Nachdem ihn im vorherigen Band das Schicksal mit aller Härte getroffen hat, versucht Thomas Lynley bei einer langen Wanderung an der Küste Cornwalls alles hinter sich zu lassen. Er ist schon über einen Monat unterwegs, als er am Fuß einer Klippe die Leiche eines jungen Mannes entdeckt, der offenbar beim Klettern abgestürzt ist.
Bei näherer Betrachtung ist Fremdeinwirkung jedoch nicht auszuschließen, und so nimmt die örtliche Polizei unter Leitung der resoluten Bea Hannaford die Ermittlungen auf. Bedingt durch chronischen Personalmangel und Defizite in der Ausrüstung holt sie sich schon bald den zunächst widerstrebenden Lynley mit ins Boot (und ist häufig genervt von seinen recht speziellen Ermittlungsmethoden, zumal er auch ein wichtiger Zeuge ist).
Unter der Oberfläche des malerischen Küstenstädchens sorgen, von den Urlaubsgästen unbemerkt, familiäre Konflikte und alte, problematische Verflechtungen für Spannungen in und zwischen Familien. Doch warum musste Santo Kerne sterben, falls sein Sturz kein Unfall war?
Wieder greift Elizabeth George tief in die Psychologie-Kiste und zeichnet präzise, erschreckende Porträts von Menschen in seelischem Aufruhr, nicht nur bei Lynley selbst, der zu Beginn gar nicht die tragende Rolle spielt, die man erwartet hätte, sondern auch bei den zahlreichen Personen, die Santo Kerne kannten und unter denen nun ermittelt wird.
Sehr langsam entfaltet sich das Gesamtbild, George lässt sich viel Zeit, um das Tableau vorzubereiten, vor dem sich letztendlich die tempo- und spannungsreichere zweite Hälfte des Buches abspielen wird - beinahe ein wenig zu viel. Diesmal empfand ich nämlich das Abtauchen in die Tiefen der menschlichen Seele als sehr dick aufgetragen, kaum eine Person unter den möglichen Verdächtigen wirkt ansatzweise "normal". Man spürt, welche Geheimnisse und Fehden von früher auf dem kleinen Städtchen lasten, die Atmosphäre ist düster und ganz und gar nicht romantisch.
Als Sergeant Havers, deren Schlagabtausche mit Lynley man anfangs doch ziemlich vermisst, als "Leihgabe" von Scotland Yard vor Ort eintrifft, gerät die Handlung allmählich in Fahrt und gipfelt in einem überraschenden, aber glaubhaften und ein wenig abrupten Schluss.
Insgesamt fehlt bei dem Buch ein wenig der "Wiedersehen mit alten Freunden"-Faktor, außer Lynley und Havers und ein paar Gedanken an die Vergangenheit gibt es wenig Wiedererkennungseffekte für Fans der Serie - andererseits vermeidet George dadurch auch Wiederholungen altbekannter Muster. Dennoch hoffe ich, dass das nächste Buch wieder die komplette Stammbesetzung an Bord hat.