Zunächst in chinesischer Sprache erschienen
in Zusammenarbeit mit der Autorin ins Englisch übersetzt unter dem Titel "Village of Stone"
ins Deutsche übersetzt von Anne Rademacher
255 Seiten in 23 Kapiteln, Coda und Danksagung
Inhalt (von Amazon kopiert):
Als die junge Chinesin Coral eines Tages einen getrockneten Aal aus ihrem Heimatdorf zugeschickt bekommt, bricht die Vergangenheit mit Macht über sie herein. In ihrer winzigen Wohnung im lärmenden Beijing erscheint er ihr wie ein Bote aus einer längst vergessenen Welt: das Fischerdorf an der ostchinesischen Küste, in dem sie aufwuchs, die gewaltigen Stürme, die wortkargen Menschen, gefangen in ihren strengen Traditionen. Und Coral erinnerst sich an die tief in ihrem Inneren vergrabenen Erlebnisse, die damals in dem Mädchen nur einen einzigen Wunsch wachsen ließen – diesem Ort zu entkommen und sich weit fort in der pulsierenden Metropole ein neues Leben aufzubauen.
Coral, die von allen nur "Kleiner Hund" genannt wird, wächst bei ihren Großeltern in der Stadt der Steine an der Ostküste Chinas auf. Ihre Mutter starb bei der Geburt, ihr Vater verschwand. Die Großeltern reden kein Wort miteinander, leben in getrennten Stockwerken im Haus, kochen, essen und schlafen getrennt. So lernt auch Coral nie, mit jemandem über das zu sprechen, was sie bewegt, was sie ängstigt und welchen Bedrohungen sie ausgesetzt ist. Weil die Großmutter als Fremde in die Stadt kam und deren Gebräuche und Sitten nicht kannte, wird die Familie auch heute noch von allen gemieden.
Inzwischen lebt Coral mit ihrem Freund Red zusammen in Peking im Erdgeschoss eines 25stöckigen Hochhauses. Sie arbeitet in einer Videothek, Red beschäftigt sich vor allem mit Frisbeesport. Sie hat ihre furchtbare Kindheit und Jugendzeit "vergessen", als sie ein Paket bekommt mit unleserlichem Absender. Inhalt ist ein getrockneter Aal, und mit dessen Geruch, Zubereitung und Geschmack brechen die Erinnerungen über sie herein.
Das Buch fesselt, wühlt auf, bewegt. Es bestärkt mich in meiner Ansicht, dass die Bücher, in denen es um ein schweres Lebensschicksal geht, dann am meisten berühren, wenn sie in einer ruhigen, sachlichen, beinah distanzierten Sprache verfasst sind, die es dem Leser erlaubt, seine eigenen Reaktionen und Emotionen zu entwickeln (statt vom Autor zu bestimmten Gefühlen gezwungen zu werden).
Corals Erinnerungen leben vom Gegensatz zwischen dem lebhaften Mädchen und der Kälte und Trostlosigkeit seiner Umgebung. Auch wenn die Familientraditionen und religiösen Bräuche einem Leser aus der westlichen Welt fremd erscheinen, versteht man, dass und warum sie den Bewohnern der Stadt der Steine so viel bedeuten.
"Wie weit und wohin wir auch reisen, es ist wichtig, dass wir immer genau wissen, woher wir kommen," lässt die Autorin Coral sagen (S. 252). In diesem Sinne hat die Protagonistin sich mit ihrer Vergangenheit versöhnt. Am Ende ist es tröstlich zu erfahren, dass man trotz der zugefügten Schmerzen und trotz des lodernden Hasses einen Weg zum Frieden mit anderen und sich selbst finden kann.
Es gibt niemand, dem ich das Buch nicht empfehlen würde.
Zur Autorin:
Xiaolu Guo wurde 1973 in einer kleinen Stadt am chinesischen Meer geboren. Mit achtzehn ging sie nach Beijing, studierte dort an der Filmhochschule. und schrieb fünf Romane. Im Jahr 2002 zog sie nach London. Sowohl in China als auch in ihrer britischen Wahlheimat machte sie sich als Filmemacherin und Schriftstellerin einen Namen.
Nach dem Vorwort und der Biographie der Autorin zu urteilen ist "Stadt der Steine" ein Roman mit autobiographischen Zügen.