher wurde er u. a. mit dem William Faulkner Award, dem American Academy Award, dem National Book Award und dem National Book Crities Circle Award ausgezeichnet. 2007 erhielt er für seinen epochalen Roman „“Die Straße“ den Pulitzerpreis. McCarthy lebt heute in dritter Ehe in El Paso, Texas. Er hat zwei Söhne. Dem Literaturbetrieb steht er distanziert und kritisch gegenüber.


    Taschenbuch: 384 Seiten
    Verlag: rororo; Auflage: 3 (2. März 1998 )
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 3499222876
    ISBN-13: 978-3499222870

  • Ich kenne den Roman nicht, habe aber von MCarthy die Border Trilogie - All die schönen Pferde/Grenzgänger/Land der Freien - gelesen.
    Das sind auch Western Stories, mythisch überhöht, poetisch und sehr gewalttätig. Sie haben mir nicht gefallen, eher geärgert. Deshalb werde ich diesen Roman nicht lesen - vor allem auch dank Deiner Rezension, in der das Unwohlsein bei der Lektüre deutlich wird.


    Ich wundere mich, dass der eigenwillige Cowboy-Geschichten-Schreiber McCarthy unterdessen auch in Deutschland Erfolg hat. Seine Welten liegen doch für einen Mitteleuropäer weiter entfernt als die Besiedlung des Mars.


    ** Danke für die Vorstellung dieses Buches **

    Es gibt keine grössere Einsamkeit als die des Samurai. Es sei denn die des Tigers im Dschungel

  • Danke für die Warnung.


    Wenn ich das Buch in der Bücherei oder auf einem Flohmarkt gesehen hätte, hätte ich es wegen des Autors sofort mitgenommen. Aber erst kürzlich habe ich bei "Wir sind die Könige von Colorado" festgestellt, dass extrem gewaltsame Szene mir tatsächlich aufs Gemüt schlagen.


    Daher: Lieber nicht.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Ich betone nochmals, wie beeindruckt ich von "Die Straße" war. Natürlich war auch dort die Atmosphäre "finster", doch ergab sich für mich mehr als nur ein absolut hoffnungsloses Endergebnis. Ja, ich sah eine Note der Hoffnung.


    HIER habe ich bis zum Abbruch nur "schwarz" gesehen. Natürlich w¨re es interessant, wenn ein anderer Leser hier durchhalten kann, und uns vielleicht aufzeigen kann, wie sich das Ganze im Gesamtkontext verstehen und bewältigen läßt.



    Wenn ich das Buch in der Bücherei oder auf einem Flohmarkt gesehen hätte, hätte ich es wegen des Autors sofort mitgenommen.


    SO war's!

  • Zitat

    von tom leo:
    Natürlich w¨re es interessant, wenn ein anderer Leser hier durchhalten kann, und uns vielleicht aufzeigen kann, wie sich das Ganze im Gesamtkontext verstehen und bewältigen läßt.


    Das würde mich auch interessieren.
    Die hiesige Bücherei hat es nicht im Katalog, sonst hätte ich es ja mal versuchen können. Auf meinem SUB liegt nur noch die Border - Trilogie des Autoren, die ich unbedingt mal lesen sollte.


  • Das würde mich auch interessieren.


    Ja, wie DU das lesen würde wäre wirklich interessant, zumal ich in anderen Freds zu McCarthy Deine Begeisterung gesehen hatte. Und natürlich fühle ich mich auch etwas verunsichert, wenn dieses Buch in den USA solch einen einschlagenden Erfolg hatte und - gegen meinen Erwartungen - als ganz wichtiges etc. Werk dahingestellt wird. Dann denke ich: okay, ich habe es eben nicht recht zu lesen verstanden, bzw. es war wohl nicht für mich das Leseerlebnis.


    Doch eventuell mag es für andere Büchertreffler eine Entdeckung sein!


    EINE Meinung könnte uns manchmal vom Lesen abhalten. Es ist mir aber durchaus auch schon passiert, ein Buch als außergewöhnlich einzustufen, dass hier teils mit einem oder zwei Sternchen bewertet wurde. Also...: nur zu! Wer wagt's?

  • Nebst „Der Strasse“ las ich „Kein Land für alte Männer“ einen ebenso sehr düsteren Roman, spröde und sehr Trostlos. Ein wirklich sehr guter Roman.
    Dieses Buch scheint Cormac McCarthy jedoch nicht gelungen zu sein, oder er hat eine Entwicklung durchgemacht von diesem sehr frühen Werk bis hin zu „The Road“ die den Lesern besser entspricht.
    Serjena

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Mein erster Beitrag in diesem Forum. Wo ist es passender als in dem Thread zu meinem Lieblingsbuch? :D


    Im Gegenteil zu meinen Vorrezensenten war ich von dem Buch fasziniert und beeindruckt. Die Wucht die dieser Roman ausstrahlt fasziniert mich noch heute (bisher 4mal gelesen).
    Für mich ist es mehr als die Zerstörung des Mythos Western, es ist eine Parabel zur gesamten Geschichte der Menschheit. Und in dieser Geschichte ist seit jeher eine der großen Konstanten die Gewalt.
    So auch treffend in der Einleitung des Buches geschildert „Clark, der letztes Jahr die Expedition ins Afrikagebiet Nordäthiopiens leitete, sowie Tim D. White von der Universität Berkeley erklärten zudem, die genauere Untersuchung des dort aufgefundenen 300 000 Jahre alten Schädels habe ergeben, dass dieser skalpiert worden sein


    Der Schreibstill den McCarthy dabei beherrscht, ist so schnörkellos schneidend und beeindruckend, wie bei sein anderen großen Werken. Wenn nicht sogar noch intensivster.

  • ich kam mit diesem Buch nichts ans Ende, sondern legte es nach 80 Seiten und einer ausgesprochen grausamen Szene beiseite.


    Dann hast du es noch 20 Seiten länger ausgehalten als ich. Bei S. 60 war Schluss, als nach einer Schlacht mit Indianern die Gefallenen und Getöteten detailreich beschrieben werden.


    Nichts gegen Bücher, in denen die Greuel eines Krieges dem Leser bildlich vor Augen geführt werden, Remarque tut es, in "Tristan Sadler" oder "Traum des Kelten" findet man auch entsprechende Passagen, doch zwischen realitätsnaher Schilderung und der Beschreibung eines blutigen Gemetzels liegen Welten. Eine Aneinanderreihung gewaltvoller, blutiger und grausamer Szenen muss ich mir nicht antun, auch wenn sie stilistisch meisterhaft geschrieben sind.

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  • Ich sah erst heute die ältere Antwort von MrBrown.



    ... Thread zu meinem Lieblingsbuch? :D


    Im Gegenteil zu meinen Vorrezensenten war ich von dem Buch fasziniert und beeindruckt. Die Wucht die dieser Roman ausstrahlt fasziniert mich noch heute (bisher 4mal gelesen). (...)


    Wie ich oben dazu ermunterte, wartete ich auf eine andersartige Reaktion auf dieses Buch, das für viele von uns zu gewalttätig ist (siehe Maries Beitrag von heute). Insofern: danke für Deine Meinung und Dein Verstehen!

  • Hier noch eine Verlinkung zu eineAusgabe im englischen Original: Blood Meridian: or The Evening Redness in the West


    Kurzbeschreibung (amazon.de):
    Blood Meridian is an epic novel of the violence and depravity that attended America's westward expansion, brilliantly subverting the conventions of the Western novel and the mythology of the Wild West. Based on historical events that took place on the Texas--Mexico border in the 1850s, it traces the fortunes of the Kid, a fourteen-year-old Tennesseean who stumbles into a nightmarish world where Indians are being murdered and the market for their scalps is thriving. 'Cormac McCarthy's violent lyric masterpiece, Blood Meridian acquires an amoral, apocalyptic dimension through the Miltonic grandeur of the language ...It is a barbarously poetic odyssey through a hell without purpose' Irish Times 'McCarthy's achievement is to establish a new mythology which is as potent and vivid as that of the movies, yet one which has absolutely the opposite effect ...He is a great writer' Independent 'A bloody and starkly beautiful tale' Stephen Amidon, Sunday Times

  • Ich habe mich jetzt bis auf Seite 134 vorgekämpft und noch einmal in den Thread hinein geschaut um die Beobachtungen anderer zu überprüfen. Meine Einschätzung:


    Extrem lakonische Aneinanderreihung von mehr oder minder plausiblen Gewaltdarstellungen. Die Hauptfigur - der Junge - driftet so durch die Gegend und die verschiedenen Auseinadersetzungen erscheine größtenteils sinnlos und unmotiviert. Der auf der Klappe gegebene Vergleich mit Joseph Conrad und William Faulkner ist in meinen Augen eine Unverschämtheit gegenüber den beiden älteren Autoren.


    Der Wilde Westen war eine unschöne Zeit für viele Leute und eine Menge Menschen nutzten die fehlende rechtliche Kontrolle in den abgelegerene Gebieten für allerlei Schweinereien, das sei nicht bezweifelt. Aber wenn man so etwas genauer betrachten möchte, dann würde ich dafür eher die Western-Romane von Matheson empfehlen, die dummerweise nicht ins Deutsche übertragen worden sind. Die haben eine angenehmere Sprache und sind vor allen Dingen narrativ handwerklich wesentlich zugänglicher.


    Ich wende mich einem anderen Buch zu.

  • Nunja, da ich den Roman bis zum Ende durchgelesen habe, seine bildhaft-schöne Sprache (bei aller Ekelhaftigkeit des Beschriebenen) sehr mochte und im Grunde die Konsequenz der Herangehensweise - die viele Leser (und an sich jeden "Lesespaß") vertreiben muss - nur bewundern kann, gebe ich hier mit einiger Verspätung meinen Senf hinzu ... :wink:


    Der Roman ist unglaublich düster und bedrückend zu lesen. Wortgewaltig und in erschreckender Sprachschönheit wird nahezu jedes Westernklischee zerstört. Hier geht es definitiv nicht um tapfere Pioniere bei der Eroberung des Goldenen Westens und die demütige Verteidigung amerikanisch-christlicher Werte! In diesem Westernroman, der ursprünglich 1985 mitten in den nostalgisch-revisionistischen Reagan-Jahren erschienen ist, ist alles verrottet, schmutzig, Wunden eitern, Farbe blättert ab, Lumpen und Leichen liegen in den Ecken. Die Szenerie ist unwirtlich, asozial, lähmend und lebensfeindlich.


    Dass jeder des anderen Feind ist, zeigen nicht nur die brutalen Handstreiche aller beteiligter Gruppen, wobei die nach Skalps gierenden Kopfgeldjäger genauso widerlich zugange sind wie die Indianer; keiner wird geschont. Nein, genauso wichtig - wenn nicht gar noch wichtiger - ist, dass keine irgendwie "netten Worte" gewechselt werden: Kommunikation als sozialen Kitt, der integrativ, anregend oder deeskalierend wirkt, scheint es nicht zu geben, da wohl kein Bedarf dafür gesehen wird. Sinnvolle Antworten, Rede und Gegenrede kommen selten zustande. Alles ist schweigende Anmaßung und präpotente Unverschämtheit.


    Cormac McCarthy vermeidet in seinem Roman zum Glück meisterlich das, was dem Buch meiner Ansicht nach den Hals (bzw. die Konsequenz der Erzählung) gebrochen hätte: Irgendwie Sympathie für die Kopfgeldjäger als "raue, aber echte Kerle" zu erzeugen (in etwa so, wie es Sam Peckinpah in seinem - nichtsdestotrotz großartigen - Filmwestern “The Wild Bunch“ tat). Bloß keine Identifikationsfigur, keine Einfühlung! Die Zauberworte heißen: Distanz und Reflexion.


    Auch eine nennenswerte Handlung, Steigerung oder Spannung gibt es nicht. Keine Absichten, Wünsche oder wirkliche Konflikte jenseits des tumben Hasses, der jedes Gegenüber zum Objekt degradiert. Alles drängt auf momentane Triebbefriedigung. Auch wiederholen sich die Situationen und Taten bis zum Exzess, und wenn man dachte, jetzt doch genug Widerwärtiges gelesen zu haben, um "die Absicht des Schriftstellers" verstanden zu haben, geht alles im nächsten Kapitel einfach so weiter, menschlicher Alltag. Erst die Gleichförmigkeit der Szenen, Ornamente der Gewalt, schafft die nihilistische Bedeutung: Es gibt keinen Sinn und keine gesellschaftliche Ordnung, außer sie ist auf Gewalt gegründet. Alle hehren Absichten sind Einbildung. Ob Kopfgeldjäger oder Indianer, Söldner, Siedler, Mexikaner oder Viehdiebe, am Ende sind sie alle gleich. Die Zivilisation steht auf tönernen Füßen. Besserung wird es nicht geben: Der Blut-Meridian umspannt gewissermaßen die gesamte Erdkugel.


    Ich sage: Da muss man durch! Es geht nicht ums Aushalten der Schockbilder, es geht ums Aushalten des Immergleichförmigen! Ums Aushalten des ambitionslosen Routinealltags ohne Figur zum Mitfiebern. Ein sehr noirer Roman über das, was uns ängstigt: das Wegbrechen oder vielleicht grundsätzliche Fehlen wirklicher, sozialer Sicherheit, Empathie und Menschlichkeit.


    Nur so nebenbei: Ein Film, der eine ähnlich negative, sich ständig wiederholende Collage menschlicher Gewalttätigkeit versuchte, ist “Izo" von Takashi Miike, leider irgendwie gescheitert, fast unansehbar ...

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Everett "Die Bäume" (214/365)


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  • Ich sage: Da muss man durch! Es geht nicht ums Aushalten der Schockbilder, es geht ums Aushalten des Immergleichförmigen! Ums Aushalten des ambitionslosen Routinealltags ohne Figur zum Mitfiebern. Ein sehr noirer Roman über das, was uns ängstigt: das Wegbrechen oder vielleicht grundsätzliche Fehlen wirklicher, sozialer Sicherheit, Empathie und Menschlichkeit.

    "Da muss man durch!" Gut, ich versuche mich daran zu halten :wink: . Die Immergleichförmigkeit halte ich sicher durch. Ich bin nun zwar erst auf S. 74, aber die ganze Geschichte ist wirklich sehr düster, schmutzig und gewalttätig - und bei einigen Erwähnungen (z.B. den Säuglingen im Busch) kann man sich fragen, ob es wirklich zwingend notwendig ist. Aber da ich bislang die Romane von McCarthy gerne las, werde ich weiter durchhalten. Und wie du schreibst: "Wortgewaltig und in erschreckender Sprachschönheit wird nahezu jedes Westernklischee zerstört." - da muss ich dir zustimmen.

  • Oh, ich bin gespannt auf Deine Ansichten zum Buch, @Conor. Auf dass hier nicht nur überwiegend Posts von Lese-Abbrechern stehen. :thumleft:
    Vielleicht mögen einige Gewaltspitzen weit über das Ziel hinausschießen, aber ich finde sie sind dann zwingend notwendig, wenn sie ein gewissenhafter Autor für zwingend notwendig hält. Cormac McCarthy will nicht die Zartfühlenden verschonen, sondern selbst die Hartgesottenen in die Knie zwingen - mit dem Ziel, dass auch wirklich gar kein Leser die Gewalt in diesem Roman geil findet. Und leider wird ja auch in den Tagesnachrichten oft über genauso abstoßende oder noch schrecklichere Dinge berichtet. Quasi eine starke Konkurrenz, die fast immer genauso sinnlos erscheint.

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  • Geschafft -das war jetzt wirklich eine tour de force... Da wird gemordet, gemordet und gemordet. Eine solch düstere, pessimistische, gewalttätige Geschichte habe ich noch nie gelesen. Ich habe mich ertappt, wie ich laut protestierte... - das ist eigentlich nicht meine Art.
    Dem Leser wird einiges abverlangt; die Gewalt überlesen, verdrängen oder gar gut finden geht einfach nicht. Der Roman ist ein Abgesang auf die Mythen des "Wilden Westens", eine Demontage. Die Figuren machen keine emotionale, charakterliche Entwicklung durch und beide Seiten - sowohl Weiße als auch Indianer - sind gewaltbereit. Deiner schönen Rezension kann ich gar nichts mehr zufügen, Jean van der Vlugt.

