David Foster Wallace - Unendlicher Spaß / Infinite Jest

  • „Wenn Sie nach einem Monat Lektüre aus diesen Seiten heraustreten, sind Sie ein besserer Mensch. Es ist verrückt, aber auch schwer zu leugnen. Ihr Verstand ist gestärkt, weil er einen Monat lang trainiert wurde, und was noch wichtiger ist, Ihr Herz ist praller.“ Diese schöne Aussage stammt von Dave Eggers aus dem Vorwort 2006 und stimmt, wenn auch nur teilweise. Denn ein besserer Mensch wird man durch das Lesen dieses Buches sicherlich nicht. Dafür erweitert es den eigenen Wortschatz ungemein und lässt einen die heutige Konsumgesellschaft etwas kritischer betrachten.


    Inhalt: Doch fangen wir ganz von vorne an. Um was geht es in dem rund 1550 Seiten starken Roman den eigentlich? Die überbordende Handlung spielt in naher Zukunft in einem Amerika, das mit Kanada und Mexiko die Organisation der nordamerikanischen Nationen bildet und von radikalen Separatisten in Kanada bekämpft wird. Zu den diversen Protagonisten zählen unter anderem der begabte Hal Incadenza, welcher an der Enfield Tennis Academy kurz E.T.A., studiert, sein verstorbener Vater James, der einen Film gedreht hat, welcher so unterhaltsam ist, dass man sich von ihm nicht mehr abwenden kann und deshalb verdursten und verhungern, sowie Ex-Junkie Don Gately, der als Betreuer in der Drogen-Entzugsanstalt Ennet House tätig ist. Sie, genauso wie viele andere Figuren in Unendlicher Spass, sind bzw. waren auf irgendeine Weise süchtig. Sei es nun nach Drogen, Erfolg oder eben Unterhaltung.


    Meine Meinung: Obwohl es in dem Roman viel um Sucht und andere ernste Themen wie den Tod, Misshandlungen, Gewalt etc. geht, hat man des Öfteren etwas zu lachen. Denn immer wieder gibt es sehr unterhaltsame Passagen, die vor Ironie und Gesellschaftskritik nur so strotzen. Hinzu kommt die schier unglaubliche sprachliche Kreativität von DFW, welche der Übersetzer, Ulrich Blumenbach, meiner Meinung nach wirklich sehr gut ins Deutsche übertragen hat. Hut ab dafür! Nicht zuletzt ihm habe ich es zu verdanken, dass ich nun doch noch in den Genuss dieses Meisterwerks der amerikanischen Literatur gekommen bin. Allerdings ist es auch auf Deutsch fast unmöglich alles zu verstehen. Davon sollte man sich jedoch nicht abschrecken lassen. Genauso wenig wie vom schier unendlichen Umfang des Buches. Ansonsten verpasst man womöglich noch eines der, wenn nicht sogar das literarische Ereignis dieses Jahres.


    Meine Wertung: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • Danke für deine Rezension, Coldblood! :thumleft:


    Mich interessiert das Buch ja schon allein deshalb, weil es so dick ist. Ich liebe dicke Bücher! Vom Inhalt her klingt es auch ganz ansprechend.


    Eine Frage habe ich noch an dich, Coldblood: Wie lange hast du an dem Buch gelesen? :lol: Liest es sich sehr anstrengend?


    :flower:

    "Hab Vertrauen in den, der dich wirft, denn er liebt dich und wird vollkommen unerwartet auch der Fänger sein."
    Hape Kerkeling


    "Jemanden zu lieben bedeutet, ihn freizulassen. Denn wer liebt, kehrt zurück."
    Bettina Belitz - Scherbenmond


    http://www.lektorat-sprachgefuehl.de

  • Vielen Dank für deine tolle Rezension, Coldblood :thumright:.
    Ich hatte das Buch letztens in der Hand. War aber zum einen durch die Dicke des Buches abgeschreckt, und zum anderen, ob das Thema etwas für mich ist ;). Aber nun hast du mich sehr neugierig gemacht.

    Narkose durch Bücher - Das Richtige ist: das intensive Buch.
    Das Buch, dessen Autor dem Leser sofort ein Lasso um den Hals wirft, ihn zerrt, zerrt und nicht mehr losläßt.


    :study: Sarah J. Mass - Throne of Glass / Die Erwählte :study:

  • Hallo Coldblood,
    erstmal Danke für die schöne Rezi. Habe mich im Vorfeld schon mal ein wenig über den Autor informiert, den man durchaus
    als nicht nur literarisches Genie betrachten kann. Auf jeden Fall, hat sich hieraus und durch deine interessante Rezi mein Interesse
    an seinem Werk noch gesteigert. Nehme also jetzt mein Herz in die Hand und wage mich an das umfangreichste (und wahrscheinlich
    neben Durrells`- Alexandria Quartett), schwierigste Buch meiner "Lesekarriere". Werde meinen ersten Eindruck dann umgehend
    mitteilen.
    Beste Grüße :winken:

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Haruki Murakami - Die Stadt und ihre ungewisse Mauer

    :study: Joseph Roth - Hiob (MLR)

  • gaensebluemche: Ich habe ca. einen Monat gebraucht, um es zu lesen. Durchschnittlich habe ich so 20-25 Seiten pro Stunde geschafft, da ich öfters gewisse Passagen mehrmals lesen musste, um sie wirklich zu verstehe. Die grösste Schwierigkeit sind allerdings die elend langen Sätze, welche sich teilweise über eine halbe Seite erstrecken, was anfangs doch etwas gewöhnungsbedürftig war. Genauso wie die vielen (rund 400) Fussnoten, welche etwa 200 Seiten des Buches einnehmen. Man muss also immer wieder hin und her blättern, was dank zwei Lesebändchen aber sehr gut funktioniert.
    Es ist also wirklich ein etwas anderes und teilweise echt anstrengendes Leseerlebnis. Aber glaub mir, es lohnt sich! ;)


    taliesin: Freut mich, dass ich dich für das Buch begeistern konnte. Bin auf deinen Eindruck schon sehr gespannt. :)

  • Danke, Coldblood, für die ergänzenden Infos! Das schreckt mich jetzt zwar nicht ab, ich weiß aber zumindest, dass ich Zeit brauche, um dieses Buch zu lesen. Die hab ich im Moment aber nicht, deswegen bleibt das Buch wahrscheinlich erst mal länger auf meiner Wunschliste. :wink:


    :flower:

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  • Das kann ich sehr gut verstehen. Denn Zeit brauchst du dafür wirklich. Ansonsten hat es keinen Zweck. Sonst endet das Ganze womöglich noch in einer Leseflaute, wie es mir bei Kings Es gegangen ist. Und das möchte ich irgendwie nicht verantworten. ;)

  • Das kann ich sehr gut verstehen. Denn Zeit brauchst du dafür wirklich. Ansonsten hat es keinen Zweck. Sonst endet das Ganze womöglich noch in einer Leseflaute, wie es mir bei Kings Es gegangen ist. Und das möchte ich irgendwie nicht verantworten. ;)


    :lol: Kann ich verstehen. Da brauchst du dir aber keine Sorgen zu machen. :wink:


    :flower:

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  • Coldblood:
    Danke für die schöne Rezension.
    Ich hatte es mir mal von der Stadtbücherei ausgeliehen - aber es war wohl der falsche Zeitpunkt, ich habe es ungelesen zurückgebracht. :(
    Auf jeden Fall werde ich mir das Buch nochmals ausleihen und es mir vornehmen.


    :winken:

  • Hab ihn geschafft, oder auch, er hat mich geschafft. Spaß beiseite, nach anfänglichen Schwierigkeiten mit
    ellenlangen Sätzen und verschlungenen Handlungssträngen (ich wurde gewarnt), wurde der Knoten so ungefähr nach
    100 Seiten durchtrennt (Alexander der Große lässt grüßen. Von diesem Moment an, konnte ich dieses schlichtweg
    geniale Werk kaum noch aus der Hand legen. Einen so leidenschaftlichen und mitreißenden Sprachstil habe ich bis dato
    nur in Thomas Wolfes Roman - "You can`t go home again" kennenlernen dürfen. Werde mich jetzt noch intensiver mit diesem
    Autor beschäftigen und meinen Buchhändler ein wenig nerven. Herzlichen Dank nochmal an Coldblood für die Vorstellung
    dieses wunderbaren Schriftstellers. :cheers: :cheers:

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  • Ich hatte mir das Buch im Oktober in der Bibo vorbestellt und hätte bei Platz 18 in der Vormerkliste nicht gedacht, dass ich es dieses Jahr noch zu lesen bekomme. Aber inzwischen wurden mehrere Exemplare angeschafft und so konnte ich das Buch letzte Woche abholen. Nach dem ersten zwei Seiten war ich etwas frustriert, ob ich es wirklich schaffe zu lesen, da ich abends mit meinem dauermüden Kopf nicht wirklich aufnahmefähig für diesen intensiven Schreibstil bin. Aber dieser Thread macht mir Mut (und steigert die Vorfreude auf das Eintauchen in das Buch immer mehr), dass es zu schaffen ist :wink: . Danke dafür :flower: ! (Wobei ich noch meine Zweifel habe, dass ich es pünktlich bis zum Abgabetermin am 12.1.2010 ausgelesen habe.)


    Bine

  • Ich habe David Foster Wallace schon seit längerem (genauer gesagt: schon seit seinem Selbstmord 2008 im August ...) im Auge, weil er dadurch (so sehr ich es auch bedauere) ins Licht der Medien gerückt war und mein Interesse weckte....


    Der Autor überzeugt schon bloß durch seine Biografie, die er mit in sein Werk "Infinite Jest" (Unendlicher Spaß) einwirken lassen hat.
    Das Buch habe ich auch schon seit Dezember letzten Jahres im Auge und durch diesen Thread wurde die Erinnerung wieder daran geweckt.
    Da ich die Zeit bislang nicht hatte, mir das Buch zu kaufen, um es dann konzentriert zu lesen, werde ich hoffen müssen, dass ich es gegen Sommer irgendwann tun kann.


    Das einzige von deutschen Medien aufgezeichnete Interview mit David Foster Wallace habe ich mir übrigens erneut angeschaut.
    Einst als traurig beabsichtigtes Buch angefangen, mischte Wallace (wenn auch unbewusst, wie er im Interview nennt) eine eigene Art von Humor mit ein und kreierte dadurch ein geniales, einzigartiges, lehrendes, auch sowohl gesellschafts- und medienkritisches und emotionales Buch... Ein Buch, das so umjubelt, so oft diskutiert wurde und im Menschen neue Gedankenansätze schafft, das kann doch nur gut sein, oder?



    Ich werde es jedenfalls kaufen. Ich denke, der Preis von 39,99 ist es mir wert... früher oder später, aber in naher Zukunft, wenn ich wieder die Hosentaschen voll Scheine habe!


    Hier übrigens das knapp 90-minütige Interview.

  • Ich schubse den Thread mal wieder hoch :wink:


    Das Buch hätte ich ohne den Büchertreff wohl nicht entdeckt. ich habe zwar schon meine Leseeindrücke im entsprechenden "Ich lese gerade-Thread" geschrieben, aber im Rezensionsbereich wollte ich doch noch mal mein Fazit zum Buch hinterlegen.


    Zuerst mal zur Buchausgabe selbst! Buchstäblich ein Ziegelstein. Zu schwer zum mitnehmen! Das habe ich einmal gemacht und rate jeden vernünftigeren Menschen eindeutig davon ab. Das zweite Lesebändchen ist notwendig um die Endnoten leichter wiederzufinden. Und in dem Fall gibt es viele Endnoten :loool: Und ich rate dazu, sich die Zeit zu nehmen und die entsprechenden Endnoten auch zu lesen. Obwohl ich zugeben muss, zwei längere davon eher überflogen zu haben. Für mich war es praktisch gewesen ein Personenregister anzulegen. Zeit ist übrigens ein gutes Stichwort, es braucht Zeit, etwas Ausdauer und ein wenig Ruhe um das Buch genießen zu können.



    Was bleibt als Fazit? Ich habe ein Buch gelesen, das mich einige Wochen lang beschäftigt hatte. Wallace hat mich -sehr gekonnt- durch Höhen und Tiefen geführt. Mir einen tiefen Blick in einen Spiegel gewährt und mich auf eigene Unzulänglichkeiten hingewiesen. Er hat mir seine Welt und seine Kritik daran gezeigt. Ein einfaches Lesevergnügen war es beileibe nicht, man wurde als Leser schon ziemlich gefordert. Ein großartiges Buch, dem ich sehr gerne 5 Sterne gebe! :pray:

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


    SuB-Leichen-Challenge 2024: Alle Bücher bis inkl. 2022 [-X

    Klassiker-Challenge 2024


  • Das Projekt "Unendliches Spiel" mit "Unendlichem Spaß" ist abgeschlossen. Jetzt kann man sich das komplette Buch auch vorlesen lassen, wer mag. :wink:

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  • @Farast und natürlich auch alle anderen, die sich an das Mammutprojekt gewagt haben:
    Habt Ihr es im Alltag gelesen, also neben Beruf, Haushalt, Familie usw. oder habt ihr Euch, zumindest für den Anfang, während eines Urlaubs oder einer ähnlich ruhigeren Zeit daran gesetzt?
    Ich habe außerdem ein wenig Bedenken, dass ich beginne, aus einem Grund x unterbrechen muss und dann nicht mehr hinein finde. Habt ihr kontinuierlich weiter gelesen oder auch pausiert, z.B. einige Tagen?


    Es würde mich freuen, wenn der ein oder andere noch von seinen Lesemethoden im Bezug auf das Buch berichtet.

  • @SiriNYC - ich las es neben dem Haushalt und Familie und zwar gemeinsam in einer kleinen privaten Leserunde mit Hypocritia. Dieses gemeinsame Lesen hat sehr geholfen und - wenn ich mich recht entsinne - haben wir ca 4 Wochen gebraucht.