Gide, André - Die Ringeltaube / Le Ramier

  • Ich denke mal, dass dieses Büchlein ein Bonbon für Gide-Kenner ist, aber nicht zum Einstieg gedacht ist.


    Deshalb direkt zum Aufbau. Die 74 Seiten setzen sich folgendermaßen zusammen: Ein Vorwort von Catherine Gide, der Tochter und eine Vorrede von Jean-Claude Perrier von insgesamt 15 Seiten. Ein Nachwort von David H. Walker von starken 38 Seiten Länge, Nachweise und Anmerkungen 5 Seiten. Sinn und Zweck dieser ganzen Reden ist das Pro und Kontra, ob diese 15 Seiten „Die Ringeltaube“ die André Gide nicht zur Veröffentlichung frei gegeben hat, nachträglich veröffentlich werden durften?


    Zu damaliger Zeit hätte diese Veröffentlichung wohl zu einer Verhaftung geführt, dafür sind die 15 Seiten zu eindeutig. Gide lernt den Teenager Ferdinand auf einem Fest kennen, „zufällig“ fahren sie gemeinsam nach Hause und verleben eine Nacht miteinander. In der heutigen Zeit nichts Außergewöhnliches mehr. Dennoch bleibt für mich einfach die respektvolle Frage, ob man sich nach dem Tod eines Autors über dessen Wünsche hinwegsetzen darf? (Max Frisch wird derzeit ja auch ausgeschlachtet.) Nun, darüber sollen sich andere die Köpfe einschlagen. Ich denke mal, dass es für richtige Gide-Fans ein Bonbon ist.


    André Gide wurde 1869 in Paris geboren. Schon früh hatte er Kontakte zur französischen Avantgarde und schloß Freundschaft mit Mallarmé, Claudel, Valéry und Oskar Wilde. 1895 heiratete er seine Cousine Madeleine Rondeaux. Die Ehe war aufgrund seiner homosexuellen Neigung schwierig. 1909 begründete er als Herausgeber die Nouvelle Revue Francaise und war jahrzehntelang einer der wichtigsten Literaten seiner Zeit. Für sein literarisches Schaffen erhielt er 1947 den Nobelpreis. Gide starb 1952 in Paris.