Jeannette Walls - Schloss aus Glas / The Glass Castle

  • Ich bin heute mit der Biografie fertig geworden, lesen es ja derzeit in der Leserunde hier im Forum. Eigentlich wollte ich mich auch dem Leserundentempo anpassen, aber das Buch ist dermaßen spannend, dass ich gar nicht mehr mit dem Lesen aufhören konnte (und das obwohl ich in den letzten Wochen eine regelrechte Leseflaute hatte).


    Ich finde das Buch schwankt wirklich immer zwischen zwei Extremen. Zwischen Schockiertsein und Schmunzeln, zwischen fraglicher Erziehung und schönen Momenten. Unglaublich fand ich es manchmal auch, dass das Buch auf wahren Begebenheiten ruht. Trotzdem hat mir der Schreibstil gut gefallen, die Geschichte riss mich richtig mit, denn manchmal habe ich mit den Kindern mitgezittert, gebangt, gehofft und gebetet.


    Kann das Buch auf jeden Fall weiterempfehlen!
    Gänseblümchen

  • Zitat

    Original von Gänseblümchen
    Eigentlich wollte ich mich auch dem Leserundentempo anpassen, aber das Buch ist dermaßen spannend, dass ich gar nicht mehr mit dem Lesen aufhören konnte


    Mir ist es genauso ergangen. Obwohl ich eigentlich nicht viel Zeit hatte, habe ich das Buch innerhalb drei Tagen gelesen. Ich konnte einfach nicht aufhören.


    Am Anfang fand ich es noch romantisch (auf eine abstrakte Weise), danach jedoch verlor das Buch jegliche Sternenhimmelromantik, was ganz und gar nicht schlimm ist. Denn es hat mich dennoch gefesselt. Ich habe gezittert und mitgefiebert, damit die Kinder nach New York schaffen.



    Falls jemand jedoch auch die Kritik lesen möchte, empfehle ich ein Blick in die Leserunde.




    LG

  • Ob sich nun alles so zugetragen hat, wie im Buch beschrieben, sei mal dahingestellt, ich habe da schon meine Zweifel.


    Das Buch liest sich leicht, wenn mir persönlich die zweite Hälfte besser gefallen hat, als die erste. Während die Erlebnisse ihrer frühen Kindheit eher emotionslos "aufgezählt" und aneinandergereiht werden, lässt Jeannette Walls in den Schilderungen der späteren Kindheit erkennen, dass sie sehr wohl Schamgefühl und Ängste kennt, dass sie dieses Leben mehr als hinterfragt und es ist bereits ihr Ehrgeiz erkennbar, das Leben selber in die Hand zu nehmen, es "besser" - oder "anders" - zu machen. Schön, dass es ihr gelungen ist.

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Ich habe das Buch nun auch ausgelesen. Auf mich hat es wie ein fiktionaler Roman gewirkt und wenn man sich bewusst macht, dass das Beschriebene sich ja tatsächlich so zugetragen hat, ist man erstmal sprachlos und beeindruckt.
    Die Erziehungsweise ist zwar wirklich fragwürdig. Aber ich fand sie auch unglaublich faszinierend. Und die antiautoritäre, laissez-faire Einstellung kann einerseits als verantowrtungslos dargestellt werden. Aber andereseits habe ich den Eindruck, dass das, was die Eltern erreichen wollten, ja auch erreicht wurde; die Kinder konnten ihren eigenen Weg gehen und können sich, vielleicht sogar stärker als diejenigen unter uns, die behütet aufwuchsen, gegenüber anderen Menschen behaupten.
    Man kann den Roman auch als Erziehungsratgeber lesen. Natürlich schwankte die Familie zwischen Extremen aber ich denke eine Erziehung, die der der Walls-Kinder ein wenig ähnelt würde unserer Gesellschaft und unserer "ach so verkommenen, materialistischen Jugend" gut tun.


    :thumright:

    Ich :study:
    J.M.Coetzee - Das Leben der Tiere
    Erzählungen von Franz Kafka
    Gedichte von Allen Ginsberg und Cummings

  • Ich lese gerade das Buch "Schloss aus Glas" von Jeannette Walls, bin jetzt ungefähr bei der Hälfte angelangt und muss sagen auf der einen Seite bin ich total fasziniert und auf der anderen total geschockt.

  • Für mich war das Buch in erster Linie einfach nur schockierend. Es ist mir schier unbegreiflich, wie unverantwortlich erwachsene Menschen handeln können.

    Aber andereseits habe ich den Eindruck, dass das, was die Eltern erreichen wollten, ja auch erreicht wurde; die Kinder konnten ihren eigenen Weg gehen und können sich, vielleicht sogar stärker als diejenigen unter uns, die behütet aufwuchsen, gegenüber anderen Menschen behaupten.
    Man kann den Roman auch als Erziehungsratgeber lesen. Natürlich schwankte die Familie zwischen Extremen aber ich denke eine Erziehung, die der der Walls-Kinder ein wenig ähnelt würde unserer Gesellschaft und unserer "ach so verkommenen, materialistischen Jugend" gut tun.

    Bei diesem Statement kann ich einfach nur mit dem Kopf schütteln. Denn auch wenn es wie eine "laissez-faire"-Erziehungen scheinen mag, sollte man dennoch ein wenig differenzieren. Anders als in anderen Familien, wo diese Erziehungsmethode vielleicht angewandt wird, fehlt es den Kindern an Grundbefürfnissen wie Essen und ein Dach über dem Kopf. Dass die Kinder machen können, was sie "wollen" (auch das mag ich so eigentlich nicht sagen), liegt einfach an der Unfähigkeit ihrer Eltern, sich um irgendetwas zu kümmern. Der Vater ein Trinker, die Mutter eine naive Künstlerin mit <<dem>> Traum. Antiautoritär passt im Zusammenhang mit dem Buch überhaupt nicht, da die Eltern ja durchaus zeigen, dass sie die Autoritätspersonen im Hause sind.
    Wie dem auch sei, das Buch ist sehr interessant und fesselnd geschrieben. Wenn man bedenkt, dass es sich um eine Autobiografie handelt, läuft es mir kalt den Rücken herunter :pale:


    Empfehlenswert: 5 Sterne

    Um zu verstehen, warum manche überall ihren Senf dazugeben, musst Du lernen, wie eine Bratwurst zu denken.

  • Habe mich einer Leserunde angeschlossen und auf dem Leseplan stand dieses Buch- und was soll ich sagen, es ist endlich mal wieder ein Buch, welches ich so verschlungen habe.


    Die Autorin, inzwischen eine erfolgreiche Journalistin, beschreibt ihre Kindheitserinnerungen. Zusammen mit mit 3 Geschwistern wächst sie bei Eltern "der anderen Art" auf. Vater Alkoholiker, der keinen Job lange hat, Mutter, Lehrerin, aber eigentlich Künstlerin, die auch keinen Job lange hat. Wenn die Schuldeneintreiber zu nahe kommen, verschwindet die Familie in einer Nacht- und Nebelaktion an den nächsten Ort- und dies regelmäßig. Geld gibt es keins, Essen auch eher sporadisch und das Dach über dem Kopf ist mal da oder auch nicht. Zwischendurch ist das Buch ziemlich traurig, anrührend, spannend- auch wenn man mit der Autorin nicht tauschen möchte- eine bewegte Kindheut hat sie auf jeden Fall gehabt.

  • Da ich das Buch "Schloss aus Glas" vor kurzem günstig erworben hatte und gleich lesen musste, grab ich diesen Thread hier wieder mal aus :)


    Anfänglich überlegte ich, das Buch doch wieder zur Seite zu legen, da es sich mMn ziemlich zog, doch nach ca. 50 Seiten konnte ich es nicht mehr aus den Händen legen.
    Entsetzt über die laissez-faire-Erziehung, nein schlimmer - verantwortungslose - Erziehung, musste ich ergriffen oft das Buch beiseite legen. Ich bin wirklich erschüttert, dass es tatsächlich Eltern gibt, die sich dermaßen egoistisch, pflichtwidrig u. unbekümmert gegenüber ihren Kindern verhalten. Ganz ehrlich: ich würde lieber kinderlos bleiben, als ihnen zumuten zu müssen, in solchen Lebensverhältnisse aufzuwachsen. Unvorstellbar, dass sich dies wirklich so zugetragen hat. Und auch, dass "der Staat" dies in der heutigen Zeit so zu lässt.
    Jeannette Walls erzählt mMn sehr nüchtern, ja fast emotionslos. Am meisten wundert es mich, das es beinahe nie zu Vorwürfen ihrerseits gegenüber ihren Eltern gekommen ist. Es scheint, als hätte sie wirklich keinerlei Schaden genommen und ich bin erstaunt, dass es Wege gibt, diesem eigentlich vorgeprägten Schicksal zu entrinnen.


    Fazit: mich hat das Buch wirklich ins Staunen über die Eigenarten & Lebensphilosophien so mancher Menschen versetzt. Ich würde es jedem weiterempfehlen, denn neben dem traurigen Ernst der Sache, schafft es Jeannette Walls immer wieder, dem Leser durch ihre humorvolle Schreibweise ein Schmunzeln zu entlocken.

  • Endlich bin ich auch dazu gekommen, diesen Roman zu lesen. Und es gefällt mir sehr gut: sowohl der Schreibstil der Autorin, als auch von der Thematik her. Die Geschichte von Jeannette Walls Kindheit hat mich von Anfang an gepackt, der Roman lässt sich sehr fließend lesen und ist spannend, obwohl ich zugeben muss, dass ich beim Lesen des öfteren tief Luft holen muss, ich möchte zwar nicht alles schwarz - weiß sehen, aber so wie die Kinder in dieser Familie aufwachsen, und was sie hier und da erleben, raubt mir schon stellenweise den Atem. Bin sehr gespannt, wie die Geschichte sich weiter entwickelt.
    Danke noch mal für all die Rezensionen zu diesem Buch, die mein Interesse an dem Roman geweckt haben. :)

    2024: Bücher: 74/Seiten: 32 651

    2023: Bücher: 189/Seiten: 73 404

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    Mein Blog: Zauberwelt des Lesens
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    "Das Nicht-Wahrnehmen von Etwas beweist nicht dessen Nicht-Existenz "

    Dalai Lama

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    Lese gerade:

    Morris, Brandon Q. - Tachyon. Der Planet

  • Ein Roman, der sicherlich in meiner Erinnerung bleibt. Ein unvergessliches Erlebnis, ich bin froh, dass die Autorin die Geschichte ihrer Kindheit und Jugend mit uns geteilt hat.


    Beim Lesen habe ich ein wahres Wechselbad der Gefühle erlebt: Vom Schockiert sein bis hin zu Glücksgefühlen, wenn alles mal gut ging.
    Einige Seiten habe ich mich tapfer geschlagen, ohne in Tränen auszubrechen, dann habe ich aufgegeben und meinen Gefühlen freien Lauf gelassen. Das Buch lebt von Gefühlen. Stellenweise dachte ich, mir fällt der Kopf ab, vom lauten Schütteln, und kam aus dem Staunen nicht mehr raus. Es hörte sich teilweise so unglaublich an, und dennoch bin ich mir sicher, dass die Autorin eine wahre Geschichte erzählt.


    Eine Geschichte, die mich von der ersten Seiten an fesselte und nicht mehr los lies, auch jetzt noch, nachdem ich das Buch beendet habe, sind meine Gedanken immer wieder mal bei den Protagonisten.
    Ganz besonders hat mich angesprochen, dass die Autorin keine Anklage erhebt, sie wertet nicht, sonder schlicht und einfach ihre Geschichte erzählt, und lässt dem Leser die Möglichkeit seine eigene Schlüsse zu ziehen.
    Ein wunderbare Buch, was mich sehr bewegt hat.
    Von mir :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

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  • Mir ist die aktuelle Neuauflage in der Buchhandlung aufgefallen und dann habe ich gemerkt, dass ich es bereits zu hause hatte. Prompt gelesen und im Großen und Ganzen schließe ich mich den vorherigen Eindrücken an. Was erst wie ein Roadmovie beginnt, schockiert dann durchaus, wenn man realisiert, dass es eben keine Fiktion ist. Manchmal wirken die Geschichten sehr aneinander gereiht, aber es liest sich meist sehr flüssig, die Familie lässt einen staunend zurück und ihre Charaktere sind mir bei allem Unverständnis durchaus ans Herz gewachsen und für den einen oder anderen ungewöhnlichen Charakterzug der Eltern, konnte ich sogar Verständnis aufbringrb, allerdings überwog meist eher eine leichte Wut auf deren Egoismus. Wobei es hier ja überhaupt nicht darum geht, es ist eben eine Biographie.
    Und ja, ich glaube auch, dass es Nachwirkung zeigen wird bei mir. Habe es erst gestern Abend beendet.

  • Seit wenigen Wochen kann man in den Kinos sehen, was Hollywood aus diesem autobiographischen Roman gemacht hat. Hier geht es um Jeannette Walls, die sich als ein glückliches Kind betrachtet: Ihr Vater geht mit ihr auf Dämonenjagd, holt ihr die Sterne vom Himmel und verspricht ihr ein Schloss aus Glas. Was macht es da schon, mit leerem Bauch ins Bett
    zu gehen oder in Nacht-und-Nebel-Aktionen den Wohnort zu wechseln. Doch irgendwann ist das Bett ein Pappkarton auf der Straße, und eine Adresse gibt es schon lange nicht mehr. Jeannette Walls berichtet ohne Larmoyanz von ihrer ungewöhnlichen Kindheit in einer Familie.



    Auf den ersten Blick wirkt das Cover dieses Buches heiter und harmonisch. Man sieht eine Familie vor einem schweren amerikanischen Wagen stehen. Der Vater trägt ein kleines Kind auf seinen Schultern; die Mutter steigt aus der geöffneten Wagentür und betrachtet die karge Landschaft. Die Kinder stehen dicht nebeneinander und wirken zufrieden. Aber am blauen Himmel
    ziehen bereits dunkle Wolken auf, die das drohende Unheil ahnen lassen.



    Auch der Titel ist vieldeutig. Das vielbeschworene Schloss aus Glas ist ein schöner Traum, der im Laufe der Zeit in tausend Scherben zerbrechen wird. Der Vater der Autorin will ihr alle Sterne am Himmel schenken, ist aber nicht imstande, für seine Familie Verantwortung zu übernehmen. Ihre Sehnsucht nach einem harmonischen Heim wird sich niemals erfüllen.



    Die Erinnerungen von Jeannette Walls setzen mit ihrem 3. Lebensjahr ein und reichen bis zu ihren Studienzeiten, wo sie sich von ihren Eltern im wahrsten Sinne des Wortes "befreit". Mit ihren Geschwistern wächst Jeannette unter schwierigen Lebensumständen auf. Ihre Eltern sind nicht in der Lage, ihre Pflichten zu erfüllen. Ihr Vater ist nicht dumm, hat aber ein massives Alkoholproblem und verliert immer wieder seine Anstellungen. Ihre Mutter hat eine gute Ausbildung als Lehrerin, sieht sich selbst aber als Künstlerin und malt und schreibt lieber anstatt sich um ihre Kinder zu kümmern. Die Kinder sind sich selbst überlassen, mit physischem und psychischem Missbrauch konfrontiert und an der Grenze zur Verwahrlosung.



    Die Familie Walls lebt von der Hand in den Mund und muss immer wieder ihre Wohnorte verlassen, weil sie ihre drückenden Schulden nicht bezahlen kann, Nach und nach verlassen alle (erwachsenen) Kinder das sinkende Schiff und suchen ihr Heil in einer Großstadt; die Eltern wollen sie nicht loslassen, halten aber an ihren Vorstellungen vom selbstbestimmten Leben
    fest und gleiten unaufhaltsam in die Obdachlosigkeit ab.


    Jeannette Walls schreibt in einem distanzierten, larmoyanten Ton und verlässt niemals die Perspektive des betroffenen Kindes (beziehungsweise der Jugendlichen zu einem späteren Zeitpunkt). Sie erhebt keine schreiende Anklage, sondern bemüht sich um eine ausgewogene Darstellung. Ihre Eltern sind keine "Monster", die ihre Kinder körperlich und seelisch mißhandeln, sondern besitzen durchaus positive Eigenschaften. Allerdings sind sie in jeder Hinsicht beratungsresistent und kämpfen nicht gegen ihre psychischen Krankheiten an.
    Dieses schonungslos ehrliche Buch kann keinen Leser kalt lassen. Von mir gibt es eine klare Lese

  • Inhalt/Klappentext

    Jeannette Walls ist ein glückliches Kind: Ihr Vater holt ihr die Sterne vom Himmel und verspricht ihr ein Schloss aus Glas. Was macht es da schon, mit leerem Bauch ins Bett zu gehen oder in Nacht-und-Nebel-Aktionen den Wohnort zu wechseln. Doch irgendwann ist das Bett ein Pappkarton auf der Straße, und eine Adresse gibt es schon lange nicht mehr.

    Eine ungewöhnliche Kindheit in einer Familie, die man sich verrückter nicht vorstellen kann.


    Über die Autorin

    Jeannette Walls wurde in Phoenix, Arizona, geboren. Sie studierte am Barnard College und arbeitete über zwanzig Jahre als Journalistin in New York. Neben ihrem Debüt Schloss aus Glas (2006), das zum internationalen Bestseller avancierte, ist im Diana Verlag außerdem ihr zweiter Roman Ein ungezähmtes Leben erschienen. Jeannette Walls lebt in Virginia.


    Mein Fazit

    Es gibt Bücher, die fesseln einen schon ab der ersten Seite. Sie lassen den Leser sprach- und atemlos zurück. Jeannette Walls "Schloss aus Glas" ist zweifellos eines dieser Bücher. Wenn mir jemand vorher erzählt hätte, welches Ausmaß die Lebensgeschichte dieser Frau teilweise annimmt - ich bin mir nicht sicher, ob ich das Buch dann beendet hätte.


    Walls Eltern als "alternativ" zu bezeichnen, halte ich noch für stark untertrieben. In meinem Vokabular gibt es kein Wort, welches die Lebensweise dieser beiden vermeintlich Erwachsenen Personen auch nur annähernd beschreibt. Zwei erwachsene Menschen, die sich gegen ihr Elternhaus und die damals gängigen gesellschaftlichen Strukturen auflehnen und versuchen auszubrechen. Sie verlieben sich, heiraten und bekommen Kinder. Und von diesem Punkt an bricht ein lebenslanges Chaos aus, welches sie selbst nicht in den Griff bekommen und es letztlich auch droht die gemeinsamen Kinder zu verschlingen. Der Vater auf der einen Seite ein Trinker und Glücksspieler, andererseits aber auch phantasievoll und offensichtlich intelligent. Die Mutter ist emotional abhängig von ihrem Mann und, so wirkt es zumindest auf mich, psychisch krank. Die schwankenden Phasen zwischen singend und durchs Leben tanzend und sich unter der Decke verkriechen, diese egoistischen Züge "endlich mal an sich zu denken"; das klingt für mich nach einer bipolaren Störung.


    Mir ist bereits auf den ersten Seiten die Kinnlade heruntergeklappt, als sich die dreijährige Jeannette beim Kochen von Hot Dogs verbrennt. Von diesem Moment an hat mich das Buch in ein Wechselbad der Gefühle geworfen. Ich war entsetzt über die Gleichgültigkeit, die die Eltern ihren Kindern oftmals entgegenbringen. Kein noch so toll gestaltetes "Abenteuer" kann einen knurrenden Magen oder den Geldbeutel füllen, von einem Dach über dem Kopf ganz zu schweigen. Nun bemisst sich eine Kindheit gewiss nicht an der Anzahl der Spielsachen. Aber beim Lesen überkam mich das Gefühl, wie sehr man sich doch an einfachen Dingen im Leben freut. Ein Bett und eine Decke. Saubere Kleidung. Keinen Hunger leiden zu müssen. Ein Bad nehmen zu können, wann immer einem danach ist. Ein Dach über dem Kopf zu haben. Es in kalten Zeiten warm und trocken zu haben. Und an einigen Stellen auch ganz deutlich zu sehen - Regeln, die den Kindern ein Leitfaden im Leben sein können.


    Hunger und Verzicht, sozialer Abstieg, Vernachlässigung und, als die Kinder älter sind, emotionale Erpressung auf der einen Seite. Auf der anderen Seite eine "Erziehung" (wirklich nur in Anführungszeichen so zu bezeichnen) zu Unabhängigkeit, Zusammenhalt, und Selbstständigkeit. Künstlerische und persönliche Entfaltung. Wie passt das alles zusammen?! Wie kann aus einer solchen Kindheit ein gefestigter Mensch werden?

    Ich habe riesigen Respekt vor der Autorin, die diese Kindheit nicht nur einfach überlebt hat, sondern daraus auch Lehren für ihr eigenes Leben gezogen hat und, den letzten Seiten des Buches zufolge, auch ihren Frieden damit gemacht hat.

    Ich fand es sehr interessant, dass die Autorin die Geschichten aus einer gewissen inneren Distanz erzählt hat. Eine Bewertung der jeweiligen Situation überlässt sie dem Leser. Und der wird von einer skurrilen Geschichten in die nächste geworfen. Fassungslosigkeit, ungläubiges Staunen, Entsetzen, Traurigkeit, Wut - die ganze Palette an Gefühlen hat dieses Buch in mir hervorgerufen. Zwischendurch auch kleine Episoden, die die Naivität eines Kindes offenbaren. Z.B. wie Jeannette und Brian sich den Begriff "Freudenhaus" erklären. Bis sie viele Jahre später in der harten Realität ankommen und erkennen, was es damit auf sich hat.


    "Schloss aus Glas" ist so unglaublich, es klingt wie eine ausgedachte Geschichte und ist doch real. Es ist ein wahnsinnig berührendes Buch, dass den Leser so schnell nicht loslässt. Von mir gibt es dafür :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: