Ian McEwan - Der Trost von Fremden / The Comfort of Strangers

  • Inhalt: (amazon)


    Hochsommer in Venedig, die Stadt ist von Touristen überschwemmt. Auch
    Mary und Collin sind hier im Urlaub. Parfümiert und sorgfältig
    gekleidet, machen sie sich auf den Dinnerspaziergang durch die Stadt.
    Und dann lauert im Labyrinth der beklemmend engen Gassen ein Fremder
    auf sie, der ihr Schicksal bestimmen wird ...


    Pressestimmen:
    "Ein Alptraum vom Bösen und vom Unterwegssein, ein überzeugender und
    schwer abzuschüttelnder Alptraum. Doch seine Details sind dermaßen
    einfallsreich und präzise, dass man Entzücken empfindet." (The New York
    Times Book Review)
    "Eine spannende, hintergründige, prächtig erzählte Geschichte." (Südwestfunk)
    "Jeder
    Mensch ist ein Abgrund; es schwindelt einem, wenn man hinabsieht:
    Dieser Satz aus Georg Büchners 'Woyzeck' könnte als Motto über Ian
    McEwans Roman stehen. Der Trost von Fremden ist ein irritierendes,
    atmosphärisch dichtes kleines Meisterwerk." (Neue Zürcher Zeitung)




    Meine Meinung:


    Ich mag Ian McEwan's Romane einfach.
    Ich lese sie sehr gerne, da er ein außerordentlich guter Erzähler ist. Er beschreibt Einzelheiten, ohne dass es langweilig wird, er erzählt die Geschichten und erzeugt mit einfachen Stilmitteln, ohne sich großer Worte zu bedienen, die Gefühle, die er beim Leser wecken möchte.
    Das hat er auch hier geschafft.
    Eigentlich ist es mit 189 Seiten eher ein Büchlein als ein Buch, aber auch hier ist eine dichte Erzählung entstanden, die diverse Gefühle weckt, am ehesten Beklemmung und aufgestellte Nackenhaare.


    Aber mir hat die Geschichte an sich nicht gefallen. Der Inhalt selbst war mir etwas zu abstrus, zu "herbeigeführt" und unwahrscheinlich.
    Mehr kann ich zum Inhalt nicht sagen, ohne zuviel zu verraten.
    Wie der Titel dazu passt (geschweige denn das Titelbild) kann ich mir auch nicht recht erklären.


    Alles in allem bekommt das Buch von mir :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: Sterne.

    "Wir leben alle unter dem gleichen Himmel, aber wir haben nicht alle den gleichen Horizont."
    Konrad Adenauer


    :study: Ashley Audrain - Der Verdacht











  • Ich habe das Buch in einer Leserunde hier gelesen und ich muss sagen, dass es bisher das Schwächste von Ian McEwan war, das ich gelesen habe. Es waren zwar alle Merkmale vorhanden, die ich sonst an seinem Schreibstil so schätze, z.B. seltsame, verschrobene Charaktere mit angeknackster Persönlichkeit, in deren Leben etwas deutlich schief zu laufen scheint, was auf den ersten Blick vielleicht nicht ganz ersichtlich ist. Ebenso das Spiel des Autors mit Absonderlichkeiten, bei denen man als Leser unweigerlich angewidert das Gesicht verziehen muss. Vor allem Letzteres war hier ganz stark vertreten. Trotz allem konnte mich die Geschichte in den knapp 200 Seiten nicht ununterbrochen fesseln, wie es sonst bei mir bei diesem Autor der Fall war und zeigte einige Längen auf. Kurz vor Schluss nahm "Der Trost von Fremden" mit Szenen, die fast Thriller-Charakter hatten, noch einmal richtig Fahrt auf. Dementsprechend große Erwartungen hatte ich an das Ende, was aber leider eine große Enttäuschung war, denn es war sehr abrupt, wirkte wie schnell hingekritzelt und hat nicht zu der ansonsten detailreich beschriebenen Geschichte gepasst. Insgesamt gesehen mit Sicherheit kein Fehlgriff, aber leider trotzdem eine kleine Enttäuschung.
    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • Dass McEwan seine Leser gern verstört, wissen alle, die schon mehrmals das Vergnügen mit seinen Werken hatten („Abbitte“, „Der Zementgarten“). Auch hier spielt der Autor gekonnt mit den Gefühlen, die er beim Leser wach ruft.


    Mary und Colin – ein Liebespaar, so scheint es. Sie machen zusammen Urlaub in Venedig (die Stadt wird nie genannt, ist aber eindeutig zu identifizieren), haben ein reges Sexleben und kennen einander gut. Dass sie nicht mehr die Jüngsten (aber auch nicht alt) sind, erschließt sich aus dem Zusammenhang, da Mary aus einer geschiedenen Ehe halbwüchsige Kinder hat, die zur Zeit bei ihrem Ex-Mann sind.


    Dennoch: So richtig kann man die Beziehung der beiden nicht einordnen. Mal scheinen sie einander zugetan und gehen liebevoll miteinander um, mal langweilen sie sich miteinander, mal reagieren sie distanziert oder zickig auf den anderen.
    Beiden fehlt der Orientierungssinn, und so verirren sie sich regelmäßig in Venedigs Gässchen, wenn sie mal wieder ihre Stadtpläne im Hotel liegen gelassen haben, müssen sogar im Freien übernachten.
    Schon hier spürt der Leser eine leise Bedrohung, die man jedoch in die Köpfe der Protagonisten abschieben kann. Sie sind dunkel, diese Gassen, Sträßchen und Hinterhöfe, führen anscheinend nirgendwo hin, und wer dort lebt und sich umhertreibt, weiß man nicht.


    Sie begegnen einem Mann, der sie einlädt und der ihnen aus ihrem Irrwege-Dilemma heraus zu helfen scheint. Schon die erste Begegnung birgt unterschwellige Gewalt. Der Leser spürt es, er ahnt Schreckliches auf Mary und Colin zukommen, dennoch rennen die beiden sehenden Auges in ihr Unheil. Trotz der leisen Attacken und trotz ihres Unwohlseins in der Gegenwart des Mannes lassen sie sich auf weitere Treffen ein. Und es kommt noch viel schlimmer und grauenvoller als man es sich ausmalen konnte.


    Irritiert, aufgewühlt und fassungslos bleibt der Leser zurück.


    Ich habe die letzten 8, 9 Seiten ein zweites Mal lesen müssen, weil ich es kaum glauben konnte.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • "Der Trost von Fremden" ist ein schmales, aber verstörendes Buch.
    Mary und Colin sind zwar ein Liebespaar, dennoch scheinen sie einander nicht immer nah. Sie verirren sich in Venedig, die Straßen führen ins Dunkle. Sie treffen Robert, der ihnen scheinbar hilft. Das Ganze wirkt recht früh bedrohlich, gespannt liest man und kann das Ende dann doch nicht glauben.
    Mit seiner eher distanzierten Sprache schafft McEwan es, die sommerliche Atmosphäre Venedigs und das sich über dem Paar zusammenbrauende Düstere zu beschreiben.
    Dennoch: Das Handeln der Beiden ist nicht nachvollziehbar, dass sie Robert trotz Vorahnungen trauen und ihm folgen nicht ganz verständlich. Oder ist es ihnen egal, suchen sie die Gefahr?
    Auf jeden Fall irritiert die Geschichte und entwickelt eine Sogwirkung, der man sich kaum entziehen kann.