Marie-Sabine Roger - Das Labyrinth der Wörter / La tête en friche

  • Inhalt:
    »Dieses Buch gibt uns die Lust am Lesen zurück.« Magazine Culturissimo
    Germain ist ein Bär von Mann und nicht der Schlauste. Als er im Park eine reizende alte Dame kennenlernt, wird sein Leben auf den Kopf gestellt. Denn die feinsinnige Margueritte beschließt, den ungebildeten Hünen für die Welt der Bücher zu gewinnen.


    Germain stand bisher nicht auf der Sonnenseite des Lebens. Von der alleinerziehenden Mutter vernachlässigt, in der Schule gescheitert, haust er nun im Wohnwagen und züchtet Gemüse. Neben dem Schnitzen von Holzfiguren gilt sein Interesse vor allem den Tauben im Park. Eines Tages trifft er dort eine zierliche alte Dame, die seine Faszination für die Tauben teilt. Das ungleiche Paar freundet sich an. Als sie anfängt, ihm Romane vorzulesen, öffnet sich für Germain eine völlig neue Welt. Doch bald erfährt er, dass Margueritte seine Hilfe braucht. Germain muss ihr zuliebe über seinen Schatten springen.( Quelle: Hoffmann und Campe)


    Die Autorin:
    Marie-Sabine Roger wurde 1957 in Bordeaux geboren und lebt in Südfrankreich. Sie arbeitete einige Jahre als Grundschullehrerin, ehe sie sich ganz der Schriftstellerei widmete. Von ihren Romanen wurden mehrere ausgezeichnet. Das Labyrinth der Wörter erhielt den Prix Inter 2009.(Quelle: Hoffmann und Campe)


    Meine Meinung:
    Der 45-jährige Germain ist arbeitslos, ungebildet und lebt in einem Wohnwagen im Garten seiner Mutter. Sexuellen Kontakt pflegt er zu Annette. Seine Tage verbringt er in Kneipen oder geht in den Park, um seinen Namen auf ein Denkmal zu schreiben oder um Tauben zu zählen. Dabei lernt er die gebildetete, 86-jährige Margueritte kennen, die auf "seiner" Parkbank sitzt und Tauben zählt.
    Die Beiden kommen ins Gespräch - und es kommt, wie es kommen muss: Die zwei ungleichen Menschen freunden sich an. Margueritte beginnt, Germain vorzulesen und so wird sein Interesse an Literatur geweckt. Er fängt plötzlich an, sich für Camus zu interessieren oder beginnt, sich für das Wörterbuch zu interessieren, welches ihm die alte Dame geschenkt hat. Zudem merkt er, dass er Annette eigentlich liebt.


    Ich habe mir viel erwartet von dem Roman, bin aber doch etwas enttäuscht.
    Die Geschichte lässt sich zwar schön lesen, eher wie ein Märchen -das doch sehr naiv daherkommt, zudem bleibt die Geschichte auch eher oberflächlich.
    Was im Roman möglich ist - nämlich durch sanftes Anstossen den schlummernden Wissensdrang zu wecken und einen kulturell interessierten Feingeist zu formen - kann ich mir in der Realität so leicht nicht vorstellen.
    Zudem hat man manchmal das Gefühl, die Autorin hebt auf besserwisserische Art und Weise den Zeigefinger.
    Das Ende des Romans ist vorhersehbar.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:/ :bewertung1von5:
    (ich will mal nicht allzu streng sein :wink: )

  • Oh, schade! Bei der Inhaltsangabe wurde ich gerade schon sehr begehrlich, aber auf oberflächlich und pädagogischen Zeigefinger habe ich dann doch keine Lust! [-(
    Danke für deine Vorstellung, Conor! :winken:

    "Wie wenig du gelesen hast, wie wenig du kennst - aber vom Zufall des Gelesenen hängt es ab, was du bist." Elias Canetti

  • Hab das Buch letztens in einer Buchhandlung entdeckt und auf meine Wunschiste geschrieben, aber ich glaub, jetzt überleg ichs mir nochmal. Danke für die Rezi :)

    "We're all stories in the end. Just make it a good one." - The Doctor


    2019 gelesen: 0 gehört: 0 (2018: 25/13) aktiver SUB: 75

  • Ich kann Conors Meinung zum Buch in allen Punkten unterstreichen. Die Geschichte ist nett zu lesen, aber real nicht vorstellbar. Nur ungebildet wäre kein Hindernis, aber Germain wird hier als dumm dargestellt. Ich bezweifle daher, dass er überhaupt verstehen würde, was die alte Dame ihm zu vermitteln versucht. Eine gewisse Substanz muß vorhanden sein, sonst würde er niemals Zugang z. B. zu Camus finden. Der pädagogische Zeigefinger ist somit ein Widerspruch in sich.


    Liebe Grüsse
    Wirbelwind


    :study: Almudena Grandes, Sieben Frauen

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Das Buch "Das Labyrinth der Wörter" von Marie-Sabine Roger, welches ich freundlicherweise vom Verlag Hoffmann & Campe als Rezensionsexemplar bekam, wofür ich mich an dieser Stelle herzlich bedanken möchte, trägt im französischen Original den Titel "La tête en friche".
    Beide Buchtitel sind gut gewählt und zutreffend, wie auch das Buchcover des gebundenen Buches den Leser darauf einstimmt, wovon im Roman berichtet wird.
    Mit Gérard Depardieu, DER perfekten Besetzung für einen der beiden Protagonisten, wie ich finde und Sophie Guillemin kommt diese Geschichte auch am 06.01.2011 verfilmt in die französischen Kinos und man kann nur hoffen, dass es nicht allzu lange dauern wird, bis er auch den Weg in die deutschen Kinos findet.


    Aber Inhalt des Romans: Germain Chaze, Mitte vierzig, von der Statur her ein grober, ungeschlachter Klotz von Mann, hat es sich angewöhnt, mit einem Edding auf das Kriegerdenkmal der Stadt, seinen Namen unter die Liste der Gefallenen zu schreiben. Dies wird von den Ordnungshütern der Stadt zwar regelmäßig wieder entfernt, aber ebenso regelmäßig und hartnäckig von Germain wieder hinzugefügt.
    Aus seiner Sicht hat er jedes Recht, auf der Gefallenenliste zu stehen, denn das Leben ist bisher nicht gerade wohlmeinend mit ihm umgegangen. In die Welt geworfen von einer alleinerziehenden, weil sitzengelassenen Mutter, der er immer nur lästig war, von den Lehrern als Schwachkopf abgestempelt, fristet er sein Dasein in einem Wohnwagen auf einem Stück Brachland in unmittelbarer Nähe seiner Mutter, auf dem er etwas Gemüse züchtet, hält sich mit Gelegenheitsarbeiten, die sonst keiner übernimmt, weil sie entweder zu schwer oder zu dreckig und eklig sind, über Wasser und schnitzt hin und wieder kleine Holzfiguren.
    Einmal in der Woche gibt er sich - wie Germain es selbst ausdrückt, denn der ganze Roman ist aus seiner Sicht geschrieben - die Kante in der Kneipe, vögelt Annette ab und an und ist es gewohnt, von den anderen als der gutmütige, aber hoffnungslos ungebildete Bär beschmunzelt zu werden.


    Nur, wenn es doch mal unerträglich für ihn wird und er Seelenfrieden benötigt, geht er in den Park. Dort zählt er die umherwuselnden Tauben und gibt ihnen sogar individuelle Namen, beobachtet ihr Verhalten und findet kurzfristig wieder Ruhe.
    Da trifft er eines Tages an seinem Stammplatz eine zierliche, ja zerbrechlich wirkende, kleine alte Dame vor, Margueritte, die, wie sich später noch herausstellen wird, aus fast ähnlich gelagerten Gründen, die Gesellschaft der agilen Tauben ebenfalls ab und an sucht.
    Zu Beginn fast etwas ärgerlich über die Störung im liebgewonnen Ablauf des Parkbesuchs, kommen die beiden, aus so unterschiedlich stammenden Menschen durch die unterschiedlich aufgefasste Bedeutung des Namens Filzlauser, die Germain einer Taube gab, ins Gespräch. Margueritte und Germain beginnen, sich über unterschiedliche Bedeutungen und Interpretationen von Sätzen und Wörtern zu unterhalten und die reizende alte Dame lacht Germain nicht aus, sondern respektiert seine Ansichten. Zum ersten Mal überhaupt fühlt sich Germain als der Mensch angenommen, der er ist. Denn sie erkennt das brachliegende Potential, das in ihm schlummert, auf Anhieb.


    Margueritte liest ihm Passagen aus Büchern vor und lehrt ihn nachzudenken und, wie er selbst es später ausdrückt, nachzudenken, sich Fragen zu stellen und diese zu beantworten, ohne zu schummeln. Dies geschieht ganz allmählich und ohne Druck, bis ihm Margueritte, die längst gemerkt haben muss, dass Germain fast ein Analphabet geblieben ist, ein Wörterbuch schenkt.
    Als er das Buch ganz für sich selbst widerstrebend ausprobiert, findet er die Bedeutung des Wortes Labyrinth nicht darin, weil er einfach nicht weiß, wie es korrekt buchstabiert wird und auf die freundliche Nachfrage von Margueritte, ob ihm das Wörterbuch denn dabei helfe - wie sie es ihm gerne vermittelt hätte - neue Begriffswelten zu erschließen, bricht sein ganzer Frust aus ihm heraus. Er erzählt ihr sein bisheriges Leben und es wird klar, wie sehr er darunter gelitten hatte, von - aus seiner Perspektive gesehen - gebildeteren Menschen verachtet zu werden.


    Sanft und unauffällig hilft ihm Margueritte immer weiter, sich selbst in der Welt der Wörter zurecht zu finden und Germain verändert seine ganze Einstellung und sein Selbstbewußtsein steigt. Er schreibt schon lange nicht mehr seinen Namen auf die Stele der Gefallenen, beeindruckt seine Zechkameraden durch sich ständig steigerndes Wissen und sogar seine Beziehung zu Annette wandelt sich zu einer echten Liebe.


    Da eröffnet ihm Margueritte, dass sie an einer unheilbaren Augenkrankheit leidet, die die Erblindung zur Folge haben wird und sie ihm in absehbarer Zeit leider keine Bücher mehr vorlesen werden kann. Auch sonst wird die über sechzigjährige zierliche Dame sichtbar immer hinfälliger und unsicherer im Straßenverkehr.
    Germain sieht sich gezwungen, seinen eigenen Stolz und seine bislang verständliche Zurückhaltung und Angst, abgewiesen und abgelehnt zu werden, aufzugeben und zu handeln.


    Natürlich werde ich nicht verraten, wie es weiter geht, um den Lesern die eigene Entdeckerfreude nicht zu nehmen.
    Aber mich hat an diesem Buch am meisten beeindruckt, mit welcher Achtung, Respekt und Würde man sich doch begegnen kann, wenn man nur will und wie man, ohne es direkt zu schreiben, doch beschreiben kann, dass Charakter und innere Stärke auf keinen Fall von Körpergröße, Bildung und Äusserlichkeiten abhängt.


    Ich werde mir auf keinen Fall entgehen lassen, mir anzusehen, wie man ein so gutes Buch in einen Film umsetzen kann, bei dem dann noch die nonverbale Kommunikation zwischen den Protagonisten gezeigt werden kann.


    Ein wundervolles Buch, das ich jedem Leser nur empfehlen kann.

  • Ich habe das Buch heute zu Ende gelesen und fand es sehr schön.
    Germain ist zwar ungebildet, aber er hat unheimlich nette, teilweise lustige, und auch manchmal richtig weise Gedanken.
    Ich finde, ein tolles Buch für alle, die Bücher lieben.

  • Das Buch habe ich leider (noch) nicht gelesen, dafür aber am Freitag die Verfilmung gesehen. Nun kann ich nicht sagen, ob der Film nahe am Buch ist, jedoch so viel: Er ist wunderschön! Hervorragend besetzt mit Gérard Depardieu und Gisèle Casadesus - ein wunderbares, ungleiches Paar :love:


    Und ob nun realistisch oder nicht - das ist mir ganz egal, denn diesen Film habe ich mit einem Lächeln verlassen. Einfach nur toll!


    Wer sich den Film anschauen möchte, hier sind die Kinos, die den Film zeigen!

    Das Missliche an neuen Büchern ist, dass sie uns hindern, die alten zu lesen.
    J.Joubert

  • Ich höre mir gerade das Hörbuch dazu an und bin noch etwas zwiegespalten. Ich warte einfach mal ab, wie es weiter geht.

    Hunde sind wie Bücher, man muss nur in ihnen lesen können, dann kann man viel lernen.


    [align=center]Oliver Jobes

  • Ich habe den Film neulich gesehen und, wie Melli, mit einem Schmunzeln verlassen. Einfache und augenzweinkernde Unterhaltung. Ist so für mich okay.


    Nun noch das Buch lesen werde ich aber wohl nicht...

  • Bei mir war es jetzt das Hörbuch und ich weiß nicht, ob ich das hier schreiben darf...


    Am Anfang hatte ich etwas Schwierigkeiten mit der Geschichte und der Art des Vorlesens, aber nach der ersten CD gefiel es mir dann richtig gut. Die Stimme und die Art zu Sprechen war super auf das Buch abgestimmt. Die Geschichte fand ich in keinsterweise oberflächlich, sondern stellenweise sogar recht tiefgründig.
    Germain ist auf seine Weise so liebeswürdig und "weise", ich fand die Geschichte einfach zauberhaft für zwischendurch!


    Von mir :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    Hunde sind wie Bücher, man muss nur in ihnen lesen können, dann kann man viel lernen.


    [align=center]Oliver Jobes

  • Marie-Sabine Roger erzählt in „Das Labyrinth der Wörter“ ein modernes Märchen über eine ungewöhnliche Freundschaft zwischen dem fast Analphabeten Germain und der gebildeten, feinsinnigen Margueritte. Dabei bedient sie sich der Ich-Form aus der Sicht des Germain Chazes. Die Personenbeschreibungen haben mir sehr gut gefallen. Der ungehobelte und ungebildete Recke Germain trifft auf eine 40 Jahre ältere Dame, beide können schon von der Statur unterschiedlicher nicht sein, dem Margueritte reicht, auf der Parkbank sitzend, mit den Füßen nicht einmal bis auf den Boden. Aber auch in ihrer Persönlichkeit sind beide grundverschieden, ebenso wie ihr Umfeld, demas sie prägte. Seit ich das Cover der DVD sah, habe ich die Romanfiguren mit Gérard Depardieu und Gisèle Casadesus besetzt. Von und mit diesen Protagonisten lebt das gesamte Buch. Mit ungeheurer Leichtigkeit erzählt die Autorin, wie sich Germain seinen Weg durch die für ihn oft unverständlichen Worte bahnt. Wie in einem Wörterbuch sind immer wieder manche Worte kursiv gedruckt und dazu wurden kurze Worterklärungen eingefügt. So kann sich der der Vielzahl der Wörter mächtige Leser besser in die Situation des des Lesens Ungeübten einfühlen. Ich hätte mir allerdings ein wenig mehr Bezug zu Büchern gewünscht. Der Klappentext hat da wohl etwas zu viel versprochen. Von dieser zugegebenermaßen rührenden Geschichte hatte ich mir auch ein wenig mehr Tiefe versprochen. Die unzähligen im Buch enthaltenen poesiebuchreifen Weisheiten täuschten diesen Anspruch leider nur vor. Viele der angesprochenen Themen wurden nur recht kurz abgehandelt und so war es dem Leser selbst überlassen, seine Gedanken spielen zu lassen. Das empfinde ich meistens sogar als sehr angenehm, dieses Buch hätte ich aber gern etwas ausgearbeiteter gehabt.
    „Das Labyrinth der Wörter“ ist eine charmante Fiktion über Respekt, Toleranz, Liebe und Freundschaft, die irgendwo zwischen einem umgekehrten Aschenputtel und Forrest Gump angesiedelt ist. Sie ist leicht lesbar und die eine oder andere Stelle ist es wert, gedanklich weitergesponnen zu werden. Ich habe das Buch gern gelesen und bin gespannt auf die Verfilmung, die als DVD demnächst erscheinen wird. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • So, nun habe ich auch dieses Buch "inhaliert" - und zwar in der angezeigten Taschenbuchausgabe. Lagouile-Messer, Optimel-Messer, geschnitzte Spazierstöcke, Bücher und Vorlesen. Lernen im Alter und unerwartete unüberlegte Hilfsbereitschaft.


