• " Am Himmel standen zwei Monde. Ein großer und ein kleiner. Nebeneinander. Der große war der ihr vertraute gute alte Mond. Er war fast voll und gelb. Aber neben ihm befand sich ein weiterer Mond, der ihr ganz und gar nicht vertraut war." (Klappentext)


    Haruki Murakamis Roman spinnt die Handlung um zwei Hauptpersonen. Zum Einen ist da Aomame, eine allein lebende Frau, die in einem Sportstudio arbeitet und über außergewöhnliche Fähigkeiten verfügt. Sie verbirgt ein Geheimnis, das der Leser bald mit ihr teilt, dessen Bedeutung aber erst nach und nach klar wird.
    Zum Anderen ist da Tengo, ein als Teilzeitmathematiklehrer arbeitender Mann, der beginnt als Schriftsteller zu arbeiten. Über diese Tätigkeit und den Herausgeber einer Kunst- und Literaturzeitschrift, Herrn Komatsu, wird Tengo in einen Strudel von (teilweise surrealen) Ereignisssen hineingezogen, der ihn auch immer näher an Aomame heranführt.


    Meine Meinung:
    Haruki Murakamis Roman "1Q84" hat mich von der ersten Seite an in seinen Bann gezogen. Die Handlungsstränge der einzelnen Personen führen aufeinander zu, verweben sich zu einer mystischen Welt, in der nachvollziehbare, reale Dinge genau so einen Platz haben, wie surreale, unglaubliche Dinge. Erinnerungen der Hauptpersonen geben Erklärungen für deren Handeln, haben mich mitfühlen und verstehen lassen. Ich konnte so in diesen Roman "eintauchen", dass ich, nach dem ich ihn spätabends fertiggelesen habe, erst einmal aufgestanden bin, um nachzuschauen, ob nicht zwei Monde am Himmel stehen.
    Murakamis unnachahmliche Art, diese Mischung von Realität und Surrealtität, macht auch diesen Roman zu etwas Besonderem. Wem "Kafka am Strand" gefallen hat, der kommt auch an "1Q84" nicht vorbei!

  • Eine sehr schöne Rezi!
    Ich habe mir die ersten 40(?) Seiten durchgelesen, da man diese als eMail erhalten konnte und war schon sehr gefesselt. Leider habe ich für Hardcover kein Geld und werde wohl bis zur Taschenbuchausgabe warten müssen :(

    Um zu verstehen, warum manche überall ihren Senf dazugeben, musst Du lernen, wie eine Bratwurst zu denken.

  • Leider habe ich für Hardcover kein Geld und werde wohl bis zur Taschenbuchausgabe warten müssen :(

    Meinst Du nicht, dass jede Bücherei das anschafft?

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Meinst Du nicht, dass jede Bücherei das anschafft?


    Ich bin ein Sammler und Jäger... Ich leihe keine Bücher ;)
    Das Problem ist einfach auch, dass ich Bücher nicht nur zu Hause lese, sondern auch während der Mittagspause, in der Bahn oder sonstwo... Und gerade in der Mittagspause passieren mir ab und an mal Missgeschicke, die ich einem geliehenem Buch nicht antun möchte :pale:

    Um zu verstehen, warum manche überall ihren Senf dazugeben, musst Du lernen, wie eine Bratwurst zu denken.

  • Danke für die Rezi, Morgensternchen!
    Es war für mich sonnenklar (um am Himmel zu bleiben), dass ich bei Murakami nicht auf das Taschenbuch warten kann!
    Seit ich deine Beurteilung gelesen habe, eilt es aber noch mehr...
    Ich werde mich melden, wenn ich es gelesen habe!
    :winken: Cheriechen

    "Wie wenig du gelesen hast, wie wenig du kennst - aber vom Zufall des Gelesenen hängt es ab, was du bist." Elias Canetti

  • Na endlich ein neuer Murakami. Seit dem Frühjahr habe ich mich darauf gefreut und ihn mir dann seit seinem Erscheinen Anfang Oktober aufgespart für den Urlaub. Doch dann brach der Vulkan Merapi aus und damit verrauchte meine Reise nach Java in den giftigen Aschewolken. Aber mit einem neuen - dazu sehr dicken - Murakami kann man überall Urlaub machen, so unnachahmlich zieht er eine Leserin in ferne Welten...auch auf der heimischen Couch.


    Im Vorfeld bereits wurde 1Q84 als ein Opus Magnum bezeichnet, und schon diese hyperventilierende Behauptung hat mich eher abgeschreckt denn angezogen. Gar nicht anziehend ist dazumal der hässliche Einband und der freche (um nicht "unverschämt" zu sagen) Preis des Dumont Verlags. So ich es verstanden habe, stellt das nun vorliegende Buch die Bände 1 + 2 einer auf 4 Bände gross angelegten Geschichte dar. Wann die Bände 3 + 4 erscheinen oder zumindest angekündigt sind, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Hoffentlich lässt sich Murakami nicht wieder 5 Jahre Zeit, wie seit Afterdark.


    Mit einer Inhaltsangabe will ich mich nicht aufhalten, die geneigte Leserin findet sie leicht an anderer Stelle. Aber soviel: ja, die Handlung spielt im Jahr 1984, und weil im japanischen das Q ähnlich der 9 ausgesprochen wird, ist der Bezug zu Orwells (etwas vergessenem) Klassiker absolut gewollt. Oberflächliche oder direkte Berührungspunkte finden sich dann aber eher nicht, es tut also nicht Not, wenn man die Orwell´sche Parabel nicht gelesen hat.


    Nicht schaden dürfte es aber, bereits einige Bekanntschaft mit Murakamis Werk gemnacht zu haben. Denn egal ob seine "realistischeren" Liebesromane (ich vereinfache hier einfach einmal) oder seine "phantastischen" Bücher, beides findet sich aller Orts in typischer Murakami´esker Form wieder. Wieder begleiten wir beinahe zeitlose dreissigjährige, orientierungs- und bindungslose Protagonisten, deren körperliche "Besonderheiten" ein ums andere Mal geschildert weren, seien es unregelmäßig grosse Ohren und Brüste, oder schöne Hände und grosser kräftiger Körperbau. Wieder findet lustvoll die ausschließlich westliche Kunst- und Kulturgeschichte Erwähnung. Von Bach über Louis Armstrong bis zu den Stones, mit Dickens, Tschechow (sehr schön: "Außerdem ist Tschechow ein Autor, auf den man sich verlassen kann.", S. 570) und besagterm Orwell. Der Zubereitung und der Zusammenstellung von Essen wird ebenso typisch etwas Raum eingeräumt wie historischen Verweisen, diesmal auf die Diskriminierung der Koreaner und die japanische Besiedlung der Madschurei und der dortigen Eisenbahngesellschaft, was natürlich an Mister Aufziehvogel erinnert. Auch den Romanaufbau hat Murakami, nämlich in Hard-Boiled Wonderland, bereits genutzt: nämlich in scheinbar 2 nebeneinander unterschiedlichen, sich aber nach und nach mehr verbindenden Handlungssträngen zu erzählen. Eine besondere - und mich manchmal ärgernde - Marotte von Murakami ist es auch hier wieder nahezu alle Nebenfiguren ausgiebig aus der (An-)Sicht des Hauptprotagonisten zu charakterisieren, der Leserin quasi die Chance zu verwehren, sich eine eigene Vorstellung zu machen. Personen wie Komatsu, Tamaru, der Sensei Ebisuno und die 10 Jahre ältere Geliebte von Tengo lernen wir aus den Augen der Helden kennen und beschreiben. Kaum verwunderlich, dass sich ihre Spuren im Laufe der Geschichte einfach verlieren. Sie verschwinden einfach, haben ja ihre "Pflicht" getan, können abtreten.



    Der Roman ist unfassbar schlampig konstruiert. Einem Neuling hätte jeder Lektor das Manuskript um die Ohren gehauen, so schludrig und beliebig wie ein Groschenroman kommt es daher. Weite Teile erinnert der Aufbau an Zeitungsromane oder TV-Fortsetzungsserien, wo jedes einzelne Kapitel einer Climax entgegensteuern , dabei aber regelmäßig eine Zusammenfassung des bisher Geschehenen erfolgen muss - gut vielleicht für langsame Leserinnen, enervierend für mich. Zumindest während zweier Drittel werden auch teils saftige (und nicht immer unfreiwillig (?) komische) Sexszenen eingestreut, für die eigentliche Handlung spielen sie dabei keine Rolle und werden bemüht zur Charakterisierung der Helden herangezogen. Einige mit Überraschung oder Spannung aufgebaute "Geheimnisse" - das Verschwinden von Tsubasa und das der Sexgespielin von Tengo oder der Hintergrund der Stiftung zur Förderung der neuen japanischen Wissenschaften und Künste - bleiben nicht nur ungelöst sondern finden keine Erwähnung mehr. Und unverzeihlich: nach der langen Einleitung, nach 300 oder 400 Seiten, treten Handlung und Personen auf der Stelle. Will sagen: alles das hätte gut und gerne um die Häfte gekürzt werden müssen, MÜSSEN.

    Aber wäre es dann noch ein Murakami?


    Tatsächlich, trotz vieler Mängel, einer wirklich sehr sehr schlichten Sprache und ca. 50 offener Handlungsstränge funktioniert dieses Werk wieder als ein echter Haruki Murakami: fesselt, verzaubert, zieht einen hinfort in fremde und dabei so nahe Dimensionen, Unwahrscheinlich- und Absonderlichkeiten... Und ich bin unterdessen der festen Überzeugung: das alles funktioniert nicht OBWOHL sondern WEIL er alle diese vermeintlichen Mängel hat. Weitläufigkeit, übertriebene Alltagsdetailverliebtheit, Durchhänger, Pseudorätsel und weiß der Deibel - das alles kriegt nur Murakami so faszinierend und Seiten fressend und Phantasie anregend hin. Jede Zeile kann wichtig werden, kann in ungeahnte Gefilde führen und neue Welten aufstossen. Und deshalb lassen wir uns nix entgehen und folgen dem Geschehen atemlos und auf der Hut wie bei einer gefährlichen Jagd. Dabei werden wir oft, aber eben nicht immer enttäuscht. Und das ist der Reiz. Aus einer Vielzahl an - häufig beiläufigen - Informationen dem Grossen und Ganzen auf der Spur bleiben und den kleinen unscheinben Wegen einen tieferen Sinn abgewinnen, einer Aussage, einer Erfahrung, Lebensweisheit und einem neuen abrwitzigen Twist. Und dabei teilt man nur allzu häufig den Gemütszustand des Helden: "Keine Ahnung zu haben war für ihn der Normalzustand. Es war keine nennenswerte Neuentdeckung." (Seite 542) Herrlich!


    Wir folgen dem Rattenkönig Murakami wie die besagten Tierchen im Wissen um seine Taschenspielertricks und verlangen nach ihnen wie die Wüste nach Regen. Und erleben/-leiden wieder eine Generationen übergreifende, magische aber auch unerfüllte - oder nicht? - Liebe und eine nicht definierbare Parallelwelt. Da gibt er uns die ganze, bisweiligen verhuschte. Kraft seiner Imagination mit auf den Weg - ja, wer seinem merkwürdigen Flötenspiel folgen möchte, sich darin zu verlieren sucht, wird von ihm wieder einmal in ein unbekanntes Etwas geführt.


    Und was ich seit jeher an diesem Stil mag sind die Abschweifungen, manchmal mit der kristallenen Tiefe eines Bergsees: "Die Spinnen kannten keine Zweifel, keine Verzweiflung und keine Reue.. Metaphysische Fragen und moralische Bedenken waren ihnen wahrscheinlich fremd." (S. 55). Ich liebe es, wenn inmitten einer vermeintlich bedeutungsschweren Situation der Held/die Heldin nahezu aberwitzige Weisheit erlangt: "Bei der Unabwägbarkeit seines Daseins konnte man nie wissen, was wann passieren würde. Mit dem häufigen Waschen von Schlafanzügen ließ sich zumindest eine gewisse Vorsorge treffen." (S. 821)


    Man möge aber meinen kleinen Text nicht falsch verstehen - das ist kein lustiges Buch! Beinahe würde ich eher sogar zu dem Urteil gelangen, es ist ein asgesprochen düsteres Werk geworden.


    Die Deutungsversuche mögen die Sternenmenge am Firmament übersteigen, aber sicher ist in jedem Fall:
    Diese Geschichte ist überschattet von Gewalt und Einsamkeit. Wie immer bei Murakami sind die Protagonisten quasi familienlos, haben sich nach Jahren der - auch sexuellen! - Unterdrückung losgesagt, oder zweifeln gar gleich ganz an der eigenen offiziellen Familiengeschichte, vergleichbar des 13jährigen Helden bei Kafka am Strand. An den Narben, die so eine erlittene Kindheit mit sich bringt, leiden sie noch immer, suchen nach deren Überwindung und igeln sich physisch und psychisch ein. Eine weitere, unterschwellige, Form der Gewalt wird dem natürlichen Lebensraum des Menschen angetan. Mehrmals gibt es Hinweise darauf, wie seelenlos und daseinsunwürdig die Städte - Ziel und Verheissung des modernen Lebens - geworden sind. Bezeichnend dafür die Beschreibungen unendlicher Staus auf den Strassen und die Abgestumpftheit der Passagiere. Echter Natur, und damit dem Meer und einem kleinen Kiefernwald ist man nur noch während des eigenen Dahinsiechens "ausgesetzt" (Tengos Vater). Gewalt ist allgegenwärtig: vom Ehemann zur Ehefrau, dem Vater zum Kind und der religiös-politischen Bewegung zum Staat. In letzterer Passage knüpft Murakami ein deutlich erkennbares Band zur Sekte Aum Shinrikyo, der er sich in Undergrundkrieg bereits widmete. Nichts Geringeres als die Weltherrschaft einer dubiosen, gesichtslosen Bande (Bush jr., Cheney?) deutet sich gegen Ende dieses Buches an - wahrlich keine Lachsalven erzeugende Aussicht...



    Angeblich soll Murakami ja unterdessen sogar Nobelpreisanwärter sein, erhalten hat er ihn dieses Jahr aber nicht. Wundern täte es mich nicht, die Jury ist oft mutiger und munterer als erwartet (zur Erinnerung: Dario Fó) - und Murakami bietet genug Tiefe in seiner vermeintlichen verspielten Oberflächlichkeit, die zum Nachdenken über Weltzustände und eigene persönliche Katastrophen anregt. Und so ganz nebenbei ist er ein unglaublich grossartiger Geschichtenerzähler und Phantast!


    Deshalb meine Bitte an ihn: möge er sich seiner eigenen Worte erinnern und in Umkehr derer alsbald für Nachschub sorgen: "Freigebigkeit war eine Eigenschaft, an der auf dieser Welt ein (chronischer) Mangel herrschte." (Seite 695)


    *** zai jian ***

    Es gibt keine grössere Einsamkeit als die des Samurai. Es sei denn die des Tigers im Dschungel

  • Jipieh, ich habe ihn :lechz: Werde umgehend beginnen...

    Wann die Bände 3 + 4 erscheinen oder zumindest angekündigt sind, konnte ich nicht in Erfahrung bringen.

    Von der Buchhändlerin meines Vertrauens habe ich erfahren, der nächste Band würde Herbst 2011 erwartet, ob damit 3 u 4 gemeint sind??

    "Wie wenig du gelesen hast, wie wenig du kennst - aber vom Zufall des Gelesenen hängt es ab, was du bist." Elias Canetti

  • So, ich habe ihn gelesen!
    Vorneweg erst mal ein dickes Dankeschön an Thraka für die wirklich sehr detaillierte und überlegte Rezension! :pray:



    Und dann direkt Widerspruch:

    Gar nicht anziehend ist dazumal der hässliche Einband

    Ist wohl Geschmacksache! Mir gefällt er irre gut, meiner 15jährigen Tochter auch. Auch zur unterkühlten Thematik fand ich ihn total passend u einfach mal - anders...!


    Und dann:
    Zuerst einmal, bevor ich über Thrakas Kritikpunkte nachdenken kann:
    Es war wieder einmal pure Faszination, Atemlosigkeit und gespannte Unterhaltung der Extraklasse, wie auch immer Herr Murakami es anstellt, mit welchen (vielleicht hat Thraka da Recht?) eventuell sogar "miesen" Tricks er da arbeitet, ER KANN ES EINFACH! :cheers:



    Fulminant ist schon der Einstieg in die Geschichte. Die weibliche Hauptperson, die aufgepimpt im Taxi zu einem "Auftrag" unterwegs ist u im Stau steckenbleibt, hört im Autoradio die Sinfonietta von Janacek. Dies wird so eindringlich geschildert, dass ich schnell mal reinhören musste...
    Fortan folgte ich gebannt den zwei Handlungssträngen, die sich wie in einem ungeheuren Sog immer mehr aufeinander los bewegen.
    Aomame, die Fitnesstrainerin/Physiotherapeutin, die im Nebenjob

    ist.
    Sie ist als Kind von Zeugen Jehovas aufgewachsen, hat sehr darunter gelitten u ist dem elterlichen Einfluss komplett entflohen.
    Abwechselnd immer mit einem Kapitel über Tengo, dem bei Murakami so klassischen,sympathischen, relativ unmotivierten durchschnittlichen Antihelden, der sich aber redlich bemüht durchs Leben zu kommen.