    Zitat von Jean van der Vlugt

    "Vielleicht mögen einige Gewaltspitzen weit über das Ziel hinausschießen, aber ich finde sie sind dann zwingend notwendig, wenn sie ein gewissenhafter Autor für zwingend notwendig hält

    Ich denke, da stimme ich dir zu. Gewissenhaft war McCarthy sicher - er ist sogar für die Recherche an die texanisch-mexikanische Grenze gezogen.
    In folgendem interessanten link (FAZ) fand ich diese Passage:
    "Die Stilisierung der Gewalt und des Krieges zu einem Urgrund des Lebens erinnert zuweilen an Ernst Jünger, aber schon der Titel des Romans gibt einen Hinweis auf einen anderen Autor, der für das Verständnis McCarthys wesentlich aufschlußreicher sein dürfte. In "Die Abendröte des Westens" klingt Jakob Böhmes "Die Morgenröte im Aufgang" mit, das Hauptwerk des Mystikers aus dem siebzehnten Jahrhundert, dessen Bücher zu seinen Lebzeiten verboten wurden, weil darin das Böse als Teil der Schöpfung begriffen wurde. Wenn der Richter sagt, daß der Krieg auf den Menschen gewartet hat, "noch ehe dieser in Erscheinung trat", will das vor allem besagen, daß das Böse zu den frühesten Hervorbringungen der Schöpfung gehört." (Zitat)


    Auch diese links sind interessant:
    Neue Zürcher Zeitung
    Sueddeutsche
    Im Wikipedia heißt es :" Der ziellose Zug durch den Westen der USA und die pure Destruktivität der handelnden Personen kann als eine Metapher auf die Vergeblichkeit und die Fragwürdigkeit aller kulturellen Anstrengungen und Leistungen des Menschen angesehen werden."
    "McCarthy beschreibt Geschichte und Fortschritt des Menschen als Ausgeburt niedrigster Triebe, die ihn zum unausweichlichen Untergang verdammen. Er tut das lakonisch und poetisch, ohne Mitleid, ohne falsche Hoffnung, aber mit den traumklaren Bildern eines großen Visionärs.“

  • In folgendem interessanten link (FAZ) fand ich diese Passage:
    "Die Stilisierung der Gewalt und des Krieges zu einem Urgrund des Lebens erinnert zuweilen an Ernst Jünger, aber schon der Titel des Romans gibt einen Hinweis auf einen anderen Autor, der für das Verständnis McCarthys wesentlich aufschlußreicher sein dürfte. In "Die Abendröte des Westens" klingt Jakob Böhmes "Die Morgenröte im Aufgang" mit, das Hauptwerk des Mystikers aus dem siebzehnten Jahrhundert, dessen Bücher zu seinen Lebzeiten verboten wurden, weil darin das Böse als Teil der Schöpfung begriffen wurde. Wenn der Richter sagt, daß der Krieg auf den Menschen gewartet hat, "noch ehe dieser in Erscheinung trat", will das vor allem besagen, daß das Böse zu den frühesten Hervorbringungen der Schöpfung gehört." (Zitat)

    Geschaft, herzlichen Glückwunsch! Als ich durch war, kam ich mir irgendwie leer vor. Und man kann erleichtert aufatmen. Langsam sickert wieder Freundliches und Schönes ins Blickfeld. :flower:
    Das FAZ-Zitat zu Jakob Böhme ist ja klasse. Auch durch die anderen Deiner Links werde ich mich mal durchwühlen. Danke für die Linkliste! :thumleft:

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  • Geschaft, herzlichen Glückwunsch! Als ich durch war, kam ich mir irgendwie leer vor. Und man kann erleichtert aufatmen. Langsam sickert wieder Freundliches und Schönes ins Blickfeld.

    Mir erging es ähnlich :wink: , eine kleine Lesepause war nötig und nun lese ich ein Buch, welches ein wenig Harmonie verspricht... :lol:
    Dennoch geht mir das McCarthy-Buch natürlich noch im Kopf rum; gerade die Rolle des Richters beschäftigt mich noch.

    Ja, wie DU das lesen würde wäre wirklich interessant,

    Über vier Jahre ist es nun schon her....- aber besser spät als nie. :wink: