Kurzbeschreibung bei amazon
Straßburg um 1520. Margarethe Prüß hat gegen den Willen der Zunft eine
Druckerei geerbt. Als die Reformation die Stadt erreicht, heiratet sie
den ehemaligen Mönch Johannes. Doch ihr Mann sieht den Platz einer Frau
im Haus. Allen Widerständen zum Trotz kämpft Margarethe für ihr großes
Ziel: Jeder soll Bücher lesen dürfen.
Autoreninfo (Klappentext)
Sabine Weiß studierte in Hamburg Geschichte. Heute lebt sie mit ihrer Familie in der Nordheide. Ihre beiden Romane über Madame Tussaud waren große Erfolge.
Eigene Beurteilung
Die Kurzbeschreibung bei amazon ist äußerst dürftig und wird dem Roman in keiner Weise gerecht. Die Handlung erstreckt sich über die Jahre 1510 bis 1542 und erzählt, literarisch ausgeschmückt, aus dem Leben der Margarethe Prüß, die zu Beginn des 16.Jahrhunderts als Tochter des Buchdruckers Johannes Prüß d.Ä. in Straßburg aufwächst.
Die "Schwarze Kunst" ist erst ca ein halbes Jahrhundert alt, hat sich aber bereits weit verbreitet. Margarethe ist von klein auf mit den Arbeitsprozessen in der väterlichen Druckerei vertraut und hilft gern mit. Beim Tod ihres Vaters erben sie und ihr leichtsiniger und arbeitsscheuer Bruder die Druckerei zu gleichen Teilen, wobei es allerdings ständig Querelen gibt, da die Zunft eine Frau als selbstständige Druckerin nicht akzeptieren will. Die Heirat mit dem Altgesellen ihres Vaters erlaubt ihr, weiterhin in der Druckerei tätig zu sein. Die Ehe ist glücklich und bringt fünf Kinder hervor, leider gerät Margarethe durch den Tod ihres Mannes in die gleiche Zwangslage wie ein Jahrzehnt zuvor: sie muss wiederum einen Drucker heiraten, um die Druckerei für ihre Söhne erhalten zu können. Bei ihrer zweiten Ehe hat sie weniger Glück. Sie heiratet einen entlaufenen Mönch, der sich als fanatischer Reformator entpuppt und sehr traditionelle Ansichten über die Rolle einer protestantischen Ehefrau hat. Schwere häusliche Konflikte sind vorprogrammiert. In einer dritten Ehe findet Margarethe dann noch einmal persönliche und berufliche Erfüllung...
Dieser Roman ist jedoch weder eine Liebesgeschichte noch ein seichter "Die ...in"-Roman, sondern ein gut recherchierter, faktengetreuer Roman über den Buchdruck und seine Gefahren in den Zeiten der Reformation. Die noch junge Erfindung des Buchdrucks ermöglicht es, neue Ideen in kurzer Zeit einer großen Anzahl von Menschen zugänglich zu machen. Zunächst ist es Martin Luther, dessen bahnbrechendes Gedankengut auf diesem Weg verbreitet wird, doch schon nach kurzer Zeit entwickeln andere Geistliche eigene reformatorische Ideen , wobei erbittert um diverse religiöse Fragen gerungen wird: Ist Christus beim Abendmahl physisch anwesend oder wird nur seiner gedacht? Ist die Taufe im Kindesalter sinnvoll oder sollte nur ein erwachsener Mensch sich aktiv für das Christentum entscheiden können ? Für zusätzlichen Sprengstoff sorgt die Bewegung der Wiedertäufer , die sich im zunächst ziemlich liberalen Straßburg verbreitet, jedoch schnell bekämpft wird.
Die Vertreter aller dieser Strömungen wenden sich an die Druckerei Prüß, um ihre Schriften auf den Markt bringen zu lassen und auch überregional zur Kenntnis zu bringen. Schon im 16.Jahrhundert werden alljährlich Bücher nach Frankfurt zur Messe verschifft. Religiöse Schriften, die nicht von der Zensurbehörde zugelassen sind, werden anonym gedruckt. Auch die Druckerei Prüß bringt solche Schriften heraus. Wenn die Büttel bei Durchsuchungen verdächtiges Material finden, werden die "schuldigen" Drucker eingekerkert und es bedarf schon besonderer Fürsprache durch einflussreiche Vertreter der Zunft, eine Freilassung zu erwirken.
Die Darstellung der Entwicklung der reformatorischen Bewegungen in Straßburg liest sich wie ein Who is who der Reformation, der Leser begegnet u.a. Reformatoren wie Martin Bucer und Matthäus Zell, dem Vertreter des mystischen Spiritualismus Sebastian Franck und dem Wiedertäufer Melchior Hoffman. Hier hätte ich mir neben dem informativen Nachwort der Autorin ein Personenverzeichnis der Reformatoren gewünscht, da es nicht immer einfach ist, die jeweiligen religiösen Strömungen und ihre Vertreter im Überblick zu behalten.
Von diesem Kritikpunkt abgesehen, möchte ich "Die Buchdruckerin" allen Lesern mit Interesse an religionsgeschichtlichen Fragestellungen und mit genügend Muße, sich für die Lektüre Zeit zu nehmen, empfehlen. Neben der religiösen Komponente ist das Buch auch wegen seiner faszinierenden Darstellung der Arbeitsabläufe in einer frühneuzeitlichen Druckerei lesenswert.