Schwejk wird in den Krieg geschickt. Trotz amtlich anerkannter Blödheit, trotz Parodie auf die Kaiserlich und königliche Doppelmonarchie. Mit seiner Gelassenheit und strikten, wörtlichen, Befolgung dienstlicher Vorschriften kommt er zwar desöfteren in lebensbedrohliche Situationen, aber er ist gewissermaßen unberührbar in seiner Souveränität. Was für eine geniale Idee ist es immer dann eine Geschichte aus der Nachbarschaft zu erzählen, wenn sich der Militarismus gegen einen selbst richtet. Auf mich wirkt da ein unglaublicher Reiz die Blödheit, die sich in Uniform ja besonders gut hält, durch mit freundlichem Gesicht in liebenswürdiger Blödsinnigkeit gegen die Wand zu führen; die Wand, die da heißt Leben (Wortwitz, Gemeinsinn, Freude, Liebe, ...). Daneben blitzen die Realität des verknöcherten, strukturell rassistischen Ungetüms der K.u.K.-Monarchie auf - die herrschende Schicht, die ausgefüllt wird von Deutschen. Die Konflikte in diesem komplizierten Feudalsystem, in dem ein jeder nach allerlei Herkunftsfaktoren seinen Stand zugewiesen bekommt und ordentlich kriechen muss, sich selbst verblöden - hervorragend gezeigt am "Leutnant Dub" - und doch nicht die Anerkennung bekommt, die er erstrebt. Manchmal hatte ich im Kopf, dass Schwejk ein Don Quijote und ein Sancho Pansa in einer Person ist - aber so viel mehr an Klarheit macht ihn doch eher zu einzigartigen literarischen Gestalt. Und nach 800 Seiten hätte ich immer noch gerne weitergelesen.
Es war eine so ergreifende Rede, dass sich Schwejk, der sich zusammen mit Wanek in der improvisierten Kanzlei im Waggon befand, als sie nach Wieselburg fuhren, an diese Ansprache erinnerte und zum Rechnungsfeldwebel sagte: "Das wird sehr fein sein, wies der Herr Feldkurat gesagt hat, bis der Tag zur Neige geht und die Sonne mit ihren goldenen Strahlen hinter den Bergen untergehn wird und auf dem Schlachtfeld, wie er gesagt hat, der letzte Atemzug der Sterbenden zu hören sein wird, das Röcheln der sterbenden Pferde und das Stöhnen der Verwundeten und das Jammern der Bevölkerung, wenn ihnen die Hütten überm Kopf brennen wern. Ich hab das sehr gern, wenn Leute so blödeln wie verrückt." Wanek nickte zustimmend mit dem Kopf. "Es war eine verdammt rührende Geschichte."
"Es war sehr hübsch und lehrreich", sagte Schwejk, "ich hab mirs sehr gut gemerkt bis ich ausn Krieg zurückkomm, wer ichs beim "Kelch" erzähln. Der Herr Kurat hat sich, wie er uns das auseinandergesetzt hat, so hübsch in Positur gestellt, daß ich Angst gehabt hab, daß ihm eine Haxen ausrutscht und er aufn Feldaltar fällt und sich seine Kokosnuß an der Monstranz zerbricht. Er hat uns so hübsche Beispiele aus der Geschichte unserer Armee erzählt, wie noch Radetzky gedient hat und wie sich mit der Abendröte das Feuer vermischt hat, wie die Scheunen aufn Schlachtfeld gebrannt ham, als ob ers gesehn hätt."
Tucholsky hatte damals auch eine sehr schöne Rezension geschrieben.