Daniel Keyes - Blumen für Algernon / Flowers for Algernon

  • Dies ist eine überarbeitete Übersetzung der bereits 1970 auf Deutsch erschienenen Fassung dieses Romans aus dem Jahre 1966. Und selbst im Jahr 2011 sind viele der in ihm gegebenen Ideen zur Intelligenzforschung und dem Umgang mit so genannten Retardierten noch bedenkenswert – besonders, da die Diskussion darüber, was genau ein Intelligenztest misst immer noch nicht für alle Forscher in diesem Bereich zufrieden stellend beantwortet ist und das Wort „Intelligenz“ immer noch einer abschließenden Definition harrt.

    Charles Gordon ist mittlerweile 32 Jahre alt und arbeitet als Putzkraft in einer Bäckerei, die einem Freund seines Onkels gehört, der versprochen hatte, dem jungen Mann einen Job zu geben, damit er auf Grund seiner Geistesschwäche nicht ins Heim muss. Charly ist ziemlich zufrieden mit seinem Leben, weil die Leute bei der Arbeit gern mit ihm lachen und er seit einigen Monaten auch ein wenig zu lesen lernt. Seine Lehrerin – Mrs. Kinnian – ist sehr nett und hilfreich und ermutigt ihn immer wieder.

    Eines Tages bringt sie ihn mit einigen Professoren zusammen, die eine Methode gefunden haben, bei Tieren die Intelligenz durch einen Eingriff und Hormonangaben zu erhöhen. Nun planen sie das Gleiche mit einem Menschen und da Charly in der Schule eine sehr hohe Motivation bewiesen hat, wird er für dieses Verfahren ausgewählt.

    Aus der Sicht Charlys erleben die Leserinnen und Leser an Hand der Fortschrittsberichte, die er bereits vor der Operation schreiben soll, wie er zunächst die Umgebung in der Klinik, verschiedene Testverfahren und auch einen Intelligenzwettkampf gegen Algernon wahrnimmt. Algernon ist die Maus, bei der die Behandlung am Besten angeschlagen hat und die dadurch dreimal intelligenter wurde als andere Mäuse. Die Berichte sind in ihrer Unschuld und Naivität bedrückend, da man als Leserin oder Leser schnell mehr hinter dem Beschriebenen vermuten kann, als dies Charly zu diesem Zeitpunkt möglich ist.

    Nach der Operation ist es den Leserinnen und Lesern dann viel schneller als Charly möglich, die Veränderungen in seinem Denken wahrzunehmen und mit der intellektuellen Entwicklung auch die emotionale, die ein wenig langsamer verläuft. Dabei stellt sich für Charly sehr schnell heraus, dass viele der „Freunde“ mit denen er früher gerne gelacht hatte meist über ihn lachten und sehr bald wird er von diesen, die ihm intellektuell schnell nicht mehr gewachsen sind – offen abgelehnt. Charlys Intelligenz verstärkt sich mehr und mehr, genau wie sein Wissensdurst und da er innerhalb des Versuchsumfelds ziemlich isoliert bleibt, entwickelt er sich in sozialere Hinsicht zunächst kaum weiter – und irgendwann hat er auch kein Interesse mehr daran. Doch dann sieht er, wie Algernon langsam beginnt, seine Problemlösefähigkeiten zu verlieren und eine neue – schreckliche – Zeit beginnt für ihn.

    An einigen Stellen stellen Nebenfiguren die Frage, ob man so ein Experiment überhaupt durchführen dürfte und sie berufen sich dabei in der Regel auf den Sündenfall – und zu einem bestimmten Zeitpunkt ist Miltons „Paradise Lost“ sogar Charlys Lieblingsbuch. Seine Antwort ist sicherlich in diesem Zusammenhang positiv, denn das Verlieren seiner intellektuellen Fähigkeiten bedrückt ihn zunächst sehr. Der Hunger, zu lernen ist enorm.