    Wieder findet lustvoll die ausschließlich westliche Kunst- und Kulturgeschichte Erwähnung.

    So ist es! Tcheschov, die Bibel, Jazzplatten bis in letzte Detail, ... einziges asiatisches Feeling: Wenn Tengo (die männliche Hauptperson) abends kocht, gibt es Misosuppe etc.


    Da es sich um einen Roman handelt, der auch das Verfassen eines Romanes beschreibt, findet man viele Seitenhiebe auf Praktiken in der Literaturszene, amüsant auch das Fachsimpeln über Stilmittel u Tricks.

    das ist kein lustiges Buch! Beinahe würde ich eher sogar zu dem Urteil gelangen, es ist ein asgesprochen düsteres Werk geworden.

    Auch hier stimme ich zu. Es ist sehr lange her, dass ich George Orwells "1984" gelesen habe. Aber wenn ich versuche, mich an mein damaliges Lesegefühl zu erinnern, habe ich eine ähnliche Beklemmung empfunden. :scratch: Vielleicht sollte ich es mal wieder hervorkramen jetzt...?
    Dennoch ist auch Versöhnliches, Tröstliches im Buch zu finden. Und leise schwingt die Botschaft mit: Menschliche Wärme, die Liebe, das ist das Einzige, was uns retten kann (vor den "Little People" wer immer sie sein mögen).


    Auf dem hinteren Buchdeckel findet sich ein Zitat aus "The Japan Times":
    "Murakamis Werke sind für das Verständnis der modernen Welt immer wichtiger geworden, und hier ist sein Können größer als je zuvor."


    Darüber grübele ich nun. Ist die moderne (japanische/nicht-japanische) Welt so leer und einsam oder droht sie es tatsächlich zu werden?


    Und zweitens: Ist 1Q84 wirklich sein bestes Buch? Da würde mich eure Meinung auch brennend interessieren!
    Ich habe schnell mal nachgeblättert in meinen Aufzeichnungen zu "Kafka am Strand" und kam eher zu dem Schluss, dass ich hier nicht entscheiden könnte oder möchte was besser oder schlechter ist.
    Vielmehr fiel mir auf, dass das Werk Murakamis vielleicht eher als Ganzes gesehen werden muss.
    Immer wieder sind seine Themen doch Fragen wie:
    - Was ist das "Ich"?
    - Wie viele Dimensionen hat die Identität?
    - Was ist Realität, wie viele Realitäten gibt es, wo hat Realität Risse, Sprünge, Verschiebungen?
    - Was ist Wahrheit, wie viele Wahrheiten gibt es?
    - Wie unterscheidet sich Wahrnehmung von Vorstellung, wo fließt alles ineinander und verselbstständigt sich?


    Fazit: Ich bin süchtig! Möge der nächste Band wieder 29 € kosten, seis drum! Ich kaufe mir ja keine Cosmopolitan, was ich da spare übers Jahr!! :wink:

    "Wie wenig du gelesen hast, wie wenig du kennst - aber vom Zufall des Gelesenen hängt es ab, was du bist." Elias Canetti

  • Fazit: Ich bin süchtig! Möge der nächste Band wieder 29 € kosten, seis drum!

    Zuerst einmal, Danke thraka für die detaillierte und tiefgreifende Rezi und danke cheriechen für den überlegten Widerspruch.
    Da ich (Asche auf mein Haupt) noch nie einen Roman von Murakami gelesen habe, habe ich mir nun, nach euren interessanten
    Ausführungen, diesen Roman als Einstieg ausgesucht.
    Da ich mir, als Pendant zu cheriechens Aussage, keine >Mens Health< kaufe, dürften die 28 Euro aufzutreiben sein. :loool:


    lg taliesin :winken:

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

    :study: Matt Ruff - Ich und die anderen

  • Da ich mir, als Pendant zu cheriechens Aussage, keine >Mens Health< kaufe, dürften die 28 Euro aufzutreiben sein. :loool:


    :shock: Ich wäre ja die ideale "Drogenberaterin" :totlach: !
    Aber ich will zu meiner Verantwortung stehen: Ich kenne dich nicht so gut oder so lange taliesin, aber es würde mich wundern, wenn Murakami dir nicht gefallen würde ...
    Bin sehr gespannt auf dein Urteil! :study:
    :winken:

    "Wie wenig du gelesen hast, wie wenig du kennst - aber vom Zufall des Gelesenen hängt es ab, was du bist." Elias Canetti

  • Habe mir das Buch zu Weihnachten gewünscht und hoffe das ich es bekomme. Mein Geldbeutel war leider mit dem Preis nicht einverstanden als es rauskam und habe es deswegen an meine Eltern weitergleitet. O:-)
    Hoffe es bald lesen zu können. Ich habe bis jetzt alle Bücher von Murakami verschlungen. :flower:

  • LayaKaichi, dann will ich dir die Daumen drücken, dass das Christkind kapiert, was du dir wünschst u freue mich auf deine Kommentare!

    "Wie wenig du gelesen hast, wie wenig du kennst - aber vom Zufall des Gelesenen hängt es ab, was du bist." Elias Canetti

  • Ich habe mich gestern an das 1020 Seiten Werk heran getraut. Bin mir ganz und gar nicht sicher, ob das Buch nach meinem Geschmack ist. Wünsche mir aber sehr, dass es der Fall wäre. :)
    Ich habe bis jetzt nur zwei Mal Bücher von Murakami gelesen. "Kafka am Strand" hat mich völlig überwältigt, ein ausgezeichnetes Buch und das Andere hat mich ratlos und eher enttäuscht zurückgelassen.


    Inzwischen habe ich erst 70 Seiten gelesen, und im Prinzip geht es noch darum die Protagonisten kennenzulernen. Aomane und Tengo kenne ich schon, und beide sind schon jetzt sehr bildhaft und lebhaft dargestellt. Den Schreibstil finde ich bislang auch sehr gut, jedes Wort passt und ist vortrefflich. Wenn es weiter so geht, werde ich das Buch in vollen Zügen genießen können. :wink:

    2024: Bücher: 90/Seiten: 39 866

    2023: Bücher: 189/Seiten: 73 404

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    Mein Blog: Zauberwelt des Lesens
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    "Das Nicht-Wahrnehmen von Etwas beweist nicht dessen Nicht-Existenz "

    Dalai Lama

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    Lese gerade:

    Scalzi, John - Die Gesellschaft zur Erhaltung der Kaiju-Monster

  • Wenn es weiter so geht, werde ich das Buch in vollen Zügen genießen können. :wink:

    Tu das und verrate uns dann, wie es dir gefallen hat! Ich bin gespannt....
    :winken:

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  • Ist glaube ich Fantasy wenn ich das hier richtig gelesen habe, aber nichts desto trotz habe ich mir die Rezis durchgelesen und die sind wirklich gut geschrieben, das muss ich mal lobend sagen!


    Ich lese gerne gute Rezensionen & Kritiken

    :study: Feuerkind (Stephen King) 34 / 542 Seiten

    :study: Mit Nachsicht (Sina Haghiri) 14 / 268 Seiten


    SUB: 857

  • Ist glaube ich Fantasy wenn ich das hier richtig gelesen habe,


    Das Buch wird auf jeden Fall unter dem Genre "Science-Fiction" geführt. Ich habe inzwischen über 300 Seiten gelesen. Und es wirkt auf mich nicht wie übliche Science-Fiction Romane. Es sind zwar gewisse Elemente vorhanden, wie das mit der Parallel-Welt (ich hoffe, ich verrate an diese Stelle nicht zu viel), aber die Geschichte an sich wirkt sehr realistisch. :winken:

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    Lese gerade:

    Scalzi, John - Die Gesellschaft zur Erhaltung der Kaiju-Monster

  • Ein sehr schönes Buch, das ich sehr genossen habe.
    Zu dem Inhalt wurde schon viel gesagt, und es wurden schon sehr interessante Meinungen abgegeben.
    Ich weiß gar nicht, was mir ganz besonders an diesem Roman gefallen hat. Wahrscheinlich alles.


    Ich fand die Hauptcharaktere sehr sympathisch und fand, dass alle Protagonisten plastisch, tief und liebevoll gezeichnet worden sind.


    Die wechselnde Erzählperspektive zwischen Tengo und Aomane hat mir ebenfalls gut gefallen, dadurch entsteht Spannung und der Leser hat die Möglichkeit in die Welt des Erzählenden einzutauchen.


    Die Sprache, die Murakami gebraucht, ist recht einfach, ohne Schnörkeln. Nicht nicht desto trotz schaffte er es, mich zu begeistern und eine geheimnisvolle und dichte Atmosphäre zu vermitteln.


    Der Aufbau des Romans wirkte auf mich sehr gut durchdacht und präzise. Alles war so gut auf einander abgestimmt und hat mich an Musikstücke oder auch Mathematik erinnert, was von dem Autor auch evt. beabsichtigt war, da beides eine nicht unbedeutende Rolle im Roman spielen. Das ganze Werk wirkte auf mich sehr harmonisch.


    Es gibt viele Wiederholungen, man könnte denken, dass der Autor dies absichtlich wegen der Länge des Romans macht, um den Leser an dies oder jenes zu erinnern. Von mir aus könnte es auf die viele Wiederholungen verzichtet werden.


    Da ich eine Leserin bin, die keine offene Enden mag, hätte ich es besser gefunden, wenn ich Antworten auf all meine Fragen bekommen hätte, und vielleicht auch ausführlicherer Erklärungen zu Manchem, allerdings hätte der Roman dadurch seinen Zauber verloren. Also ist es gut, wie es ist.


    Ein ganz besonderes Buch. Das Bild von den zwei Monden hat mich fasziniert, (obwohl so besonders ist es auch wieder nicht, ich verstehe es nicht, wie Murakami das schafft) ich denke, ich werde künftig immer wieder mal daran denken, wenn ich in den Himmel blicke.
    Es ist eindeutig ein Buch, dass in einer sehr guten Erinnerung bleibt.

    2024: Bücher: 90/Seiten: 39 866

    2023: Bücher: 189/Seiten: 73 404

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    Lese gerade:

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  • Jetzt habe ich es auch endlich geschafft das Buch zu lesen und wie bei Murakami nicht anders zu erwarten hat es mir wieder gut gefallen.
    Murakami hat es in "1Q84" wieder einmal geschaft die Wirklichkeit und die Phantasie auf eine Art und Weise miteinander zu verschmelzen, das man sie eigentlich nicht auseinander halten kann.
    Am Anfang hat man zwei Erzählstränge, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben, aber im laufe der Geschichte wird die Verbindung der Beiden dann doch deutlich und auch das sie sich auf eine gewissen Art und Weise gegenseitig bedingen.


    Freue mich schon jetzt auf die Fortsetzung, zumal das Ende bis jetzt, wie es Murakami-Typisch ist, noch etwas schwammig ist.


    Von mir gibt es :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb: Sterne.

  • Buch 1 habe ich verschlungen, es war spannend, interessant und v.a. fieberte ich nach jedem Hinweis, der auf mögliche Zusammenhänge zwischen den Protagonisten Tengo und Aromare hindeutet. Das eine oder andere Dejá-vu hatte ich ("das hatten wir doch schon, aber wo und wann?"), Spekulationen lösten sich in Luft auf, manchmal ließ mich mein Gedächtnis aber auch im Stich, und den einen oder anderen Hinweis hab ich sicher überlesen.
    Als dann plötzlich der Groschen fiel, legte sich auch meine Begeisterung für das Buch. Es liegt vielleicht auch daran, dass ich sehr wenig Gespür für Übersinnliches und Esoterisches habe, und meiner Meinung nach driftet das Buch dann schon sehr in diese Richtung. Die ewigen Wiederholungen, die ich anfangs für einen besonders raffinierten Trick des Autors hielt, langweilten und nervten mich zusehends.
    Auf Band 4, der im Herbst erscheinen wird, werde ich wohl nicht verzichten können, bin ja dann doch neugierig, wie es weiter- bzw. ausgeht. Vielleicht löst sich dann aber doch alles in Wohlgefallen auf und die anfangs als besonders raffinierte eingeschätzten Tricks entpuppen sich tatsächlich als solche!

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Ein typischer Murakami, äußerst spannend und mysteriös, melodisch geschrieben oder übersetzt, aber eben leider noch nicht vollkommen!

    Das Buch wird aus zwei Ebenen her beschrieben und diese wechseln kapitelweise. Die eine Ebene handelt vom Protagonisten Tengo: Ein 30 jähriger Mathematiklehrer und angehender Schriftsteller. Die typisch männliche Murakami Besetzung – häuslich, unentschlossen, etwas schlampige Bekleidung und eher ein Frauenfreund als Draufgänger. Die Andere wird von Aomame getragen – das genaue weibliche Gegenteil – taff, eigentlich gutaussehnend, willensstark, aber tief innerlich sehr verletzlich. Natürlich wieder das perfekte Paar.


    Tengo hat als Schriftsteller schon einige Werke geschrieben, er reicht sie auch regelmäßig bei Roman-Debüt-Preisen ein und sein künftiger Verleger hält auch große Stücke auf ihn, aber irgendwas fehlt immer in seinen Romanen – Lebendigkeit. Doch dann taucht die 17 jährige Fukaeri auf. Sie reicht einen Roman für den Wettbewerb ein, der vom Inhalt, von der Geschichte her, spannend und lebendig ist, nur am Stil mangelt es ihr. Kurzer Hand entschließt sich der Verleger, dass Tengo ihren Roman überarbeiten soll.
    Fukaeri erzählt in ihrem Buch ihre eigene Geschichte, eine Geschichte die bald auf beiden Ebenen überschwappt und „1Q84“ immer spannender macht.


    >>Am Himmel standen zwei Monde. Ein großer und ein kleiner. Nebeneinander. Der große war der ihr vertraute gute alte Mond. Er war fast voll und gelb. Aber neben ihm befand sich ein weitere Mond, der ihr ganz und gar nicht vertraut war.<<


    Diesmal besitzt das Buch ein Leitmotiv, denn direkt zu Beginn in Kapitel 7 geht es um folgende Ausgangsstellung: Aomame ist Auftragskillerin und beseitigt Männer, die Frauen oder Mädchen missbrauchen und misshandeln. In ihrer Ebene geht es immer um die Frage, ob dieses Richten gut oder schlecht ist. Inwieweit ist es richtig, dass man das Böse vernichtet um das Gute zu stützen, wie die Natur mit dieser Frage umgeht und ob dieser Dualismus nur in der menschlichen Moralverstellung seine Gültigkeit hat.


    >>Die Gene denken nicht in Kategorien von Gut und Schlecht. Wir haben Glück oder Pech mit ihnen, aber sie wissen nichts davon. Denn wir sind nicht mehr als ein Mittel zum Zweck. Für die Gene zählt nur, was für sie selbst den größten Nutzen bringt.<<

    Mit dem Leader, eine weitere Figur im späteren Verlauf der Handlung, findet dann der Roman sein „Böses“. Und wenn man das „Gute“ schützen möchte, sollte man das „Böse“ aus der Welt schaffen! Doch von dieser Figur erhält der Leser folgende Betrachtung:


    >>Gut und Böse sind keine festen, unveränderlichen Größen, sondern Aspekte, die ständig je nach Perspektive wechseln, was in einem Moment gut ist, kann im nächsten böse sein. Und umgekehrt …
    Entscheidend ist das Gleichgewicht zwischen den sich in unablässiger Bewegung befindlichen Kategorien von Gut und Böse zu halten. Bekommt eine Seite das Übergewicht, wird es schwierig eine realistische Moral aufrechtzuerhalten. Das Gleichgewicht an sich ist das Gute.<<

    Außer ein paar übertriebene Wiederholungen in der Mitte, wo allmählich die beiden Ebenen verschmelzen, bin ich der Meinung, dass „1Q84“ zeigt, dass Murakami wirklich auf der Höhe seines Schaffens angekommen ist! Äußerst spannend, eine gut umflochtene Handlung, aussagekräftige Metaphern und gute Symbol-Übertragungen, auch die Figuren sind überzeugend und lebendig, all das macht dieses Buch wirklich zu einem Lesegenuss, und sorgt für angenehme Unterhaltung.
    Jetzt bleibt uns Lesern nur noch bis Oktober (2011) zu warten, um voller Erwartung den dritten Teil lesen zu dürfen, in der Hoffnung, dass sich alles auflöst und der Roman perfekt abgerundet wird.