    Ein wunderschönes Buch, das mir sehr sehr viel Freude gemacht hat und das ich in nächster Zeit bestimmt allen meinen Schülerinnen und Schülern näherbringen werde - durch auszugweises Vorlesen.

  • Ich habe die Ausgabe wie K.-G. und auch ich habe dieses Buch innerhalb kürzester Zeit verschlungen. Schon alleine das Cover fand ich soooo schön :love:


    Mir macht es gar nichts aus, dass die Geschichte etwas unrealistisch ist, ganz im Gegenteil es macht Spaß zu lesen, wie es sein könnte, wenn es auf der Welt viel mehr "bessere" Menschen, Zufälle und Schicksale gäbe.


    Germain ist ungebildet - sagt man. Ich würde sagen, er war in seiner Kindheit ein Pechvogel und hat sich zu einem großen, bärigen Tollpatsch entwickelt. Nun kann er alles Glück der Welt nachholen, welches ihm in seiner Kindheit verwährt wurde - wem gönnt man es mehr als Menschen wie Germain?


    Und eine Oma wie Magueritte? Ich finde jeder hätte ein Recht auf so eine Oma :)


    Seifenblasen, Friede Freude Eierkuchen .... ja, sowas habe ich jetzt gebraucht :thumleft:


    Von mir gibt es :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb:

  • Ich habe letzte Woche den Film im Kino gesehen - in erster Linie, weil ich Gerard Depardieu so schätze und ich war begeistert (von beiden - dem Film und dem Darsteller). Mein erster Geanke, als ich das Kino verließ, war, dass die Geschichte bestimmt sehr schön zu lesen ist und so habe ich mir gleich am nächsten Tag das Buch besorgt.


    ...und ich wurde nicht enttäuscht. Ich finde es wundervoll! Natürlich mag es nicht wirklich realistisch sein, aber das ist kein Anspruch, den ich an einen Roman stelle. Es ist sehr feinfühlig geschrieben und so manchen Satz habe ich mehrmals gelesen. Wie Karthause schon schreibt, ist es leicht zu lesen und leider werde ich wohl heute schon damit fertig. Ich kann es jedenfalls jedem, der stille, sanfte Geschichten mag, sehr ans Herz legen und ich hab schon Weihnachtsgeschenkideen für mindestens drei Menschen. :wink: Von mir gibt es ganz klar jetzt schon :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Von mir erhält das Buch auch die volle Punktzahl! Ich fand es sehr schön in das Leben des einfach gestrickten Germain und der höcht belesenen Margueritte einzutauchen und zu beobachten, wie ein 45jähriger Mann eine neue Welt für sich entdeckt. In all seiner Einfachheit und diversen Defiziten bringt er es doch das ein oder andere Mal genau auf den Punkt. Eine der wunderbarsten Kernaussagen des Buches finde ich, dass man sich auch mal mit den kleinen Dingen begnügen, mit dem Leben zufrieden sein sollte. Passend dazu ein typischer Gedankengang von Germain:

    Zitat

    "Und wenn man dann ganz oben steht, ist man froh und stolz, dass man höher gekommen ist als alle anderen. Man hat einen irre weiten Ausblick. Aber nach einer Weile, da fällt einem was ganz Blödes auf: dass man nämlich allein ist, ohne irgendjemanden, mit dem man noch reden kann. Ganz allein und schrecklich klein (...) außerdem muss einem ja ganz schön schwindelig werden, wenn man das Leben immer so tief unter sich hat. Dir Moral von der Geschicht: Ich werde auf halber Höhe stehen bleiben und glücklich sein, wenn ich es so weit schaffe."

    Ein rundum gelungenes Buch, das noch lange nachwirkt!

    "Bücher lesen heisst wandern gehen in ferne Welten aus den Stuben über die Sterne." Jean Paul

  • Germain Chazes ist nicht gerade der Hellste. Schon in der Schule wurde er wegen seiner Begriffsstutzigkeit gehänselt, Lesen und Schreiben fallen ihm auch noch als Erwachsenem schwer, und häufig lacht man ihn aus, wenn er seine Gedanken über Gott und die Welt zu formulieren versucht. Am liebsten beschäftigt er sich deswegen mit seinem Gemüsegarten, auch wenn ihn da oft seine Mutter stört, die ihn nie wirklich geliebt hat, weil seine ungeplante Ankunft ihre Zukunftspläne durchkreuzt hat.


    Eines Tages trifft er im Park Margueritte, eine ältere Dame, die immer ein Buch bei sich hat und wie Germain gerne die Tauben beobachtet. Die beiden kommen ins Gespräch, und eine ungewöhnliche Freundschaft beginnt. Nicht nur, dass Germain Margueritte am liebsten als Oma adoptieren möchte - die gebildete und weitgereiste Frau schafft es allmählich, ihn für die Welt der Wörter und der Literatur zu begeistern.


    Ein schönes kleines Büchlein über Freundschaft, Liebe, Literatur und Familie. Die Autorin trifft den richtigen Tonfall für den simpel gestrickten Germain als Ich-Erzähler - einfach, aber nicht doof oder platt, und irgendwie liebenswert.


    Allerdings hätte das Buch ruhig etwas dicker sein dürfen, ich hätte gerne noch mehr über Margueritte und die Bücher und auch über Germain und seine Freundin Annette gelesen.


    Der wunderschöne Film mit Gérard Depardieu wird dem Buch im übrigen sehr gut gerecht.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Ich habe das Buch mit großem Vergnügen gelesen. Einen pädagogischen Zeigefinger habe ich nicht entdeckt - oder habe ich irgendwas nicht richtig mitbekommen?


    Das Buch ist konsequent aus Germains Sicht geschrieben, in seiner gutmütigen Einfältigkeit und seiner Statur erinnert er mich an Obelix (von dort zu Depardieu ist es ja nicht weit).
    Über Oberflächlichkeit oder fehlende Tiefe kann ich mich nicht beschweren. Germain redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, und reflektiert auf dem Hintergrund seiner Erfahrungen. Was ich bedaure: Dass ich außer "Die Pest" keins der anderen Bücher kenne, die Margueritte ihm vorliest, und so Germains Gedankengängen nur eingeschränkt folgen konnte.


    Ein Buch wie dieses rechne ich zu den "Cremeschnittchen": Süß und lecker. Nichts, was meinen Hunger jeden Tag stillen kann, aber zwei-, dreimal im Jahr brauche ich etwas sehr Süßes.


    Mein Fazit: Ein entzückendes Buch.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • man braucht nur ein Buch


    Ich habe es so verstanden, dass es eher die Beziehung zu Margueritte ist, die sein Umdenken auslöst. Bei ihr erlebt er zum ersten Mal, dass man sich nicht gemeinsam an der Theke die Kanne geben muss, um ein freundschaftliches Gespräch zu führen. Weil sie ihn akzeptiert wie er ist, ihm auf Augenhöhe begegnet, sich nicht lustig macht wie die Zechkumpanen oder Herablassung spüren lässt wie die Mutter.


    Dass eine intensive Begegnung mit einem anderen Menschen eine Lebensänderung in Gang setzen kann, erscheint mir durchaus nachvollziehbar. (Was aber nicht heißt, dass ich die Geschichte für real halte.)


    Die DVD habe ich gestern bestellt: Ganz uneigennützig als Geburtstagsgeschenk für meinen Mann. :friends::wink:

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)