    Ein überaus spannendes und nachdenklich stimmendes Buch, das man vor weiteren Debatten zur Gentherapie nicht vernachlässigen sollte. :thumleft: :thumleft: :thumleft:

  • "Blumen für Algernon" war ein tolles Buch, das einen immer wieder zum Nachdenken bringt. Unter dem Strich war es ein sehr trauriger Roman. @K.-G. Beck-Ewe hat es in seiner schönen Rezension schon genau auf den Punkt gebracht und dem gibt es eigentlich kaum etwas hinzuzufügen. Sehr beeindruckend fand ich wie der Autor Charlie über die ganze Dauer hinweg schlüssig dargestellt hat. Von einem zurückgebliebenen Jungen bis hin zu jemanden mit einer sehr hohen Intelligenz und doch war es immer die gleiche Person. Als sich Charlie dann langsam zurückerinnert an seine Kindheit und seine Arbeitskollegen merkt man, dass er eigentlich alles andere als ein schönes Leben hatte, aber trotzdem war er immer zufrieden mit sich und seiner kleinen Welt.
    Fazit: Eine gefühlvolle, aber etwas vorhersehbare Story, die getragen wird von einem tragischen und herzzerreißend guten Protagonisten.
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Charlie ist keine große Leuchte - er hat einen sehr niedrigen IQ und verrichtet Hilfsarbeiten in einer Bäckerei, ist aber stolz darauf, dass er alleine leben kann und besucht wissbegierig Abendkurse für geistig unterentwickelte Erwachsene, obwohl ihm das Lernen schwerfällt und er sich nichts lange merken kann.


    Eines Tages wird er als Versuchsperson für ein noch nie dagewesenes Experiment ausgewählt. Nachdem Wissenschaftler durch eine Operation erfolgreich den IQ einer Labormaus namens Algernon ins Unermessliche steigern konnten, soll der Eingriff nun erstmals an einem Menschen durchgeführt werden. Charlie ist glücklich über die Chance, die sich ihm bietet - nicht mehr "blöd" zu sein, ist schließlich sein ganz großer Traum.


    Tatsächlich gelingt die OP, und langsam, aber sicher entwickelt sich Charlies Intelligenz. Endlich ist er ein normaler Erwachsener, der Bücher lesen, komplizierte Rechenaufgaben lösen ... und sich verlieben kann. Doch während seine geistigen Fähigkeiten bald das Normalmaß weit überschreiten, muss er auch feststellen, dass es selbst mit überragenden Geistesgaben alles andere als leicht ist in der Welt. Oder vielleicht sogar besonders schwer.


    Mit seinen alten Kollegen in der Bäckerei kann er nichts mehr anfangen, seine Liebelei schwächelt, weil seine emotionale Entwicklung nicht mit dem kometenhaften Anstieg seines IQ mithalten konnte, und ständig als Vorzeigeobjekt herumgezeigt zu werden, behagt ihm genausowenig. Es scheint einfach auf der ganzen Welt keinen Menschen zu geben, der ihm ebenbürtig ist, was ihn schließlich ganz schön einsam macht. Und dann stellt er bei dem Mäuserich Algernon alarmierende Anzeichen fest, die erschreckende Fragen aufwerfen.


    Das Buch hat zwar schon ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel, aber da es in den wissenschaftlich-medizinischen Details sehr vage bleibt und sich ganz auf Charlies persönliche Geschichte konzentriert, hat es kaum an Aktualität eingebüßt. Neue wissenschaftliche Methoden und die Angst vor dem Machbarkeitswahn sind schließlich nach wie vor ein Thema, heute womöglich noch mehr als zur Entstehungszeit des Romans.


    Charlies Entwicklung vom Forrest-Gump-ähnlichen Hilfsarbeiter zu DER Geistesgröße schlechthin wird in Tagebucheinträgen geschildert, die nicht nur
    inhaltlich, sondern auch in der Wortwahl und anfangs sogar in der Rechtschreibung seine intellektuelle Entwicklung hautnah zeigen. In seine "Fortschrittsberichte" eingebettet sind immer wieder Bruchstücke seiner Vergangenheit, Erinnerungen an seine Familie, die an diesem Kind, das so anders war als andere, schließlich zerbrochen ist, und so ergibt sich ein oft herzzerreißendes Gesamtbild eines Menschen, der es nie leicht hatte im Leben - weder vor noch nach der lebensverändernden Operation.


    Ein berührendes, aufrüttelndes und einfühlsames Plädoyer gegen eine Wissenschaft ohne echte Menschlichkeit.

  • Was für ein Buch - bereits vor über 50 Jahren geschrieben und aktuell wie nie zuvor. :pray: Inhaltliche Aussagen muss ich keine mehr treffen, da wurde alles gesagt und doch nicht alles verraten - lest es selbst!


