Roopa Farooki - Als ich lernte zu fliegen / The Way Things Look To Me

  • OT: The Way Things Look to Me
    Taschenbuch: 304 Seiten
    Verlag: Bastei Lübbe
    ISBN-13: 978-3785760444


    Roopa Farooki, eine mir bis dahin völlig unbekannte Autorin, führte mich in die Welt der in London lebenden Murphy-Geschwister. Eine Welt in deren Mittelpunkt die autistische 19jährige Yasmin steht, deren Bedürfnissen sich das Leben der anderen stets unterzuordnen, zumindest anzupassen, hatte. Asif Murphy ist 23 Jahre alt. Der Not gehorchend hat er sein Studium abgebrochen und erduldet nun einen langweiligen, ihn unterfordernden Büroalltag. Sein Leben ist völlig anders als das von anderen jungen Männern in seinem Alter. Seit dem plötzlichen Tod der Mutter kümmert er sich aufopfernd um Yasmin, die am Asperger Syndrom, einer leichteren Ausprägungsform von Autismus, leidet. Sie hat Inselbegabungen, sieht beispielsweise Musik als Farben und erinnert sich minutiös an vergangene Erlebnisse. Sie braucht einen ganz geregelten Tagesablauf, Veränderungen kann sie nur schwer verkraften. Lila, die andere Murphy-Schwester, 1 Jahr jünger als Asif, ist ihm keine Stütze. Sie hält das alles nicht mehr aus. Sie will nicht mehr fremdbestimmt leben. Sie will leben wie Gleichaltrige, will ins Kino gehen, sich mit Freunden treffen. In manchen Momenten hat sie das Gefühl die Schwester oder deren Krankheit zu hassen. Nun lebt sie ihr eigenes Leben mit wechselnden Partnern und Jobs – und Neurodermitis. Doch als Yasmin davon berichtet, dass ein Fernsehteam in einer Dokumentation über sie und ihre Krankheit berichten will, bringt das die Geschwister an den Rand einer Katastrophe, denn Yasmin hat einen Plan. Die schwierige Situation, in der sich die Geschwister befinden, wird von der Autorin auf ganz beeindruckende Weise nachvollziehbar und berührend zugleich beschrieben, ebenso die problematische Kindheit von Asif und Lila, die nicht ohne psysischische Folgen blieb. So unterschiedlich die Geschwister auch in ihrem Wesen beschrieben sind, konnte ich für alle sofort viel Sympathie empfinden. Auch die etwas spezielle Lila, konnte ich mit ihrer Flucht aus der Familie sehr gut verstehen. Mit wechselnden Erzählperspektiven und Zeitschienen lässt Roopa Farooki ihre Leser Anteil haben am problematischen Alltag der Geschwister und sie baut Verständnis für jedes der Familienmitglieder auf eine sehr feinfühlige Art auf, ohne dabei auf irgendeine Art belehrend zu sein. Oft wird sie sehr deutlich, manchmal sogar drastisch, z.B. wenn sie von Lilas extremer Neurodermitis berichtet. Aber immer erzählt Roopa Farooki bildhaft, einfühlsam und ruhig. Auch wenn ich hier öfter über Krankheiten, psychische Probleme, familiäre Sorgen und auch Wut schrieb ist dies kein tief trauriger problemüberladener Roman. Es gab durchaus auch witzige Begebenheiten, die mich zum Lachen brachten. Mit diesem Buch habe ich eine neue Autorin entdeckt, von der ich gern mehr lesen würde. Die hier vorgefundene Mischung aus Leichtigkeit des Erzählens und Tiefe der Gedanken hat mir ausgesprochen gut gefallen. Dieses Buch empfehle ich gern weiter. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:


    Über den Autor (Quelle: Lübbe.de)
    Roopa Farooki wurde in Lahore geboren und wuchs in London auf. Sie machte ihren Abschluss am New College, Oxford und arbeitete in der Werbebranche, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Roopa lebt jetzt in Südfrankreich mit ihrem Mann und ihren Söhnen. Ihr erster Roman "Kardamom und Honig" stand auf der Shortlist zum "Orange New Writers Award" 2007


    Dieses Buch kam als Geschenk zum mir und die Schenkende hatte ein ganz besonders glückliches Händchen bei der Auswahl. Nochmals vielen Dank! :friends:

  • Vielen Dank für die schöne Rezension, Karthause.
    Den Roman hatte ich in der Buchhandlung schon in der Hand; jetzt habe ich ihn mir mal in die WL eingetragen und wird möglicherweise bald in's Bücherregal einziehen.


