Also, ganz ehrlich, ich finde Ellies Verhalten und ihre Panik absolut nachvollziehbar, so anstrengend es für den Leser und ihre Mitmenschen auch sein mag. Diese Szene, in der Colin ihr auflauert und ihr die Hand auf die Kehle legt - hallo, wer sagt sich denn da noch: Och, alles nicht so schlimm, ich kann ihm vertrauen, er liebt mich, mir wird schon nichts passieren? Und dann hängt er sich auch noch über sie an die Decke, wie ein Mahr vor dem Angriff? Dazu die ständige Angst um den Herzfehler des eigenen Bruders ... Es wäre wirklich töricht, in solchen Momenten liebesdusselig die Angst wegzuschieben. Angst ist ein Warnsignal, und insofern ist sie total plausibel und angemessen. Ellie wäre ein seltsames und befremdliches Wesen, wenn sie keine Angst hätte und ihm nicht misstrauen würde.
Diese Haltung: "Colin ist der unfehlbare Held, der alles richten wird" hatte Ellie nie und es ist auch keine Haltung, die ich befürworte und vermitteln möchte. Man sollte sein Schicksal nie komplett in die Hände eines anderen legen, schon gar nicht, wenn er dämonische Veranlagungen hat wie Colin. Und genau darauf baut Colin ja auch. Wenn Ellie sich in diese Haltung begeben und sich um nichts mehr scheren würde, weil Colin ja schon alles richten wird, würde sein Plan für den Kampf nicht aufgehen. Er braucht beides: ihr Misstrauen, ihre Angst, ihre Wut und im entscheidenden Moment ihr blindes Vertrauen, eine schwierige, fast unmögliche Kombination. Wenn sie aber nur blind vertraut hätte, hätte es nicht funktioniert. Insofern hat auch Colin ein Interesse daran, dass Ellie Angst hat und sich Gedanken macht ... Er will gar keine passive, willfährige Partnerin.
Dieses Thema liegt mir wirklich am Herzen. Ich habe so viele Zuschriften von jungen Leserinnen bekommen, die dank Twilight und anderen Reihen leider ziemlich unemanzipeirt denken und sagen: "Colin soll doch dies, Colin soll das, Colin muss ..." Sie kommen gar nicht erst auf die Idee, dass Ellie ihr Leben steuert und bestimmt und die wichtigen Entscheidungen trifft. Das finde ich traurig. Wir Mädels können unsere Entscheidungen doch selbst fällen und unser Leben in die Hand nehmen. Es ist schön, wenn wir einen Mann haben, dem wir dabei vertrauen können und der uns zur Seite steht, gerne auch mal beschützend, aber wir brauchen ihn nicht, um uns zu leiten und unseren Weg zu bestimmen. Deshalb habe ich auch Ellie entscheiden lassen, wann sie das erste Mal mit Colin schläft. Sie war in diesem Moment die Aktive und hat sich nicht pflücken lassen ...
Und das mit Tillmann: Oh oh, das wäre billig, wenn ich das so beabsichtigt hätte. Also, wenn ich sowas mal mache, nur um vorzusorgen, dass ihr es später auch gut findet, dann müsst ihr echt mit mir schimpfen. Außerdem: Es wird doch am Schluss aufgelöst, warum Tillmann das mit dem Kuss macht und sagt, dass er von Colin ist, oder ist das untergegangen? Schaut euch mal den letzten Brief von Colin an ... Dieser Kuss war Mittel zum Zweck, nicht mehr und nicht weniger, und es hat funktioniert. Er entspringt Tillmanns ehrenhafter Haltung zum Thema Freundschaft/Gefährten ("ich tue alles ...") und seinem Respekt und Vertrauen Colin gegenüber.