    Aber es ist für mich vor allem ein Buch, das die Frage "Was macht einen Menschen aus?" aufwirft und doch nicht in allen Punkten beantwortet, beantworten kann. Wir Leser sind gefragt, uns unsere Meinung zu bilden. Ist es nur der Intellekt? Ist es nur das Gefühl? Kann ein Mensch ein Mensch sein, werden, bleiben, ohne Bindung an / Beziehung zu anderen Menschen? Ist ein Mensch ohne Erinnerung ein Mensch? Sind wir Menschen, wenn wir kein Gegenüber oder auch keine bewusste Vergangenheit haben?

    Und gleichzeitig bleibt die große Frage und auch Angst vor der Machbarkeit und auch dem Machbarkeitswahn, wie Magdalena sagt - darf man alles tun, in alles eingreifen? Haben wir alle Konsequenzen überdacht, geschweige denn im Griff? Dies betrifft sicherlich die Thematik der Intelligenzforschung (und Definition, da bin ich mit K.-G. Beck-Ewe einer Meinung), wie in diesem wunderbaren Roman aufgegriffen, aber auch viele andere Fragen, die sich seit der Entstehung dieses großartigen Romans neu gestellt haben durch die Weiterentwicklung von Forschung und Technik. Und doch zeigt die Aktualität dieser Geschichte uns erneut, wie wenig wir doch bis heute wissen und wie viel unbekanntes Terrain noch vor uns liegt.


    Ein Punkt, der mich persönlich berührt und sicher lange nachwirken wird:

    Den Spoiler sollte wirklich nur lesen, wer damit leben kann, das Ende der Geschichte am Anfang zu wissen. Auch wenn, wie Kapo richtig sagt, der Gang der Geschichte relativ früh erkennbar wird, verrät mein Spoiler klar ihr Ende.

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „Daniel Keyes - Blumen für Algernon“ zu „Daniel Keyes - Blumen für Algernon / Flowers for Algernon“ geändert.
  • Schön, dass das Buch immer noch begeistern kann.

    Ich frage mich tatsächlich, warum es nicht bekannter ist. Wie konnte dieses Buch so aus dem Blickwinkel der lesenden Menschen verschwinden?

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • Wie konnte dieses Buch so aus dem Blickwinkel der lesenden Menschen verschwinden?

    Es gibt einfach ein Menge Bücher. Sogar eine Menge ziemlich guter Bücher. Was mir auffällt, dass im Bereich der SF, Fantasy und ähnlichem im Randbereich häufig sehr durchdachte, philosophische Texte unterwegs sind, die wenig Breitenwirkung haben. Selbst jemand wie Pratchett und Gaiman sind dem breiten Publikum nicht wirklich geläufig.


    Ein Zeit sah es so aus, als ob nach dem Kalten Krieg die Nerds auf einem Siegeszug sind und einige davon waren auch in der Politik. Wenn man sich so umsieht ist im Moment vor allen Dingen auch eine anti-intellektuelle Bewegung sehr im Schwange, die breiten Zulauf erhält. Und diese Menschen wollen über solche DInge nicht nachdenken - oder etwa über "Weiberregiment" und ähnliches. Weil es sehr entlarvend ist. Wenn ich frage, was einen Menschen ausmacht, dann hinterfrage ich auch seine mögliche Vormachtsstellung in der Schöpfung. Und leider sind da draußen eine Menge, die sind einfach stolz darauf, stolz zu sein. Ob das nun gerechtfertigt wäre, oder nicht. (Man könnte schon sagen, wer auf etwas stolz ist, sollte zunächst erst einmal seine Selbstwahrnehmung überprüfen).


    Wer sich selbst wichtig nimmt, kann andere Menschen als unwichtiger einstufen und hat Schwierigkeiten, seine eigene Spezies kritisch zusehen, denn das würde Selbstkritik verlangen - und das mögen viele Menschen nun ma leider gar nicht.

  • Es gibt einfach ein Menge Bücher. Sogar eine Menge ziemlich guter Bücher. Was mir auffällt, dass im Bereich der SF, Fantasy und ähnlichem im Randbereich häufig sehr durchdachte, philosophische Texte unterwegs sind, die wenig Breitenwirkung haben. Selbst jemand wie Pratchett und Gaiman sind dem breiten Publikum nicht wirklich geläufig.

    Da hast Du recht, es gibt gerade in diesem Bereich sehr viele Bücher, die grundlegende Themen aufnehmen und durchdenken bzw. dem Leser eine von vielen Möglichkeiten anbieten und zum Denken anregen wollen. Ich überlege gerade, ob dieses Buch vielleicht etwas zu früh veröffentlicht wurde, ob einfach die Zeit noch nicht reif für diese Gedankengänge war. Und ob es evtl. auch durch den Titel, dessen Sinn sich nicht offen erschließt, zu leicht verdrängt wurde. :-k

    Wenn man sich so umsieht ist im Moment vor allen Dingen auch eine anti-intellektuelle Bewegung sehr im Schwange, die breiten Zulauf erhält. Und diese Menschen wollen über solche DInge nicht nachdenken - oder etwa über "Weiberregiment" und ähnliches. Weil es sehr entlarvend ist.

    Diese anti-intellektuelle Bewegung, wie Du sie treffend nennst, macht mir zur Zeit viel Kopfzerbrechen und Angst, denn leider sitzen zu viele Anhänger dieser Bewegung grad an entscheidenden Positionen und beeinflussen damit unser aller Leben. Gefangen in alten Vorurteilen und Denkmustern, steuern sie uns in vielen Bereichen auf Klippen zu und ich hoffe, wir können vorher noch bremsen. :-?

    Ich vermute mal, dass dein Alltagserleben in deinem Beruf deine Sicht der Dinge leider untermauert.

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • Ich vermute mal, dass dein Alltagserleben in deinem Beruf deine Sicht der Dinge leider untermauert.

    Ich sehe es eher als einen Teil meiner Aufgabe an, meinen Schützlingen klarzumachen, dass es kein "Menschenrecht auf Dummheit" gibt (um noch einmal Terry Pratchett zu bemühen), auch nicht im Zusammenhang mit Religion("Tag sagt Euch nicht, WAS Ihr denken sollt. Er sagt Euch, DASS Ihr denken sollt." (aus "Klonk!", natürlich Sir Terry).

  • ### Inhalt ###
    Charlie Gordon ist ein retardierter erwachsener ca. 35 jähriger Mann mit einem IQ von 68. Er nimmt an einem Experiment der Welberg-Stiftung teil, die eine Operation seines Gehirns beinhaltet, was zur Folge hat, dass er zu einem Genie wird, der jedoch wenig emotionale Reife besitzt. Dem Versuch an Charlie ist ein Experiment an einer Maus namens Algernon vorausgegangen. Auch diese entwickelt sich zu einer unglaublich klugen Maus, die komplizierte Labyrinthe nur zum Spaß immer wieder durchläuft. Doch dann kommt die grauenhafte Erkenntnis: An Algernon wird nach einiger Zeit ein Rückgang seiner Fähigkeiten beobachtet, die Folgen der Operation scheinen also nicht von Dauer zu sein. Charlie, der inzwischen die am Experiment beteiligten Professoren geistig weit hinter sich gelassen hat, beginnt nun fieberhaft an einer wissenschaftlichen Lösung der scheinbar zwangsläufig eintretenden Retardation zu arbeiten doch die Folgen sind nicht mehr aufzuhalten und der Verfall ist unausweichlich.


    ### Meinung ###
    Charlie führt während der ganzen Zeit Tagebucheinträge. Darüber erfahren wir die Geschichte. Seine Veränderung ist faszinierend und erschütternd zugleich. Die Änderung der Sprache von einfach und fehlerhaft bis differenziert. Charlie entwickelt sich geistig rasend schnell, innerlich bleibt er ein Kind, der Frauen begehrt, aber vor ihnen zurückschreckt, sobald sie ihm zu nahe kommen. Teil des Experiments ist es, dass bei ihm durch ein Gerät Erinnerungen der Vergangenheit wieder wach gerufen werden sollen, was auch gelingt. Dadurch erkennt er, dass die „Freunde“, mit denen er als Kind gespielt und später in der Bäckerei zusammen gearbeitet hat und mit denen er zusammen gelacht hat, gar nicht mit ihm, sondern über ihn gelacht haben. Die Schilderungen der Erinnerungen erst aus Sicht des dummen Charlies und dann aus Sicht des intelligenten Charlies sind bedrückend. Die Darstellungen seiner Erinnerungen aus seiner Kindheit sind geprägt von einer dunklen Angst: Es wurde viel geschrien und geschlagen, Charlie hat sich oft in die Hosen gemacht vor Angst und er wusste nie was er falsch gemacht hat und seine späterer Wunsch, intelligent zu werden lag einzig und allein darin begründet, dass er nicht mehr wollte, dass seine Mutter sich für ihn schämt. Charlie erlebt die Welt der Genialität und der Schwachsinnigkeit und wir erfahren aus seiner Sicht das beides gegensätzliche Pole sind, die, wenn sie zu extrem werden in die Einsamkeit führen. Das Ende des Buches ist zwar schlimm, stimmte mich aber auch versöhnlich.


    ### Fazit ###
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    Ein sehr lesenswertes Buch mit einem differenzierten umfassenden Blick in die Welt des Schwachsinns und der Genialität.

    Der ideale Tag wird nie kommen. Der ideale Tag ist heute, wenn wir ihn dazu machen. -- Horaz


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  • Man erlebt in dem Roman, wie die Veränderungen bei dem Charlie, dem Hauptprotagonisten des Romans, einem jungen Mann mit sehr niedrigem IQ nach der Operation im Rahmen eines Experimentes stattfinden. Man ist dabei und kann es sehr gut nachvollziehen was in dem Menschen vorgeht, wie seine emotionale Ebene wie auch die intellektuelle aussieht und gestaltet wird. Wie die Umwandlung von einem Retardierten, also einem Menschen mit deutlich eingeschränkten Möglichkeiten zu einem Genie vonstattengeht.

    Der Roman ist in meinen Augen getragen von der wichtigen Frage: Was macht einen Menschen aus? Ist es die Gesamtheit der Gefühle, ist es die Gesamtheit der Gedanken, welche Prozesse sind dafür verantwortlich, dass wir sind wie wir sind.

    Was macht die Persönlichkeit aus? Was darf die experimentelle Wissenschaft sich erlauben, wie weit darf man dabei gehen?

    Der Roman ist schon sehr alt, bereits in den 70er Jahren erschienen und doch aktuell wie eh und je.

    Schade, dass der nicht all zu viele Leser findet. Es lohnt sich auf jeden Fall. :thumleft:
    Das Ende ist absehbar, denn der Ausgang der Geschichte wird angekündigt. Dennoch hatte ich persönlich große Schwierigkeiten dies so zu akzeptieren.

    Eine nachdenklich stimmende Geschichte, die auch emotional von einem eine Menge abverlangt. Wenn man ein mitfühlender Mensch ist, kann man bei der Story nicht kalt bleiben. Eine ausgesprochen bewegende Geschichte, die man gerne liest, und die man nicht so schnell vergisst.

    Von mir bekommt das Buch :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb: Sterne

    2024: Bücher: 99/Seiten: 43 438

    2023: Bücher: 189/Seiten: 73 404

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    Mein Blog: Zauberwelt des Lesens
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    Dalai Lama

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    Lese gerade:

    Macdonald, Helen/Blaché, Sin - Prophet

  • Auf diesen Klassiker aus dem Jahr 1959 bin ich zufällig in einem Buch von Stephen King (The Stand) aufmerksam geworden - und kurz darauf hab ich bei Frank (Der Büchernarr) eine Rezension dazu gesehen. Die Geschichte hat mich sehr neugierig gemacht und erinnert mich ein bisschen an den Film "Zeit des Erwachens" mit Robert De Niro und Robin Williams.

    Das Buch wurde übrigens auch verfilmt unter dem Titel "Charly" und den werde ich mir defnitiv noch anschauen!


    Charlie - er ist hier die Hauptfigur und er beschreibt sich und sein Leben hier in einer Tagebuchform.


    Charlie ist ein "retardierter" Erwachsener, also geistig zurückgeblieben mit einem geringen IQ. Er wird für eine Forschung ausgewählt, sich einer Operation zu unterziehen, die seine Intelligenz fördern soll. Und zwar auf ein sehr hohes Niveau.

    Das erlebt man auch hautnah mit, den er selbst schreibt sein Fortschrittsberichte und alles, was in seinem Kopf vorgeht; was anfangs allerdings sehr anstrengend zu lesen ist. Er kann keine Rechtschreibung oder Zeichensetzung und so wie es für ihn sicher mühsam war, das alles niederzuschreiben, war es auch für mich als Leser nicht so einfach zum lesen.


