Erlend Loe - Doppler

  • Andreas Doppler ist ein tüchtiger norwegischer Familienvater und ein tüchtiger Angestellter im öffentlichen Dienst. Er hat eine tüchtige Frau, tüchtige Kinder, eigentlich sind alle um ihn herum irgendwie tüchtig. Das st auch ganz normal für ihn – bis zu dem Tag, an dem er auf dem Weg zur Arbeit mit dem Rad im Wald stürzt. Da liegt er leicht benommen, den Blick in den Himmel gerichtet und kommt ins Grübeln. Was bringt diese Tüchtigkeit? Am Abend geht er heim, packt in paar Sachen und zieht in den Wald. Abgeschieden von den Menschen genießt Doppler die Einsamkeit. Aber er braucht auch Lebensmittel. Die beschafft er sich zunächst aus Düsseldorfs Keller, nachdem dieser aber seine Kellertür verschließt, muss er eine Elchkuh töten. Deren Kalb, von Doppler liebevoll Bongo genannt, wird von nun an sein ständiger Begleiter, Freund und weiches Kopfkissen. Mit dem Supermarktleiter fädelt er geschickt einen Tauschhandel (Elchfleisch gegen Magermilch) ein, so ist er seine größte Sorge los. Als er wieder versucht bei Düsseldorf an Nahrungsmittel zu kommen, erwischt dieser ihn. Aus dieser Begegnung entwickelt sich langsam eine Freundschaft. Dann kommt seine Frau, die ihn hin und wieder besucht, und erzählt ihm von ihrer neuen Schwangerschaft. Bis zum Geburtstermin lässt sie ihm die Freiheit im Wald zu leben, aber im Mai soll er heimkehren. Es bleiben 6 Monate ...


    Wer kauzige, schrullige, eigenbrötlerische Protagonisten mag, wird Andreas Doppler lieben. Ohne Vorwarnung wird er zum Aussteiger und nimmt den Kampf gegen die Tüchtigkeit auf. Er erfreut sich an den kleinen Dingen im Leben, ein hübscher Käfer, eine schöne Abendstimmung, die Zweisamkeit mit dem verwaisten Elchkalb. Auf den ersten Blick ist dies vielleicht eine einfache, oberflächliche Geschichte. Aber beim Lesen wird einem unwillkürlich ein Spiegel vorgehalten und man, zumindest mir ging es so, erkennt eigene Lebenssituationen wieder. Doppler philosophiert über das Leben, die Suche nach Perfektion, die Politik und die eingefahren Gleise, die keiner gern verlässt. Das alles beschreibt Erlend Loe auf eine witzig-ironische Art, die einfach nur Lesespaß bereitet. Das Buch ist einfach und zeitlos geschrieben und entwickelt eine nicht vorher geahnte Gedankentiefe. Die knapp 150 Seiten sind recht schnell gelesen, aber ein kleiner Stachel ist stecken geblieben. Der Gedanke, wie man selbst mit der Zeit umgeht, oder ob Perfektion wirklich alles ist, ist nicht zu verdrängen. „Doppler“ ist ein nachwirkendes Buch.


    Sehr gut gefallen haben mir die langsame Entwicklung der Freundschaft zwischen dem Hobbybastler Düsseldorf und Doppler sowie die liebenswerte Vater-Sohn-Geschichte. Einzig das Ende des Buches fand ich persönlich ein wenig zu aufgesetzt, es wirkte nicht realistisch, sondern eher etwas konstruiert.


    Mein Fazit: Wer eine kurze, witzig-charmante Geschichte über den Sinn des Lebens lesen möchte, wird mit Erlend Loe’s „Doppler“ eine gute Wahl treffen. In diesem Sinne „Carpe Diem!“ und im Leben geht es um mehr als nur um die Tüchtigkeit.



    Über den Autor

    Erlend Loe, geboren 1969 in Trondheim, Studium der Literaturwissenschaften in Oslo, später an der Dänischen Filmschule in Kopenhagen und an der Kunstakademie in Trondheim. Lebt als Schriftsteller, Drehbuchautor und Übersetzer in Oslo.


    Mit dieser Rezi geht an Gruß an Wirbelwind! :friends:

  • Ein Buch, das mit viel Humor zeigt wie wichtig die kleinen Dinge des Lebens sind und man das Jetzt trotz aller Zielstrebigkeit nie vergessen darf, vermute ich. :wink:


    Liebe Grüsse
    Wirbelwind


    :study: Bill Bryson, Shakespeare wie ich ihn sehe

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Ein Buch, das mit viel Humor zeigt wie wichtig die kleinen Dinge des Lebens sind und man das Jetzt trotz aller Zielstrebigkeit nie vergessen darf, vermute ich. :wink:

    Ja, liebe Wirbelwind, das trifft es genau. :thumleft:

  • Das hört sich aber sehr interessant an! Ich habe das Buch prompt bei Tauschticket angefordert - dann werde ich berichten. O:-)

  • Ich glaube, es ist schon an die zwei Wochen her, das ich dieses kleine, feine Buch lesen durfte. Aber trotzdem und obwohl ich einige andere Bücher in der Zwischenzei gelesen habe, ist mir das hier immer noch im Kopf präsent. Manchmal habe ich über Doppler herzhaft lachen können, aber oft genug ist mir das Lachen auch im Halse steckengeblieben. Wirklich ein tolles Buch!
    Und es hat auch bei mir einen Stachel hinterlassen... :thumleft:

  • Nochmals einen herzlichen Dank an Karthause für die Rezi und die Empfehlung!


    Nun ist schon einiges zum Buch gesagt worden und ich werde nicht mehr besonders auf den Inhalt eingehen. Das Buch war ellenlange auf der Wuli, dann auf dem SUB, und ich holte es – auch wenn es überwiegend im Winter spielte – in einer für mich günstigen Periode hoch : Für das ganz, ganz Anspruchsvolle habe ich in diesen Sommerwochen wohl nicht den Kopf frei, nicht nur wegen der Hitze. Dieses Buch gönnte Unterhaltung, ja, auch ein amüsiertes Lachen, und ab und zu einen Gedanken zum Festhalten. Allerdings ist vieles so « lustig », fast absurd albern, geschrieben, dass der eventuelle Anspruch eben relativiert werden könnte, bzw. ich es so empfinde. Insofern nahm ich es letztlich doch eher als eher « leichte Kost ».


    Das Buch ist in unterschiedlich lange Kapitel aufgeteilt, die nach den ablaufenden Monaten von November bis Mai benannt sind, wobei die letzten beiden Monate zusammengenommen werden.


    Der Gedanke des Ausbrechens aus dem normalen Leben beschäftigt so manche Autoren, Bücher und, ja eben und auch unsereins. Und dann macht man meist wieder kehrt und geht zurück in den Alltag. Wie dieser Ausbruch hier abläuft erfahre ich aber wegen einiger Beiläufigkeiten eher als amüsant, denn als wirklich einladend.


    Ansprechend wurden manchmal jene Begegnungen, sei es mit Düsseldorfer, sei es mit dem Einbrecher oder dem eigenen Sohn. Für einen Wortaustausch erscheinen dann manche Dinge in einem ernsteren Licht.


    Was die Vater-Sohn Geschichte anbetrifft, könnte man dies auch in den Plural setzen: Doppler in Beziehung zu seinem Vater, er in Bezug auf seinen Sohn; dann auch Düsseldorfer in der Auseinandersetzung mit seinem (deutschen) Vater. Schlüsselbeziehungen eines Lebens...


    Ich habe mir folgende Zeilen herausgeschrieben :


    Der Drang, immerzu etwas zu tun, steckt uns tief in den Knochen. Dinge zu erfinden. Solange man tätig ist, ist sozusagen alles gut, egal wie bescheuert die Tätigkeit ist. Wir wollen Langeweile um alles in der Welt vermeiden, aber ich spüre, dass ich anfange, Langeweile zu mögen. Langeweile wird unterschätzt.


    Mal was anderes !

  • Ich finde die Idee von Doppler einfach nur klasse. Natürlich ist es ein bisschen verrückt mitten im Winter in Norwegen im Wald zu leben, aber was tut man nicht alles um nichtmehr tüchtig zu sein und seine Ruhe zu haben. Der Schreibstil war ein bisschen gewöhnungsbedürftig, es gibt zB keine richtige wörtliche Rede. Dennoch hat mich das Buch überzeugt.


    Meine Bewertung: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: