John Katzenbach - Der Professor / What Comes next

  • Die Diagnose ist niederschmetternd, gibt keinen Grund zur Hoffnung und bedeutet für Adrian Thomas eigentlich vor allem eines: er will sterben, seinem Leben ein Ende setzen. Wozu noch die Medikamente aus der Apotheke holen? Demenz. Das ist sein Todesurteil.
    Allein ist Adrian Thomas schon seit einiger Zeit. Alle Menschen, die ihm wirklich etwas bedeuteten, sind tot: seine Frau Cassie, sein Bruder Brian, sein Sohn Tommy. Jetzt weiß Adrian, warum ihm diese drei immer wieder erscheinen und er mit ihnen redet, als wären sie da – er wird einfach verrückt! Eine simple, aber schreckliche Erklärung.
    Doch auf seinem Weg nach Hause geschieht etwas, das Adrians Selbstmordpläne dann in den Hintergrund rückt: er sieht ein etwa sechzehnjähriges Mädchen auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Plötzlich fährt ein Lastwagen vor, und als dieser vorbeigefahren ist, ist das Mädchen verschwunden. Was ist passiert? Zunächst traut Adrian seinen Augen nicht und hält das Ganze für einen Streich, den ihm sein krankes Gehirn gespielt hat. Doch auf dem Gehweg liegt die Kappe, die das Mädchen getragen hat. Was ist geschehen?
    Adrian hat das Gefühl, er müsse die Verantwortung übernehmen und herausfinden, was wirklich passiert ist. Er hat ein ungutes Gefühl und er scheint der einzige Zeuge der Situation gewesen zu sein. Was, wenn das Mädchen ihn braucht? Und tatsächlich, auch wenn man ihn bei der Polizei zunächst nicht ernst nimmt, bald schon passt seine Beobachtung zu dem Verschwinden der sechzehnjährigen Jennifer und die Polizei ermittelt – genauso wie Adrian, der damit auch sich selbst beweisen will, dass er noch etwas leisten kann.
    Und Jennifer braucht sehr dringend und sehr schnell Hilfe, denn das Mädchen wird gefangen gehalten und Abonnenten aus aller Welt schauen sich ihr Leben in Gefangenschaft an – ein Leben, das nur zu bald schon vorbei sein wird, und es ist nicht auszudenken, was Jennifer noch erleben muss, bevor es vorbei ist…


    Insgesamt wirklich ein spannender Thriller, der mir sehr gut gefallen hat. Ich fand es interessant, wie Adrian in dem Fall ermittelt hat und vorgegangen ist. Er war mir von Anfang an sympathisch. Jennifer ist ebenfalls eine sehr spannende Figur, Katzenbach hat sie sehr glaubwürdig entwickelt und gerade die Kapitel, in denen ihre Geschichte erzählt wurde, fand ich sehr bedrückend, sodass ich am liebsten manchmal nicht weitergelesen hätte (andererseits möchte man natürlich unbedingt wissen, wie das Ganze ausgehen wird).
    Ebenfalls sehr gut fand ich es, dass Katzenbach immer wieder auch schildert, wie die Abonnenten Jennifers Gefangenschaft übers Internet verfolgen und wie grausam und fasziniert ihnen völlig zu entgehen scheint, dass es sich wirklich um einen Teenager handelt. Diese Szenen machen schon auch nachdenklich, ohne dass man jetzt das Gefühl hat, Katzenbach wolle seine Leser explizit auf die Abgründe des Internets aufmerksam machen (dies geschieht aber doch).
    Kritikpunkte gibt es aber auch, wenn auch kleinere: am Anfang waren mir Adrians Auseinandersetzungen mit seinen toten Angehörigen manchmal zu viel. Das hätte man kürzen können. Später, zum Showdown hin, ist mir Adrian dann manchmal dafür, dass er über siebzig und dement sein sollte, zu tough und zu gewieft erschienen. Trotzdem konnte ich das Buch gerade am Ende nicht mehr aus der Hand legen, weil es sehr spannend war.
    Die Grausamkeiten, die Katzenbach hier beschreibt, sind weitestgehend unblutig, dennoch ist „Der Professor“ einer der beklemmendsten Thriller, die ich in diesem Jahr gelesen habe, und Katzenbach zeigt menschliche Abgründe auf, in die man besser nicht hineingeschaut hätte.
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Danke für die tolle Rezi, ich habe mir das Buch gerade bei ebay ersteigert :-,

    Es geht uns mit Büchern wie mit den Menschen. Wir machen zwar viele Bekanntschaften, aber nur wenige erwählen wir zu unseren Freunden.

  • Danke für die Rezi, das klingt alles sehr interessant. Ich würde es allerdings lieber im Original lesen, wie lautet denn der Originaltitel?
    Ist das ein neues Buch von Katzenbach ? Soweit mir bekannt ist, wurden zum Teil ältere Bücher von ihm erst jetzt ins Deutsche übersetzt.

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Danke Strandläuferin, für die tolle Rezi! :thumright:

    Danke für die Rezi, das klingt alles sehr interessant. Ich würde es allerdings lieber im Original lesen, wie lautet denn der Originaltitel?
    Ist das ein neues Buch von Katzenbach ? Soweit mir bekannt ist, wurden zum Teil ältere Bücher von ihm erst jetzt ins Deutsche übersetzt.

    Der Originaltitel ist "What comes next", allerdings ist eine englische Version anscheinend noch nicht veröffentlicht, wenn ich mir mal seine Homepage so ansehe. :?: :!: Mal wieder äußerst seltsam...


    EDIT: Am 18. Oktober hat John Katzenbach auf seiner Facebook-Seite gepostet, dass er sich noch mitten in den Verhandlungen mit US-Publishern befindet. :roll:

    "The worth of a book is to be measured by what you can carry away from it."

    - James Bryce

  • Wie merkwürdig ist das denn? :scratch:

    "Outside of a dog, a book is man's best friend. Inside of a dog, it is too dark to read."
    - Groucho Marx

  • Wie merkwürdig ist das denn? :scratch:

    Sehr merkwürdig und erinnert mich gleich an DAS hier.


    Das Buch habe ich mir jedenfalls auch auf die Wunschliste gesetzt, die aus allen Nähten zu platzen droht im Moment. Ich habe bisher nur einen Katzenbach gelesen, der mir eigentlich gut gefallen hat. Ich bin bei dem Autor irgendwie vorsichtig geblieben, da es zu jedem seiner Bücher neben vielen positiven Meinungen auch eine Menge Verrisse gibt.

  • Wie merkwürdig ist das denn? :scratch:

    Allerdings!


    Der Originaltitel ist "What comes next", allerdings ist eine englische Version anscheinend noch nicht veröffentlicht,

    Dann werde ich eben noch auf die englischsprachige Ausgabe warten. Es ist ja nicht so, als wenn ich hier nichts mehr zu lesen hätte... :-,

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Habe noch knapp 50 Seiten vor mir und bin gespannt, wie es enden wird :bounce: :bounce: :bounce:

    Das kann ich verstehen...


    Kapo: Ich war bei Katzenbach aus denselben Gründen skeptisch, aber mir hat dieser Thriller hier wirklich ganz gut gefallen. Ich finde an ihm toll, dass er nicht so 0815 wie manch andere Thriller ist, es gibt durchaus Elemente, wie zum Beispiel Adrian Thomas, oder einige der Perspektiven der Zuschauer von whatcomesnext.com (auf der Jennifers Gefangenschaft übertragen wird), die sehr ungewöhnlich sind. Das hat mir sehr gut gefallen.

  • Die Inhaltsangabe zu John Katzenbach’s Psychothriller "Der Professor“ lässt in keiner Weise vermuten, welch beängstigende, wenn auch realitätsbezogene Richtung die Handlung einschlägt.
    Nachdem ein demenzkranker Psychologieprofessor mit krankheitsbedingten Wahnvorstellungen die vermeintliche Entführung eines 16-jährigen Mädchens beobachtet hat, kämpft er gegen die Auswirkungen der Krankheit und gegen Selbstzweifel um die eigene Glaubwürdigkeit und die Rettung der Gekidnappten.
    Die Geschichte beginnt vielversprechend und animiert durch relativ kurze Kapitel und einen geschickten Erzählaufbau zum Weiterlesen. Allerdings befindet sich der Leser recht bald in einem grausamen, äußerst beklemmenden Szenario, in dem zwar wenig körperliche, dafür um so mehr seelische Gewalt ausgeübt wird.
    Das Opfer wird von skrupellosen Psychopathen gefangen gehalten, die ein perverses Internet-Reality-Spiel betreiben. Schreckliche Abgründe des Internets tun sich auf. Der Leser nimmt an psychischer Folter hautnah teil und wird so zum Voyeur geschmackloser Perversionen, ähnlich den Konsumenten solch abartiger Publikationen. Meinem Verständnis von spannender Unterhaltung entspricht die Darstellung derartigen Nervenkitzels nicht.
    Seine Figuren perfekt zu zeichnen und deren psychischen Komponenten exakt herauszuarbeiten, beherrscht John Katzenbach unumstritten. Jedoch übertreibt er hier ab und an seine Beschreibungskunst und Detailverliebtheit und begibt sich in uninteressante Nebenstränge, die konstruiert und unwirklich sind. Ernstzunehmende Halluzinationen als Symptom einer schweren Erkrankung wie die der Demenz treten in Form von Geistern bzw. toten Verwandten auf, die zur Vergangenheitsbewältigung beitragen und in brenzligen Situationen zur Seite stehen.
    Nein!
    Ich hatte einen ausgeklügelten und logischen Thriller mit überraschenden Wendungen erwartet und bin enttäuscht worden. Von Anfang an ist die Linie zwischen Gut und Böse klar gesteckt und das Geschehen vorhersehbar. Es geht auf langen 555 Seiten einzig und allein um das Wie, das wiederum einige Ungereimtheiten beinhaltet und in einem völlig überzogenen Showdown endet.
    John Katzenbach hat sich in seinem neuen Buch an aktuelle und brisante Themen gewagt, deren Umsetzung meiner Meinung nach leider nicht gelungen ist.

  • Da unsere Bücherei das Buch jetzt angeschafft hat, habe ich es vorbestellt. Das ist dann der erste Katzenbach, den ich in der deutschen Übersetzung lese.

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Ich bin mir auch noch total unschlüssig, ob ich mir dieses Buch zulegen soll! Der Inhalt hört sich wahnsinnig spannend an, habe aber auch schon viele Rezies gelesen, die absolut gar nicht begeisternd waren... Vielleicht warte ich mal ne Zeit lang und versuche es dann irgendwo günstig gebraucht zu bekommen, dann ist wenigstens nicht viel verloren, falls es nichts ist...

  • Auch ich hatte ein wenig bedenken bei diesem Buch, gerade weil Herr Katzenbach die Lesergemeinschaft doch sehr spaltet, die einen lieben ihn, die anderen hassen ihn.


    Die Themen Entführung, Internet, Demenz fand ich schon mal sehr gut und spannend gewählt, deshalb bin ich auch auf dieses Buch aufmerksam geworden.


    Eins vornweg, Katzenbach hat meiner Meinung nach keinen einfach Schreibstil den man einfach mal so lesen kann, man sollte sich Zeit nehmen und sich voll und ganz auf dieses Buch einlassen können.


    Den Anfang fand ich sehr gut gewählt, Professor Adrian Thomas musste in seinem Leben schon einiges einstecken, noch dazu bekommt er die niederschmetternde Diagnose Demenz, da er nicht lange leiden möchte, er keinen „Tot auf Raten“ möchte, reift in ihm der Plan sich selbst das Leben zu nehmen, alles ist perfekt geplant, bis auf das er auf einmal eine grausige Entdeckung macht, vor seinen Augen wird die junge Jennifer entführt. Und so nimmt die Geschichte ihren Lauf. Man ist sofort in „dabei“, anfangs ist es evtl noch ein wenig verwirrend da oft die verstorbenen Angehörigen von Adrian sich mit ein beziehen, aber auch das hat man schnell im Griff.


    Ein rasantes Katz und Mausspiel was durchgehend eine gewissen Spannung haltet und nie eine große langweile aufkommen lässt.
    Man sollte sich allerdings vorher im Klaren sein das man von Anfang an weiß wer „gut“ und wer „böse“ ist, man einfach „nur“ den Weg zur Auflösung begleitet.


    Was ich dagegen nicht wirklich gelungen fand,


    Ein guter Thriller, aber ein wirklich „muss“ Buch ist es meiner Meinung nach nicht bzw. man kann gut bis zur Taschenbuchausgabe warten, denn fast 20 Euro find ich zuviel dafür.

    Es geht uns mit Büchern wie mit den Menschen. Wir machen zwar viele Bekanntschaften, aber nur wenige erwählen wir zu unseren Freunden.

  • Ich bin zwar noch nicht mit diesem Buch fertig, muss aber jetzt schon mal meiner Begeisterung Ausdruck verleihen. Dieser auf subtiler Spannung aufgebaute Krimi fesselt mich derart, dass ich kaum noch von meiner Leseecke wegkomme. :study: :thumleft:


    Eins vornweg, Katzenbach hat meiner Meinung nach keinen einfach Schreibstil den man einfach mal so lesen kann, man sollte sich Zeit nehmen und sich voll und ganz auf dieses Buch einlassen können.

    Das finde ich nun gar nicht. Den Schreibstil finde ich sehr fesselnd soeir flüssig zu lesen und ich habe auch kein Problem, mich zwischen der Realität und Adrians Halluzinationen zu orientieren.

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    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Danke für eure Rezi`s.Bei Katzenbach weiss ich nie, soll ich mir es holen oder nicht.Vielleicht nehme ich von Audible.de die ungekürzte HB-Ausgabe :scratch:

  • Heute habe ich "Der Professor" beendet und war bis zum Ende begeistert von diesem Buch.
    Zum Ende hin gingen mir die Kräfte des Professors dann etwas zu sehr ins Übermenschliche, was nicht mehr glaubwürdig war, aber von diesem typisch thrillermäßigen Showdown abgesehen, finde ich das Buch einfach genial.


    Die Handlung um den demenzkranken Professor finde ich sehr interessant, sie verleitet außerdem zu weiteren Recherchen, da es sich ja wohl um eine spezielle Form von Demenz handelt, die sich deutlich von Alzheimer (im Vergleich mit den Symptomen bei der alten Rose Wolfe) unterscheidet. Die Halluzinationen von Adrian sind meiner Meinung nach nicht störend oder verwirrend, als nicht-dementer Leser habe ich nie den Überblick über Reales und Irreales verloren. Zudem erklären die durch die Halluzinationen vermittelten Informationen über Adrians Vergangenheit für mich auch, warum er sich so sehr für Jennifer engagiert.


    Die Handlung um Jennifer ist absolut beklemmend und sehr intensiv dargestellt, obwohl oder gerade weil keine Brutalitäten vorgeführt werden, sondern eine sehr subtile Spannung erzeugt wird. Noch erschreckender als die seelenlosen Psychopathen, die Jennifer gefangenhalten, sind die Tausende Abonnenten weltweit, die sich gegen eine hohe Gebühr an ihren Ängsten und Qualen weiden. Man würde das gern in den Bereich der Fiktion verweisen, aber in einer Zeit, in der sich selbst die "harmloseren" Fernsehzuschauer mit Programmen wie "Big Brother", "Dschungelcamp" die Zeit vertreiben, ist es leider nur allzu glaubwürdig, dass ein solches Szenario sich jederzeit ereignen könnte...
    Die Schattenseiten des Internets und die zunehmende Wandlung der Menschen in Exhibitionisten und Voyeure werden jedenfalls sehr deutlich gemacht.
    Über die Bücher von Katzenbach herrschen immer ziemlich kontroverse Meinungen, ich finde dieses Buch äußerst lesenswert. :thumleft:
    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb:

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  • Diese Frage stellen sich weltweit all die perversen Spanner vor ihren Computermonitoren, die für die „Show“ mit Nummer 4 unheimlich viel Geld ausgeben und damit die Betreiber der Website whatcomesnext.com zu reichen Leuten machen…


    Ein neues Buch von John Katzenbach


    Und wieder dufte ich testlesen. In meinem Lieblingsbücherforum wurden 25 Freiexemplare für eine Testleserunde ausgeschrieben. Aufgrund einer Vorliebe für den Autor bewarb ich mich und zähle zu den glücklichen Gewinnern.


    Der 1950 in Princeton, New Jersey geborene John Katzenbach ist mir als ein Autor von Psychothrillern bekannt, der seinen Lesern abstruseste Einblicke in die finstersten Ecken menschlichen Denkens gewährt.


    Nach „Der Patient“, „Die Anstalt“, „Der Sumpf“ und „Das Opfer“ hatte ich mir eine rund zweijährige Pause von den Werken des Mannes gegönnt, der durch seine Mutter, einer praktizierenden Analytikerin, schon sehr früh mit der Psychoanalyse vertraut gemacht wurde. Einen Großteil seines Wissens über Verbrechen und Strafe erwarb Katzenbach sich bei seiner Arbeit als Gerichtsreporter.


    In meinem Stapel ungelesener Bücher befinden sich seit geraumer Zeit auch noch „Der Fotograf“ und „Das Rätsel“. Obwohl ich die Werke mit der besonderen Mischung aus gründlicher Recherche und fundierter psychologischer Analyse von Täter und Motiv, die als Markenzeichen des Autors gelten, doch sehr gern lese, brauche ich immer wieder längere Abstände zwischen seinen Büchern. Kürzlich verspürte ich jedoch wieder Lust auf die finsteren Ecken des Bösen. Dazu wollte ich mir sogar schon „Das Rätsel“ vornehmen. Nun gab ich natürlich dem Freiexemplar


    „Der Professor“


    erst mal den Vorzug. Wie bei allen gebundenen Ausgaben, entfernte ich auch hier vor Lesebeginn den Schutzumschlag und legte ihn sicher zur Seite. Nicht jedoch ohne mir vorher die bedruckte Innenseite zu Gemüte zu führen, auf der ein Interview mit dem Autor zu finden ist. So erfuhr ich, dass die Idee der Hauptfigur des Professors schon einen realen Hintergrund im Leben des Autors hat, alles weitere jedoch nichts als Fiktion ist.


    Der Klappentext,


    „Der pensionierte Psychologieprofessor Adrian Thomas bekommt von seinem Arzt eine niederschmetternde Diagnose: Demenz. Damit haben sich seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Vor seinem inneren Auge erscheint die Schreckensvision seines unaufhaltsamen, unheilbaren Abgleitens in die Dunkelheit. Verstört blickt der alte Mann auf die Straße hinaus und sieht in der anbrechenden Dämmerung ein vielleicht sechzehnjähriges Mädchen vorübereilen. Gleichzeitig rollt ein Lieferwagen heran, bremst ab und beschleunigt wieder: Das Mädchen ist verschwunden. Der alte Professor ist verwirrt. Hat er gerade eine Entführung beobachtet? Wenn es tatsächlich ein Verbrechen war, muss er handeln. Die Frage ist nur, wie. Kann er noch klar genug denken, um das Mädchen zu finden?“


    klang für mich schon im Vorfeld sehr interessant. Von einer demenzkranken Hauptfigur, die ein Verbrechen aufklären möchte, hatte ich, soweit ich mich erinnern kann, noch nichts gelesen. Ich war gespannt, was mich in dem Buch alles erwartet. Hat der Professor wirklich ein Verbrechen beobachtet oder geschieht das alles nur in seinem, durch die Krankheit verwirrten, Kopf?


    So ließ ich mich auf die Geschichte ein und lernte zu Beginn des Buches erst einmal die Protagonisten kennen lernen.


    Prof. Adrian Thomas
    ist Psychologieprofessor im Ruhestand. Adrian ahnte schon vor der niederschmetternden Diagnose, was mit ihm passiert. Gern würde er das Wissen um die Krankheit und deren unausweichlichen Verlauf zum Anlass nehmen, seinem in den letzten Jahren von Einsamkeit geprägten Leben, ein Ende zu setzen. Doch das, was er beobachtet hat, lässt ihm keine Ruhe. Sein Gewissen meldet sich in Form von Halluzinationen, Gespräche, die er mit seinen verlorenen Lieben führt, immer wieder zurück.


    Jennifer Riggins
    unternimmt bereits den dritten Versuch, von zu Hause weg zu laufen. Sie ist eine 16-jährige Schülerin, die noch immer unter dem frühen Krebstod des Vaters leidet und sich nicht damit abfinden kann, dass ihre Mutter eine neue Beziehung mit dem Psychologen Dr. Scott West führt. Dr. West scheint sich in der Vergangenheit dem Mädchen nicht nur in der Art eines Ersatzvaters genähert zu haben, was die Mutter wiederum nicht sehen will. Doch all das wird für das Mädchen in der Situation, in der sie sich kurze Zeit später befindet nebensächlich. Was sie erleben muss, ist schlimmer als alle Gründe, die sie zum Weglaufen bewogen haben. Sie kämpft einzig und allein ums Überleben.


    Detective Terrie Collins
    wird erneut mit der Vermisstensache Jennifer Riggs betraut, kann das Mädchen aber diesmal, im Gegensatz zum vorherigen Mal, nicht aufspüren. Für ihre Karriere als Polizistin hat die alleinerziehende Mutter, die dem Joch einer von Gewalt geprägten Ehe entflohen ist, hart gearbeitet. Eine Zusammenarbeit mit Adrian würde jeder Regel der Ermittlungsarbeit widersprechen.


    Linda und Michael
    sind ein hochintelligentes und geschäftstüchtiges Paar. Doch eine normale Profession und Beziehung reichen ihnen nicht aus. Denn ihre Stimulation ziehen sie aus Perversionen. Sie setzen ihre Phantasien in die Tat um und sehen sich dabei auch noch als Künstler, die ihr Werk Bewunderern präsentieren müssen und damit auch viel Geld verdienen wollen. Jennifer ist nicht das erste Opfer, das sie auf ihrer Website gegen viel Geld präsentieren.


    Spannende Lektüre


    Mit seinem detailreichen und trotzdem flüssigen Schreibstil verstand es der Autor, mich von Beginn an, an sein Werk zu fesseln. Seine gut recherchierten Aussagen, z. B. zu der Krankheit des sympathischen Professors machen die Halluzinationen, in denen er mit seinen toten Verwandten spricht, real und sehr menschlich. Gleichzeitig wird mir damit die Lebensgeschichte des Protagonisten, vergangene Freuden und großes Leid, ohne Längen präsentiert, die in normaler Erzählperspektive vielleicht nicht zu vermeiden gewesen wären. Ganz ähnlich handhabt Katzenbach das auch mit den anderen Charakteren. Situationsbezogen geben diese immer mehr und mehr von sich preis.


    Ungewöhnlich ist, dass mir neben dem Opfer und dem Zeugen, auch die Täter fast von Anfang an bekannt sind. Das gleichmäßige Halten der Spannung gelingt dem Autor hier, weil er mir ein mehr an Informationen gibt, die den Ermittlern, die Jennifer finden wollen fehlen und ich ihnen eigentlich ständig zurufen möchte, schaut dort. Außerdem baut er regelmäßig Szenenwechsel an Stellen ein, wo ich gern noch weitergelesen hätte und mich aber bis zum nächsten Wechsel dorthin gedulden muss.


    Das Kranke hinter dem Verbrechen an Jennifer verdeutlicht der Autor zusätzlich durch unregelmäßige Einschübe der Gedanken von diversen Usern, stellvertretend für alle Perversen die so etwas konsumieren, weltweit. Auch hier lese ich fassungslos immer weiter. Gleichzeitig wünschte ich mir, dass einer von denen mal Mitgefühl mit dem Mädchen entwickelt und ihr irgendwie zu Hilfe kommt.


    Neben Adrian ist das Mädchen Jennifer eindeutig die Figur, die ich in dem Roman am meisten mochte. Die ich in ihrer Verletzlichkeit gern schützen wollte und die ich gleichzeitig für ihre Kämpfernatur bewunderte. Die Gedankengänge des psychiatrischen Paares dagegen ekelten mich mehr und mehr an und ich wünschte ihnen die Pest an den Hals.


    Die gesamte Lesezeit über fiel es mir nicht leicht, das Buch überhaupt aus der Hand zu legen. Die kurz gehaltenen Kapitel boten dahingehend Vor- und Nachteile. So konnte man für eine lästige Pflicht im Haushalt das Kapitel wenigstens noch zu Ende lesen. Es verführte jedoch z. B. vor dem Schlafen (als werktätiger Mensch sollte man ja früh für die Arbeit fit sein) auch, schnell noch ein weiteres Kapitel anzuhängen.


    Der temporeiche Showdown, bei dem auch die bis auf wenige Ansätze eher blass gebliebene Polizisten noch einmal eine Rolle spielte, fiel bei mir dann glücklicherweise auf einen dienstfreien Freitagabend. Jede Störung meines Leseflusses von außen, hätte ich wohl mit, für den Störer unerwarteter, Boshaftigkeit quittiert.


    Im Epilog lässt der Autor dann seine Geschichte noch friedlich-traurig ausklingen. Stoff für ein letztes Nachdenken, ich persönlich sehe nichts Falsches darin.


    Obwohl ein großer Teil der von John Katzenbach erzählten Geschichte meilenweit von mir weg ist, ist vieles auch sehr nah und leider überhaupt nicht realitätsfern. Diese Dinge hallen nach.


    "Der Professor" ist für mich ein Meisterwerk des Psychothrills, welches ich Freunden des Genres hundertprozentig weiter empfehle.


    Ihr wollt kurz reinlesen?


    Eine vom Verlag bereitgestellte Leseprobe findet Ihr hier:
    http://www.droemer-knaur.de/li…-3-426-19824-7/index.html



    Übersetzung: Anke und Eberhard Kreutzer


    560 Seiten

  • Ich weiß nicht, ob es daran lag, dass ich ein zweites Buch parallel zu "Der Professor" gelesen habe, aber ich hatte den Eindruck, dass sich das Buch enorm zieht, fast bis zum Schluss. Der hingegen hat mir ziemlich gut gefallen.
    Auch wenn


    Aber trotzdem reisst das Ende hier meiner Meinung nach viel raus, ich fand auch die letzten Seiten sehr gelungen.

  • Ein klasse Thriller, der absolut lesenswert ist. Leider hats sich meiner Auffassung nach, die Mitte etwas gezogen, aber das leider viel zu dramatische Ende ;) hat wieder alles wett gemacht. Daneben merkt man, wenn man mit dementen Menschen arbeitet, dass Katzenbach sehr intensiv recherchiert haben muss. Dafür eine Top-Bewertung!:)

    "Ein Meisterwerk kann man auch schreiben, ohne tausend Seiten zu schwärzen"