    Allerdings entwickelt sich nach der Operation seine Lernfähigkeit äußerst schnell und der Schreibfluss wird zusehends leichter. Diese Veränderung zu erleben war ganz schön intensiv und ich hab sehr gut mit ihm mitfühlen können.


    Eigentlich hat er mir durchweg leidgetan. Durch seine Erinnerungen erkennt man, was er bisher alles erdulden musste: von seiner Mutter, die seine beschränkten Möglichkeiten nie wahrhaben wollte und ihn schließlich abgeschoben hat - von seinen angeblichen Freunden, die ihn nur als Lachnummer missbraucht haben ... ein sehr eindringliches Bild, das ihm erst jetzt bewusst wird.


    Wenn sie ihm genügend Zeit ließen - wenn sie ihn nicht hetzten oder vorantrieben -, würde er es begreifen. Aber niemand hatte Zeit.

    Zitat Position 956


    Langsam begreift er, in welcher kleinen Welt er bis dahin gelebt hat ohne wirklich zu verstehen, was um ihn herum vorgeht. Die Hänseleien und der Spott werden ihm bewusst und es gesellen sich auch noch ganz neue Gefühle für ihn dazu, nämlich Scham, Wut und Misstrauen.


    Inzwischen ist mir klar geworden, dass einer der wesentlichen Gründe, weswegen man aufs College geht und sich eine Bildung aneignet, darin liegt, dass man dort lernt, dass die Dinge, an die man sein Leben lang geglaubt hat, nicht wahr sind, und dass nichts ist, was es zu sein scheint.

    Zitat Position 1025


    Vor allem, dass er "nur als Textobjekt" gesehen wird, der vor der Operation praktisch ein Nichts war und erst jetzt, durch die Forschung und seiner Intelligenz etwas wert ist, macht ihn zusehends ungehalten und zornig.

    Das Problem ist allerdings nicht nur die extrem schnelle und ihn überfordernde Intelligenz, die er fast wie einen Rausch erlebt, sondern der zurückbleibende Aspekt seiner emotionalen Intelligenz. Bisher war seine Gefühlswelt von einfachen Werten wie Freundschaft und Vertrauen zu jedermann geprägt, ohne Feinheiten zu erkennnen, und natürlich stürzt es ihn in einige Krisen wenn er jetzt erlebt, dass so wenig davon tatsächlich "echt" war und vor allem, er es nicht einmal bemerken konnte.


    Natürlich hat auch die Maus Algernon eine wichtige Position, sie ist die erste und einzige Maus, die bei den Experimenten mit Tieren Erfolg hatte, wodurch sie schließlich auch den Versuch am Menschen gewagt haben. Bis sich allerdings heraus kristallisiert, dass ihr Verhalten Schwankungen aufweist und die Wissenschaftler nicht sicher sind, was das für Charlie bedeuten könnte.


    Was es wirklich heißt, Charlie´s Leben zu leben, kann niemand begreifen. Wie man auch nie wirklich jemand anderen bis ins tiefste verstehen kann. Übrigens ein Punkt, den ich immer wieder betone, wenn es um Meinungsverschiedenheiten oder verschiedene Wahrnehmungen geht. Man sieht alles immer aus seiner eigenen Sicht heraus, geformt durch eigene Erfahrungen und Erlebnisse.


    "Nein, Sie verstehen nicht, denn Sie erfahren es nicht an sich selbst. Niemand außer mir kann das verstehen."

    Zitat Position 4183


    Es ist ein sehr ernstes und ruhiges Buch mit vielen Einblicken und Botschaften, die sehr ans Herz gehen. Ich hätte mir noch ein bisschen mehr gewünscht, kann aber nicht direkt mit dem Finger darauf zeigen, was mir an der Geschichte gefehlt hat. Dennoch empfehle ich es gerne weiter, weil es eine ganz besondere Erfahrung ist und den Wert jedes Menschen hervorhebt.


    Mein Fazit: 4 Sterne (und etwas ganz besonderes)

    Weltenwanderer

  • Ich hätte mir noch ein bisschen mehr gewünscht, kann aber nicht direkt mit dem Finger darauf zeigen, was mir an der Geschichte gefehlt hat.

    So ging es mir auch (und ich bin bis heute nicht darauf gekommen). Deshalb ist es kein 5-Sterne-Buch geworden, aber ich schließe mich Deiner Einschätzung voll und ganz an, dass man es vielen Lesern ans Herz legen kann.