Anmerkung zum Buch
Für diejenigen, die gerne Fantasy lesen, sind Vampire, Feen, Werwölfe und weitere Wesen ebenso wenig etwas Ungewöhnliches wie auch manch paranormale Ereignisse. Letzteres Thema macht sich die Autorin Kelley Armstrong zu Nutze und schafft damit ein Lesevergnügen der gruseligen Art.
Anhand einer Rückblende, durch die der Leser die Hauptprotagonistin Chloe als kleines Mädchen kennenlernt, bekommt man einen Vorgeschmack auf das, was uns in dem Buch erwartet und ganz nebenbei wirft die Autorin hier bereits das erste Rätselnetz aus. Chloe selber habe ich schon hier in mein Herz geschlossen, ganz ohne, dass ich wirklich etwas über sie wusste und schuld daran waren einzig und allein ihre Hausschühchen – ein Mädchen mit einem solch exzellenten Schuhgeschmack muss man einfach lieben!
Nach dem kurzen Abstecher in die Vergangenheit steigt der Leser in die Geschichte ein, als Chloe bereits 15 Jahre alt ist. In ihr finden wir ein junges Mädchen, welches seit dem Tod ihrer Mutter und mit einem Vater, der sich überwiegend auf Geschäftsreise befindet, größtenteils auf sich selbst gestellt und dementsprechend selbstständig ist. Weiter findet der Leser in Chloe jedoch auch jemanden, der sich nach vielen Umzügen und Schulwechseln nach einer Konstante und Normalität sehnt. Als sie plötzlich einen längst verstorbenen Mann sieht und Chloe in das Lyle-House gebracht wird, ist es mit der Aussicht auf eben dies natürlich vorbei. Wenngleich sie durchaus selbstbewusst, klug und aufgeweckt ist, wirft sie ihre neue Situation anfangs verständlicher Weise aus der Bahn und so ist es auch nicht verwunderlich, dass Chloe so verunsichert ist, dass sie leise beginnt, an sich selbst zu zweifeln. Dieses hin- und hergerissen sein zwischen dem, was das Gefühl sagt und dem, was der Verstand für logisch erachtet, wurde hier nachvollziehbar, glaubwürdig, einfühlsam und durchaus spannend beschrieben.
Während Chloe den Leser als Ich-Erzählerin durch das Buch führt, ihn an ihren Gedanken teilhaben lässt, ihn durch ihre Augen das Lyle-Haus erkunden und dessen Bewohner kennenlernen lässt und mit uns ihre Ängste davor, was wirklich mit ihr los ist und der stetig geringeren Aussicht auf ein normales Leben teilt, vergisst die Autorin nicht, auch die restlichen Charaktere für den Leser greifbar zu machen. Zwar sehen wir nur das, was auch Chloe sieht, doch das ist zum Glück so einiges und so kristallisiert sich nach und nach bei jedem der Charaktere eine eigene Persönlichkeit heraus, die durch die jeweiligen Vorgeschichten noch untermauert wird. Einzig Tori kann man nach diesem Buch noch nicht so recht einordnen, was daran liegt, dass sie sich von den anderen Teenagern distanziert und ihnen stets mit einer gewissen Abwehrhaltung und Arroganz begegnet. Allerdings macht sie auch genau diese Tatsache zu einem interessanten Charakter und man fragt sich nicht nur einmal, was alles hinter ihrem Verhalten steckt.
Doch auch Derek, der anfangs sowohl auf Chloe als auch auf die anderen Teenager im Lyle House und den Leser einen unheimlichen Eindruck macht, ist alles, nur nicht uninteressant. Sein überhebliches Verhalten, das stete unbemerkte Auftauchen und seine Wortkargheit machen ihn zu jemandem, auf den man, trotz des Misstrauens ihm gegenüber, sehr neugierig ist. Ebenso sein Bruder Simon, der auf der einen Seite nett und zuvorkommen wirkt, auf der Anderen jedoch ganz offensichtlich etwas zu verbergen hat und Rae, die im Vergleich zu den anderen Patienten zwar relativ offen, aber eben nicht ohne Grund in der Wohngruppe ist, schüren das Misstrauen gegenüber allem, was um Chloe herum passiert.
Durch das Haus, in dem sich die Wohneinrichtung befindet, wird der Geschichte ohne viel Schnickschnack ein gruseliger Beigeschmack verliehen. Keine geschlossenen Zimmertüren, unheimliche Aufseher, marode Bauten oder der Gleichen, sondern vielmehr die Tatsache, dass der gesamte Tagesablauf peinlich genau geregelt ist und die Teenager insoweit von einander fern gehalten werden als dass niemand von ihnen die Gelegenheit bekommt, sich mit den anderen über die Einrichtung auszutauschen und sich untereinander besser kennenzulernen, suggeriert dem Leser, dass da irgendetwas nicht so ist, wie es sein sollte und dass der äußerliche Schein manchmal trügerisch ist. Untermauert wird dieser Eindruck durch die Patienten. Jeder dieser Teenager ist aus einem anderen Grund im Lyle-Haus und wenngleich sie teilweise wie ganz normale Jugendliche wirken, merkt der Leser bald, dass da noch mehr ist und man beginnt schließlich damit, sich durch die verschiedensten Szenen ein Bild davon zu machen, um was genau es sich dabei handelt.
Langsam in die Handlung eingeführt, steigt das Tempo ab der Mitte des Buches. Einige der vorher aufgekeimten Fragen werden beantwortet, andere wiederum aufgeworfen und überraschende Erkenntnisse schüren die Spannung so weit, dass der Cliffhanger, auf den die Autorin natürlich nicht verzichtet hat, zu einer Qual wird und der Leser kurzzeitig frustriert auf den letzten Satz dieses ersten Bandes schaut.
Fazit
„Schattenstunde – Die dunklen Mächte“ ist der Auftakt einer neuen Buchreihe und ebenso vielversprechend wie abwechslungsreich in der weiten Welt der Fantasy.