    Liebe Grüße

  • Ja, danke Karthause! :thumleft:


    Spielt es irgendeine Rolle im Buch, dass die Autorin aus Pakistan stammt, und sich die Namen der Kinder nach pakistanischen Namen anhören? Gibt es also zudem noch eine Ebene, in der das Leben von Einwanderern in England (die pakistanische Community ist ja sehr groß) eine gewisse Rolle spielt?

  • Danke Karthause, für die interessante Vorstellung!
    Die Geschichte wird mich sicher interessieren, würde bei Gelegenheit auch gerne lesen, (könnte, leider, länger dauern "seufz")
    Wie es aussieht, hat jemand einen schönen Geschenk für dich ausgesucht :winken:



    @tomfleo
    Übrigens, die Autorin ist tatsächlich in Pakistan geboren, aufgewachsen allerdings in London. Ich hab mal kurz nachgeschaut, mich hat es auch interessiert,
    woher die Namen stammen.



    Liebe Grüße

    2024: Bücher: 99/Seiten: 43 438

    2023: Bücher: 189/Seiten: 73 404

    --------------------------------------------------

    Mein Blog: Zauberwelt des Lesens
    ------------------------------

    "Das Nicht-Wahrnehmen von Etwas beweist nicht dessen Nicht-Existenz "

    Dalai Lama

    ------------------------------

    Lese gerade:

    Macdonald, Helen/Blaché, Sin - Prophet

  • Spielt es irgendeine Rolle im Buch, dass die Autorin aus Pakistan stammt, und sich die Namen der Kinder nach pakistanischen Namen anhören? Gibt es also zudem noch eine Ebene, in der das Leben von Einwanderern in England (die pakistanische Community ist ja sehr groß) eine gewisse Rolle spielt?

    Nein, das spielt nicht wirklich eine Rolle. Es wird nur ganz zu Beginn erklärt, wie Asif zu seinem Namen gekommen ist und was er davon hält. Auch das Einwandererthema ist in diesem Buch kein Thema. Es geht ausschließlich um die Beziehungen zwischen den Geschwistern und wie diese sich seit deren Kindheit entwickelten.

  • Hallo Karthause!
    Danke für deine sehr schöne, überzeugende Rezension. Wie du weißt hatte ich das Buch schon vorher im Visier, und jetzt bin ich mir ganz sicher, es landet nicht erst auf der WL, sondern ich werde es mir gleich kaufen. :D


    Liebe Grüsse
    Wirbelwind


    :study: Martin Suter, Allmen un die Libellen

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Danke für die schöne Rezension.
    Ich hatte von der Autorin und auch von dem Buch noch nie etwas gehört.
    Aber es ist sofort auf meine Wunschliste gewandert :)

    Wer A sagt, der muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war
    -Bertholt Brecht-


    Gelesene Bücher 2012:2
    Gelesene Seiten: 798
    SUB-Stand: 328
    :pale:
    :study:
    Birgit Fiolka - Blutschwestern. Die Legende von Engil
    :study: Nina Blazon - Zweilicht

  • Vielen Dank für die tolle Rezi, das Buch ist direkt auf meine Wunschliste gewandert!
    Autisten und Tourett Syndrom finde ich sehr interessant, auch wenn, wie hier, "nur" in Roman Form.

    Hunde sind wie Bücher, man muss nur in ihnen lesen können, dann kann man viel lernen.


    [align=center]Oliver Jobes

  • Die hier vorgefundene Mischung aus Leichtigkeit des Erzählens und Tiefe der Gedanken hat mir ausgesprochen gut gefallen. Dieses Buch empfehle ich gern weiter.


    Diese Aussage kann ich nur dick unterstreichen.
    Eigentlich ist in Karthauses Rezi bereits alles zur Sprache gekommen, was das Buch ausmacht. Ganz besonders hat mich die Freundschaft/Liebe von Lila und Henry berührt.
    Auch von mir bekommt "Als ich fliegen lernte" :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::thumleft:


    Liebe Grüsse
    Wirbelwind


    :study: Roopa Farooki, Als ich lernte zu fliegen

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Ich bin gerade mitten im Buch und bin positiv angetan.

    Zitat

    von Karthause:
    Die schwierige Situation, in der sich die Geschwister befinden, wird von der Autorin auf ganz beeindruckende Weise nachvollziehbar und berührend zugleich beschrieben, ebenso die problematische Kindheit von Asif und Lila, die nicht ohne psysischische Folgen blieb. So unterschiedlich die Geschwister auch in ihrem Wesen beschrieben sind, konnte ich für alle sofort viel Sympathie empfinden. Auch die etwas spezielle Lila, konnte ich mit ihrer Flucht aus der Familie sehr gut verstehen.


    Symphatien kann ich auch für die drei Geschwister entwickeln - und Lila gut verstehen, die aus der familiären Ordnung ausbricht, manchmal recht aggressiv/taktlos reagiert - vielleicht als Selbstschutz; sie ist auch verletzt, fühlte sich als Kind zurückgesetzt von der Mutter.
    Aber noch bin ich nicht fertig, wollte nur einen kleinen Zwischenbericht posten.

  • Heute morgen bin ich mit dem Roman fertig geworden und kann mich den positiven Meinungen nur anschließen. Karthauses Rezension ist schon so ausführlich, dass ich gar nicht soviel hinzufügen kann. :wink:
    Gut gefallen hat mir, dass Farooki auch die Probleme der Geschwister beschrieben hat - die Erzählperspektive gewechselt hat.
    Mir erging es wie Wirbelwind - die Beziehung Henry - Lila hat mich besonders berührt.


  • Ich kann mich meine Vorschreibern nur anschließen, das Buch ist einfach unheimlich schön geschrieben.


    Ich hatte auch ein etwas anderes Ende erwartet, aber so war es genau richtig. Leider war das Buch schon viel zu früh zu Ende. Die Geschichte hätte durchaus weiter geschrieben werden können.


    Ganz klar :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    Hunde sind wie Bücher, man muss nur in ihnen lesen können, dann kann man viel lernen.


    [align=center]Oliver Jobes

  • Gerade habe ich mit diesem Buch begonnen. Hier aus dem Klappentext noch ein paar Infos zur Autorin, ich zitiere :


    "Roopa Farooki wurde in 1974 Lahore, Pakistan, geboren und wuchs in London auf. Sie studierte am New College, Oxford, und arbeitete in der Werbebranche, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Die Autorin lebt mit ihrem Mann, ihren beiden Söhnen und ihren kleinen Zwillingsmädchen in Südengland und Südfrankreich. « Als ich lernte zu fliegen » war 2010 für den renommierten Orange Prize nominiert."

    ☆¸.•*¨*•☆ ☆¸.•*¨*•☆ La vie est belle ☆¸.•*¨*•☆☆¸.•*¨*•☆

  • Von dieser Autorin hatte ich noch nie gehört und es war ein Spontankauf, da mir der Name der Autorin sowie der Titel gefiel und mich neugierig gemacht hat. Ich wurde nicht enttäuscht, es ist ein beeindruckendes und interessantes Buch. Zuweilen war es auch traurig und hat mich ziemlich berührt. Zuerst dachte ich, es ginge um eine lapidare Familiengeschichte - aber nein, dahinter steckt doch mehr.


    Roopa Farooki fesselt den Leser mit ihrem einfachen, flüssigen und lebensnahen Schreibstil. Die Geschichte spielt auf verschiedenen Zeitebenen, was mir persönlich immer sehr gut gefällt. Das Ganze erscheint locker, ist aber sehr tiefgründig, anrührend und manchmal trotzdem drollig. Sehr interessant fand ich auch, dass man etwas mehr über das Asperger-Syndrom erfährt, was von der Autorin sehr gut recherchiert wurde.


    Da ich ein sehr optimistischer Mensch bin, hat es mich gefreut und mir bestätigt, dass es (fast) immer einen Funken Hoffnung gibt. Und das Phänomen, Anderen respektvoller und hilfsbereiter gegenüberzutreten, wenn man selbst glücklich ist, wird auch in diesem Buch sehr deutlich. Lesenswerter Roman, der von mir :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb: erhält.

    ☆¸.•*¨*•☆ ☆¸.•*¨*•☆ La vie est belle ☆¸.•*¨*•☆☆¸.•*¨*•☆