Lorenz Filius - Flurgedanken, Momente zwischen Kommen und Gehen

  • Was mag geworden sein aus jener Tradition der deutschen Dichtkunst, die einstmals seine begabtesten Lyriker zu fördern und zu pflegen bereit war, wenn ein Poet von solch einzigartiger Mischung aus Feingefühl und Aussagekraft wie Lorenz Filius seine Werke abseits der etablierten Verlagsinstitutionen zu publizieren hat?
    Ein Aufschrei der Empörung müsste die kommerziellen, entseelten Mechanismen der Literaturindustrie erschüttern und ihre kapitalorientierte Handhabung zutiefst in Frage stellen! Dem gegenüber steht allein der lyrische Modernist, sich erhebend aus dem Kanon der klassischen Versverfechter dank einer individuellen und verblüffend umfangreichen Stimmgewalt.
    Die sublim entfesselte Wortakrobatik im Rahmen eines harmonischen Textbilds vermag den Leser aus seiner Gleichmütigkeit zu reißen und mitzunehmen als vertrauter Gefährte auf eine Reise zwischen Weltentdeckung und Endstation Sehnsucht. Tiefgründige Gedankenketten, die in rhythmischem Gleichklang um den Mikrokosmos des Alltags kreisen, dann wieder die menschenleere Endlosigkeit des Universums in einer einzelnen Zeile spiegeln - wie das Extrakt einer Gehirnzelle kurz nach ihrer Teilung. In jedweder Form, in jedwedem Vers offenbart sich dem Leser die Vielfältigkeit des menschlichen Lebens und bereichert sie mittels jäh überraschender Wahrhaftigkeit. Ein gekonnter Seiltanz balancierend zwischen Humoreske und Ernsthaftigkeit, voll Umkehrschlüsse und voll trefflicher Assoziationen, die uns, die stillen Weggefährten, bald mit heißer Stirn, bald mit schwerer Brust auf den Durchstich der Wirklichkeit fallen lassen: Weil diese Art der Poetik ob seiner philosophischen Doppelbödigkeit uns immer wieder flüchtig innehalten lässt, um Atem schöpfend dem Pulsschlag unseres eigenen Lebens zu horchen.
    Die Ruhe, die nach oben strömt, vergisst im Aufstieg ihren Zorn, Gedanken lügen mir ins Ohr, ich hätte mich an sie verlor´n.
    Und während aus der Profundität seines Schöpfers ein "Tiefseefisch mit Leuchtorgan" ans Bewusstsein steigt, meldet der beeindruckte Kritiker die (unwiderrufliche) Ankunft eines förderungswürdigen, weil höchst begabten deutschen Dichters.



    Peter Pitsch