"Bildungsromane" - Top oder Flop?

  • Mein letzte Lektüre "Cohn & König" von dem sehr ambitionierten Joachim Helfer warf bei mir eine Frage auf: was schätzt eine bestimmte Gruppe von Lesern an kopflastigen, verkünstelten Schachtelsätzen, bei denen man an seinen Deutschkenntnissen und seinem Intellekt zweifelt, der wahrscheinlich überdurchschnittlich sein muss, um zu verstehen, was der Autor einem mitteilen will? Um zu verdeutlichen, was ich meine, hier der Link.
    "Cohn & König".
    Dieser Roman wird als "Bildungsroman der anderen Art" beschrieben, und ich weiß nun, dass ich um solche Bücher einen weiten Bogen mache. Ich habe kein Wort verstanden, musste jeden Satz mehrmals lesen und habe schließlich entnervt aufgegeben. Originell mag so was ja sein, aber ist es noch unterhaltsam? Meiner Meinung nach sollen Bücher zum Nachdenken anregen, aber auch in erster Linie gut unterhalten.


    Kennt ihr ein ähnliches Beispiel? Ein Buch, in dem die einzigartige Sprache und Feinsinnigkeit in den Himmel gelobt wird, das euch aber überhaupt nichts sagen konnte?

  • Wie gesagt, mit Cohn & König erging es mir genauso. Ich war so begeistert von der Beschreibung und am Ende eigentlich nur noch verwirrt, was den Inhalt angeht ... Teilweise hat man die Sätze auch nach mehrmaligem Lesen nicht verstanden und dann inhaltlos einfach übersprungen. Ich hab mich bis zum Ende gequält, aber nur noch den Schatten einer Ahnung, was im Verlauf geschehen ist, wer sich wie verändert hat und wer welche Fehler beging. Mit vollendeter Lektüre weiß ich glaube kaum mehr als du mit abgebrochener ...


    Ich weiß nicht, ob es ein Bildungsroman in dem Sinne ist, aber mit Nabokov's Lolita ging es mir ähnlich. Wurde auch himmelhoch gelobt - vielleicht auch hauptsächlich wegen des Skandals - und selbst meine Mama hat mich komisch angeguckt, als ich es auf dem Nachttisch liegen hatte. In Russland wurde sich damals ja darüber der Mund zerrissen, aber ich persönlich konnte kaum was damit anfangen. Abgesehen von der sehr makaberen Geschichte hab ich es parallel zu den "Vokabelangaben" im Anhang des Buches gelesen, weil es vor versteckten Anspielungen, Doppeldeutigkeiten mit Orten und historischen Ereignissen, Namensbedeutungen und und und ... fast platzte. Mein Lesefluss war dadurch schon gehemmt, aber auch ansonsten hat mir das Buch ziemlich wenig gegeben, hab mich eher durchgequält. War zwar nicht ganz so krass und unnötig verkompliziert wie Cohn & König, würde ich aber auf einer ähnlichen Ebene einordnen.

    merveille.


    It was that kind of a crazy afternoon, terrifically cold, and no sun out or anything,
    and you felt like you were disappearing every time you crossed a road.


    Catcher in the Rye. ♥

  • Das Wort "Bildungsroman" war mir nicht geläufig, aber in Wikipedia habe ich einen Artikel gefunden. Mit dem Begriff "Entwicklungsroman" kann ich mehr anfangen.


    Ich erspar es mir, den Artikel zusammenzufassen, nur hier die Beispiele für klassische Bildungsromane:


    Christoph Martin Wieland- Geschichte des Agathon
    Johann Wolfgang Goethe - Wilhelm Meisters Lehrjahre
    Johann Wolfgang Goethe - Werther
    Karl Philipp Moritz- Anton Reiser
    Gustav Freytag - Soll und Haben.
    Gottfried Keller - Der grüne Heinrich
    Adalbert Stifter - Der Nachsommer
    Charles Dickens - David Copperfield
    Hermann Hesse - Demian
    Thomas Mann - Der Zauberberg
    Thomas Mann - Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull
    Peter Handke - Der kurze Brief zum langen Abschied
    Christian Kracht - Faserland von Christian Kracht
    Michel Houellebecq - Elementarteilchen

    Ich habe zwar von dieser Liste nur fünf Romane gelesen, von denen ich allerdings keinen als kopflastig bezeichnen würde. (Falls man nicht Thomas Mann generell kopflastig nennen würde :wink: )

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)