Klappentext:
Sie wartete. Zögerte. Dann zog sie den Kopf zurück, bevor sich ihre Lippen berühren konnten. Einen Herzschlag lang sah er verletzt aus, aber dann lächelte er, blinzelte in die Sonne und sagte: „Wenn es so weit ist, dann will ich dabei sein.“ „Wenn was so weit ist?“ „Wenn du allen anderen nicht mehr in die Augen schaust, als hätten sie dir gerade den Krieg erklärt. Und wenn du merkst“ – er deutete nach vorn über die Schlucht -, „dass manches zwar aussieht wie das Ende der Welt, sie in Wahrheit aber weitergeht, drüben auf der anderen Seite.“
Meine Meinung:
Die Geschichte dreht sich um Rosa Alcantara und Alessandro Carnevare, die Nachfahren zweier großer Mafiafamilien die auf Sizilien und in ganz Italien ihr Unwesen treiben. Die beiden lernen sich zufällig auf einem Flug kennen und ahnen zu Beginn nicht wie sehr sich ihre Geschichte ineinander verweben wird. Rosas Leben ist ein Scherbenhaufen. Sie flüchtet auf das Anwesen ihrer Tante, ohne zu wissen ob das wirklich die richtige Entscheidung war. Alessandro hingegen weiß genau was ihn auf Sizilien erwartet. Er soll das Erbe seines Vaters antreten und er weiß, dass er sich dadurch in Lebensgefahr begibt. Der Leser gerät zwischen die Fronten der beiden verfeindeten Mafiafamilien und erfährt vieles über die Intrigen und Lügen in der eigenen, sowie auch in der fremden Familie. Mittendrin stehen Rosa und Alessandro und zwischen ihnen entsteht eine Liebe wider jegliche Vernunft.
Kai Meyer hat es geschafft, ein Buch zu schreiben, welches voller Emotion, Spannung und Information ist, so dass der Leser sich auf keiner Seite langweilt. Man muss jedes Wort jeden Satz und jede Silbe einfach in sich aufsaugen, um die Hintergründe und die ineinander verwebten Geschichten zu begreifen und in ein Ganzes zu bringen. Dabei ist es keineswegs schwer verständlich oder gar anstrengend zu lesen, sondern man wird einfach in die Geschichte eingesogen und kann gar nicht anders als immer weiter zu lesen. Die richtige Stimmung im Mafia-Stil schafft er gleich zu Anfang. Rosa findet auf ihrem Ipod gähnende Leere bis auf ein Lied: My Death von Scott Walker. Ich empfehle jedem Leser dieses Lied einmal anzuhören, denn es versetzt einen genau dorthin wo man in diesem Moment sein möchte: In das Italien der großen Mafiazeit.
Wer hinter der Kurzbeschreibung einen Abklatsch von Shakespeares Romeo und Julia vermutet, wird schnell eines Besseren belehrt. Die Grundlage, die verbissene Feindschaft zweier Familien und die aufkommende Liebe der jungen Sprösslinge ist sicher die gleiche, aber die Umsetzung ist für mich einmalig. Die Beziehung zwischen Rosa und Alessandro ist keine rein romantische, sondern hat auch immer einen leidenschaftlichen und animalischen Unterton. Zudem wissen beide um ihre Pflichten, die Ihnen oftmals schmerzhaft bewusst werden. Auch die Darstellung der Mafia, bei der ich Angst hatte, dass es in Klischees ausartet, hat mich wider Erwarten sehr begeistert. Ich bin kein großer Fan von Der Pate und ähnlichem, aber in Arkadien erwacht spürt man regelrecht die ständige Gefahr in der sich die Protagonisten befinden, was die Spannung stetig auf dem Höhepunkt hält.
Auch fantastische Elemente lässt der Autor in die Geschichte einfließen. Dieses setzt er um, in dem er griechische Mythen mit der heutigen Zeit verknüpft. Doch ich möchte an dieser Stelle nicht zu viel verraten, um niemandem die Spannung zu nehmen. Nur so viel: Die Familien tragen ein Geheimnis in sich, dass jederzeit ausbrechen und zur Gefahr werden kann.
Durch das Lesen des Merle-Zyklus hatte ich von Kai Meyer wieder einen gnadenlosen Cliffhanger erwartet, doch zu meiner Überraschung ist dem nicht so. Arkadien erwacht lässt sicherlich wieder einige Fragen offen, doch an sich sind ein Großteil der Handlungsstränge in sich abgeschlossen und lassen den Leser doch recht zufrieden zurück. Trotzdem steigt die Vorfreude und die Spannung auf den Folgeband, da man Rosa und Alessandro einfach nicht verlassen möchte und wissen will, welches Geheimnis die Arkadischen Dynastien bergen.
Arkadien erwacht hat mich sehr berührt. Selten habe ich bei einem Buch so viele Emotionen empfunden wie bei diesem. Beim Lesen war ich hin und hergerissen zwischen Freude, Traurigkeit, Spannung, Wut und Angst und ich habe mich förmlich in die beiden Protagonisten verliebt. Kai Meyer hat eine Welt geschaffen, in der sich Realität und Fantasie fast sanft vermischen, so dass ich mich jetzt schon nach Sizilien zurücksehne. Ich habe ehrlich gesagt gerade nicht wenig Lust die Schauplätze einmal selbst zu bereisen, doch vorher werde ich sicher noch ein zweites Mal in diese Geschichte eintauchen.
Zitat„Eines Tages“, sagte sie, „fange ich Träume ein wie Schmetterlinge.“
„Und dann?“, fragte er.
„Lege ich sie zwischen die Seiten dicker Bücher und presse sie zu Worten.“
„Was, wenn jemand immer nur von dir träumt?“
„Dann sind wir beide vielleicht schon Worte in einem Buch. Zwei Namen zwischen all den anderen.“
Kai Meyer – Arkadien erwacht S.11
Bewertung: