Adalbert Stifter - Der heilige Abend

  • 1845, Deutsch (1853 überarbeitet als „Bergkristall“ erschienen im Erzählband „Bunte Steine“)


    ZUM INHALT:Zwei Bergdörfer, Gschaid und Milsdorf, sind durch einen Berg voneinander getrennt, die Einwohner betrachten sich gegenseitig als Fremde. Dessen ungeachtet hat der Schuster aus Gschaid die Milsdorfer Färberstochter geheiratet. Das Ehepaar hat zwei Kinder, Konrad und Sanna. Am Heiligen Abend schickt die Mutter Konrad und Sanna zu den Großeltern in Milsdorf, um ihnen Weihnachtsgrüße und -geschenke zu übermitteln. Dazu gehen die Kinder über den beide Dörfer trennenden Pass mit Namen „Hals“. Die Großmutter schickt ihrerseits die Kinder so rechtzeitig auf den Heimweg, dass sie vor Einbruch der Dämmerung wieder daheim sein müssten.


    Auf dem Heimweg aber geraten sie in dichten Schneefall. Auf dem Hals verirren sie sich, finden auch nicht den gewohnten Wegweiser: eine rote Säule, die dort als Mahnmal für einen tödlich verunglückten Wanderer steht. Anstatt talwärts zu gehen, irren die Kinder hinauf in die nackte Fels- und Eisregion. Als es dämmert, steigen sie in eine Steinhöhle, um dort zu übernachten. Gegen die Kälte trinken sie von dem Kaffee, den die Großmutter für die Eltern eingepackt hat. Jetzt ist Konrad, der ältere der Geschwister, überwältigt von den Natureindrücken. Die Kinder hören das Eis krachen; sie sehen am Nachthimmel ein Nordlicht wabern. Bei Einbruch der Morgendämmerung brechen Konrad und Sanna auf, um einen Weg talwärts zu finden.


    Inzwischen sind aus beiden Dörfern, Gschaid und Milsdorf, die Männer aufgebrochen, um nach den Kindern zu suchen. Als sie gefunden sind, werden sie auf einem Schlitten heim gefahren. Im Elternhaus treffen sich alle Freunde und Nachbarn, sogar die Großmutter aus Milsdorf ist angereist. (Quelle: äußerst guter, noch weitaus längerer Artikel bei Wikipedia, teils mit Interpretationshilfen!: http://de.wikipedia.org/wiki/Bergkristall_(Stifter) )


    ANMERKUNGEN:Angesichts des nahen Weihnachtsfestes wählte ich diese weihnachtliche Lektüre, „Der heilige Abend“, und stellte erst beim Lesen fest, das ich eben dieses Buch schon vor Jahren unter einem anderen Titel gelesen hatte. Ich kannte nichts von den Umständen verschiedener Editionen. Was soll’s: man lässt sich bei einer solch kleinen, leicht lesbaren Geschichte gerne zweimal anrühren.


    Eingangs steht die Erwähnung des Heiligen Abend als ein Angelpunkt des Lebens und Feierns in der beschriebenen Umgebung. Es folgt die Einbettung der folgenden Geschichte um die zwei verloren gehenden Kinder in die mächtige Bergwelt: wunderbar genau versteht es Stifter (wie ja auch anderweitig im „Nachsommer“ oder im „Witiko“) Landschaften zu beschreiben, und den Menschen in diese Umwelt hineinzuversetzen. Räumliche Trennung durch Pässe und Kämme ist hier oft gleichbedeutend mit Vorurteilen und Feindschaften.


    Sprachlich gibt es dann eher „märchenhaft“ erscheinende Passagen im Mittelteil, als die Kinder sich im Schneetreiben verirren. Sie gehen in einer fremd gewordenen Schneewelt und bewahren sich doch eine gewisse Ruhe. Die verbrachte Nacht in der Eishöhle wird wunderbar beschrieben.


    Der Ausgang der Geschichte zeigt einen Weg zur Versöhnung, den der Autor in die Logik der Kirchenfeste - und das heißt natürlich hier; der innerlich nachvollzogenen und gelebten – hineinversetzt.
    Meine verlinkte Ausgabe beinhaltet schöne, einfache Illustrationen von Monika Wurmdobler!


    Frohe Weihnachten!:santa:


    ZUM AUTOR:Der am 23. Oktober 1805 in Oberplan/Böhmerwald (jetzt Tschechien) geborene
    Adalbert Stifter war ein österreichischer Schriftsteller, Maler und Pädagoge. Er war der Sohn eines Leinewebers und Flachshändlers. Nach der Gymnasiumszeit im Benediktinerstift Kremsmünster studierte er ab 1826 die Rechte in Wien, ohne aber eine Schlußprüfung zu absolvieren. In den 1830er Jahren bewarb er sich mehrmals erfolglos um Anstellungen als Lehrer und verdiente dann seinen Lebensunterhalt als Privatlehrer, so bei Metternich, dessen Sohn er in Physik und Mathematik unterrichtete. Nachdem ihm 1840 die Veröffentlichung der Erzählungen "Der Condor" und "Feldblumen" erste Erfolge gebracht hatte, lebte er bis 1850 als freier Schriftsteller. Nach den Märzunruhen von 1848 in Wien zog sich Stifter nach Linz zurück und wurde zum Schulrat ernannt, 1853 von der "Kommission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst und historischen Denkmale" zum Konservator für Oberösterreich bestellt. 1865 trat Stifter, wohl seit 1863 unheilbar erkrankt, durch lästige Verwaltungsarbeit und finanzielle Bedrängnis verbittert, in den Ruhestand. Nach einem Selbstmordversuch starb er am 28. Januar 1868 in Linz.
    (Autorenportrait bei Amazon und weitere Infos bei Wikipedia http://de.wikipedia.org/wiki/Adalbert_Stifter )



    Taschenbuch
    Verlag: Insel, Frankfurt (November 2002)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 3458323996
    ISBN-13: 978-3458323990


    Hier eine andere Edition unter dem Titel “Bergkristall”
    3423252243

  • Mit Adalbert Stifter wurde ich in der Schule ziemlich "gequält" - lebte er nicht unweit meiner Heimat. Deshalb habe ich seit Ende der Schulzeit auch kein Buch mehr von ihm in Angriff genommen (denn für Jugendliche ist seine Schreibe nicht sonderlich anziehend und assoziiere ich mit Stifter eigentlich nur "Langeweile" und "Einöde"). Vielleicht ändert sich dieser Zugang mit zunehmendem Alter? Wäre vielleicht einen Versuch wert, die Bücher von damals müssten ja eigentlich noch irgendwo sein.


    "Der Begkristall" wurde von Joseph Vilsmaier verfilmt, mit der großartigen (und leider viel zu früh verstorbenen) Dana Vavrova in der Hauptrolle. Ich habe mal Ausschnitte gesehen und fand diese sehr ansprechend!


    [Blockierte Grafik: http://ecx.images-amazon.com/images/I/31FS6XC4YZL._SL500_AA300_.jpg]

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Mit Adalbert Stifter wurde ich in der Schule ziemlich "gequält" - lebte er nicht unweit meiner Heimat. Deshalb habe ich seit Ende der Schulzeit auch kein Buch mehr von ihm in Angriff genommen (denn für Jugendliche ist seine Schreibe nicht sonderlich anziehend und assoziiere ich mit Stifter eigentlich nur "Langeweile" und "Einöde"). Vielleicht ändert sich dieser Zugang mit zunehmendem Alter? Wäre vielleicht einen Versuch wert, die Bücher von damals müssten ja eigentlich noch irgendwo sein.


    Das kann ich gut verstehen. Seine Schreibe ist in den großen Romanen manchmal so gemächlich, ins Einzelne gehend, dass man vor Ungeduld nicht mehr kann, bzw. sich ödet. Vielleicht kommt dann aber eine Zeit, wo man gerade das zu lieben anfängt? Ich hörte, bzw. las mit Erstaunen, dass Bonhoeffer in seiner Haft ausdrücklich nach Stifter verlangte, weil man sich mit ihm wohl alles so gut vorstellen und ein inneres Kino ablaufen kann.


    Doch davon mal abgesehen handelt es sich hier um eine kleine, fast märchenhafte Erzählung. Da gäbe es eventuell andere Probleme?!

  • Ich hatte mir für die Weihnachtszeit das Kurgeschichtenbändchen >Pearl S. Buck - Eine kleine Weihnachtsgeschichte und andere Erzählungen um die Heilige Nacht< zurechtgelegt und als Abschluß, für den heutigen 1. Weihnachtstag mir Adalbert Stifters "Der heilige Abend >Bergkristall< aufgehoben und gerade eben zu Ende gelesen.
    Ich war angenehm überrascht als ich sah das es jetzt eine brandneue Rezension zu der Geschichte gibt.


    Den ersten Teil der Geschichte fand ich ein klein bisschen langweilig (die Sache mit dem zweiten Schuster, wie sich die Eltern fanden etc.), aber ab der Stelle wo die Kinder sich von ihren Großeltern in Millsdorf verabschiedeten und sich auf den Nachhauseweg machten fand ich die Erzählung richtig gut.
    Die Beschreibung der Wanderung durch den immer stärker werdenden Schneefall, der Verirrung im Berg und besonders der Übernachtung unter dem Felsendach fand ich sehr gelungen und schön zu lesen.


    Alles in allem eine schöne, alte Weihnachtsgeschichte :thumleft:

  • 1853 wurde also die erste Version "Der heilige Abend" überarbeitet neu herausgegeben unter dem Titel "Bergkristall"? Hier verlinke ich eine der zahlreichen Ausgaben: