Charlotte Link - Am Ende des Schweigens

  • Mein Fazit:

    Zitat von Charlotte Link

    Eine eigenartige Stille lag über Stanbury.
    Eine große und umfassende Stille, so als habe die Welt aufgehört zu atmen.

    (Seite 7)


    Dieses Zitat ist der Beginn einer Geschichte, die vielschichtiger nicht sein könnte. Elf Personen sind in das Drama um Stanbury House verwickelt und sechs überleben das Massaker. Wer der Frage nachgeht, wer welche Geheimnisse mit sich trägt, kommt auch der Antwort nach dem Mörder ziemlich nahe.


    Drei Ehepaare machen immer wieder gemeinsam Ferien in Stanbury House. Leon und Patricia gehört das Anwesen, wobei ziemlich schnell klar wird, das Patricia die dominante Person in der Ehe ist. Leon, erfolgloser Anwalt, fühlt sich dem Druck seiner Frau nicht mehr gewachsen und der Schuldenberg wächst ins Unermessliche. Die beiden Töchter kommen ganz nach Patricia: Alle Annehmlichkeiten werden als selbstverständlich hingenommen. Tim ist als Psychotherapeut sehr erfolgreich und will gerade an seiner Doktorarbeit schreiben, während Evelin den Verlust ihres Kindes vor vielen Jahren noch immer nicht verwunden hat. Aus Kummer und mangelndem Selbstbewusstsein frönt sie heimlich ihren Fress-Orgien. Ihrer Tollpatschigkeit ist es zu verdanken, dass sie ständig irgendwelche Verletzungen hat. Alexander ist Universitätsprofessor und gerade erst frisch mit Jessica verheiratet. Seine Tochter Ricarda steckt mitten in der Pubertät und ist das erste Mal schwer verliebt. Sie lehnt Jessica ab. Obwohl dies nicht der Tatsache entspricht, gibt Ricarda ihr die Schuld am Scheitern der Ehe ihrer Eltern.


    Und dann ist da noch der Außenseiter Philip Bowen, der glaubt, einen Anteil an Stanbury House zu haben. Seine Mutter hatte vor kurz vor ihrem Tod Kevin McGowan als Vater genannt, aber es gibt keinerlei Beweise für die damalige Affäre. Kevin McGowan lebte völlig zurückgezogen in Stanbury House, ehe er es seiner Enkeltochter Patricia nach seinem Tod vererbte. Philips Schatten ist Geraldine. Geraldine ist ein mittelmäßiges Model und unterstützt ihn seit Jahren, obwohl er ihr immer wieder zu verstehen gibt, dass er sie nicht liebt. Trotz aller Demütigungen hält sie an ihm fest und sie versucht ihn von seinem Fanatismus abzubringen. Doch das scheint für sie aussichtslos zu sein, bis dieses Verbrechen geschieht!


    Die Geschichte beginnt mit ruhigem Tempo. Alle Figuren erhalten ausreichend Platz, um sich zu präsentieren. Am Anfang kam ich mit den Paar-Konstellationen manchmal etwas durcheinander, aber das gibt sich mit der Zeit. Meist ist Jessica die Hauptfigur, denn sie ist neu in die Gruppe gekommen und kann in einem neutraleren Blickwinkel die Situationen beurteilen. Von Anfang an spürt sie unterschwellig Spannungen zwischen den Paaren und sie selbst nimmt sich da nicht aus. Ihr sind ständige Gruppen-Aktivitäten zuwider und löst mit ihrer individuellen Urlaubsgestaltung ebenfalls Diskussionen aus. Von der Schwangerschaft weiß nur ihr Mann und um auf Evelin Rücksicht zu nehmen, soll es auch erst so bleiben. In einigen Abschnitten wird die verdrehte und beidseitig abhängige Beziehung zwischen Philip und Geraldine erzählt. Auch hier tun sich Abgründe von zwischenmenschlichen Beziehungen auf und eins ums andere Mal musste ich schon tief schlucken.


    Da im weiteren Verlauf Jessica als Haupt-Protagonistin auftaucht, ist ziemlich schnell klar, dass sie nicht die Mörderin von Stanbury House sein kann. Sie kann nicht um ihren Mann trauern, denn sie selbst wurde von ihm sehr verletzt. Aber sie beginnt Fragen zu stellen, bei allen Überlebenden!


    Ab der Hälfte des Buches konnte ich mich nicht mehr richtig davon losreißen. Es baute sich immer mehr die Spannung auf und die Auflösung ist infernal wie auch verstörend. Denn damit werden Geheimnisse preisgegeben, die ich so nicht vermutet habe (und ich habe viel überlegt). Sehr geschickt hat die Autorin Spuren gelegt, kaum wahrnehmbar und harmlos wirkend. Und doch passt alles zusammen. Dabei hat sie die verschiedenen tiefgründigen Persönlichkeiten gekonnt in Szene gesetzt, dass ich manchmal erschrocken den Atem angehalten habe. Alle Figuren waren für mich greifbar, nicht alle sympathisch, aber doch für mich sehr gut vorstellbar. Manchmal glaubte ich sogar, ich würde dort irgendwo in einer Ecke sitzen und gespannt den Geschehnissen lauschen.


    Ein großartiger Roman, für mich ein echter Pageturner. Ich bin ja eher nicht so die Krimi-Spezialistin, aber dieser hat mir ausgesprochen gut gefallen. Denn es stehen die menschlichen Abgründe im Vordergrund, die Auflösung resultiert dann automatisch. Diese Geschichte ist ein wunderbares Beispiel, was Lügen und Schweigen auf Jahre hin auslösen können. Fünf Sterne und eine klare Lese-Empfehlung von mir.

  • Ein großartiger Roman, für mich ein echter Pageturner. Ich bin ja eher nicht so die Krimi-Spezialistin, aber dieser hat mir ausgesprochen gut gefallen. Denn es stehen die menschlichen Abgründe im Vordergrund, die Auflösung resultiert dann automatisch. Diese Geschichte ist ein wunderbares Beispiel, was Lügen und Schweigen auf Jahre hin auslösen können. Fünf Sterne und eine klare Lese-Empfehlung von mir.

    Kann ich nachvollziehen :thumleft: Ist auch neben "Das andere Kind" mein Lieblingsroman der Autorin. Und sie hat ja nicht gerade wenige gschrieben ^^ . Danke für Deine Rezi !

  • Meine Gedanken und Eindrücke
    Die Bücher von Charlotte Link mag ich an und für sich sehr gerne, und dieses hier war gewiss eines der spannendsten, das ich von dieser Autorin gelesen habe. Bereits am Anfang der Geschichte wird die scheinbar friedliche und idyllische Ferienatmosphäre in Stanbury House durch ein grausames Verbrechen zerstört.
    Drei Ehepaare verbringen hier mit ihren Kindern sämtliche Urlaube, sind doch die Männer seit Internatstagen eng miteinander befreundet. Die Besitzer des Hauses, Patricia und Leon mit ihren beiden Töchtern, repräsentieren das perfekte, erfolgreiche Paar, denen sowohl im Privat- wie auch im Berufsleben alles gelingt, während sich der Psychologe Tim mit einer depressiven, wegen ihrer Kinderlosigkeit todunglücklichen Ehefrau herumschlagen muss. Alexander ist erst seit einem Jahr zum zweiten Mal mit der Tierärztin Jessica verheiratet. Die junge Frau, die von Alexanders 15-jähriger Tochter Ricarda völlig abgelehnt wird, muss sich in der verschworenen Gemeinschaft erst zurechtfinden. Jessica ist es auch, die nach der Heimkehr von einem Spaziergang mit dem Massaker konfrontiert wird.
    Erst nach und nach wird im Rückblick klar, welches Erlebnis die drei Männer so zusammengeschweißt hat, wie brüchig die Fassade ist, die von den Paaren aufrechterhalten wird, warum Alexanders erste Frau nicht weiter Teil dieser Gemeinschaft sein wollte. Zwei der Paare fand ich recht glaubwürdig, Tim und Evelin hingegen waren mir doch etwas überzeichnet und charakterlich zu einseitig dargestellt.
    Gut gefallen hat mir auch Ricarda, ein ruppiger Teenager, der auf der Suche nach dem eigenen Weg instinktiv spürt, dass in dieser Ferienidylle so gut wie nichts so ist, wie es zu sein scheint, und sich um jeden Preis abzusetzen versucht.
    Weitere interessante Figuren sind Philip Bowen und seine Freundin Geraldine, ein wunderschönes Fotomodell. Wie sehr sie sich in die Idee verrannt hatte, mit Philip eine Familie gründen zu wollen, obwohl seinerseits nicht das geringste Interesse besteht, hat Charlotte Link meiner Meinung nach sehr realistisch dargestellt. Geraldine ist bereit, alles für Philip zu tun, um ihn für ihre Pläne zu gewinnen, und will gar nicht wahrhaben, wie sehr sie ihm mit ihrer Bevormundung auf die Nerven geht. Solche Frauen gibt es tatsächlich, und zeitweise konnte ich Geraldine meine Hochachtung für ihre Verbissenheit und Unbeirrbarkeit nicht versagen.
    Philips Zwangsvorstellung hingegen, mit Patricia verwandt zu sein, und einen Anspruch auf Stanbury House zu haben, konnte ich nicht so recht nachvollziehen. Dass ein junger Mann den größten Teil seiner Zeit opfert, um sich andauernd um das Objekt seiner Begierde herumzutreiben, falls er nicht in Bibliotheken und Archiven nach den Spuren seines vermeintlichen Vaters sucht, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Dieser Konstellation war nicht viel abzugewinnen, und auch die Auflösung des Falles hat mich nicht überrascht. Letztlich fehlte mir eine überraschende Wendung, doch konnte dieses Ende meiner Begeisterung für das Gesamtkonzept keinen Abbruch tun.
    Charlotte Link hat mich mit diesem Roman sehr gut unterhalten, und vermochte mich von Anfang an so in ihren Bann zu ziehen, dass ich die rund 600 Seiten in nur zwei Tagen gelesen habe. Wer eine spannende Lektüre für zwischendurch sucht, wird mit diesem Buch gewiss gut beraten sein.

  • Meine Meinung


    An sich ist die Story des Buches schon recht interessant. Man rät ein wenig mit, was passiert sein kann und es wurden auch genug Verdächtige in die Geschichte „gebastelt“. Ich für meinen Teil fand es allerdings recht zäh zu lesen und teilweise dümpelte die Geschichte seitenweise nur so vor sich hin und man wünschte sich wieder ein bisschen mehr Spannung. So ab der Hälfte des Buches hatte ich das Gefühl nicht mehr wissen zu wollen, was nun passiert war und mich nervten teilweise Handlungsstränge von Nebencharaktere, die im Endeffekt nur eingebaut wurden, um eventuelle Verdächtige für den Leser darzustellen. Ich muss gestehen, dass ich mir nach Ende des Buches bewusstwurde, dass ich die ganze Zeit richtig lag mit meiner Vermutung. Allerdings habe ich nicht ganz verstanden, wie die Polizei „Entwarnung“ bei der Person gab. Grundsätzlich habe ich dann aber die letzten 100 Seiten wieder verschlungen – da wurde der Spannungsboden und die Dramatik angehoben. Das Ende empfand ich als gut gewählt und hinterlässt einen faden Beigeschmack über die Ursache wie alles kam.


    Fazit:  :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb:

    Lesen ist das Trinken von Buchstaben mit den Augen (Hermann Lahm) :study: