Alexander Iwanowitsch Kuprin - Die schöne Olessja– eine Liebesgeschichte aus dem alten Russland

  • Den russische Adligen Iwan Panytsch hat es für ein halbes Jahr in ein gottverlassenes Dörfchen verschlagen und aus Langweile und Neugier macht er sich auf die Suche nach der sagenhaften Hexe, die im angrenzenden Wald leben soll. Er findet jedoch nicht nur die alte Hexe Manuilicha, die wegen ihr nachgesagter übernatürlichen Kräfte aus dem Dorf verbannt wurde, sondern auch deren wunderschöne und intelligente Enkelin Olessja.
    Wie es sich für eine Liebesgeschichte gehört, verliebt sich Iwan in die junge Frau, doch das „Schicksal“ ist dieser Liebe nicht gnädig…


    Diese traditionelle Erzählung zählt zu einer der bedeutendsten des silbernen Zeitalters der russischen Literatur. Mag sie auch nur 120 Seiten kurz sein, impliziert sie viele Aspekte der Russischen Gesellschaft am Beginn des 20. Jahrhunderts.
    Das Städtische trifft das Dörfliche, der Aufgeklärte das Metaphysische, der Humanismus die Barbarei…


    Kuprin, zunächst Anhänger und Unterstützer der russischen Revolution, äußert seine Einstellung auch in dieser Erzählung:
    Zu allem anderen war mir dieses Händeküssen zuwider(…). Hierbei handelte es keineswegs um die Regung eines dankbaren Herzens, sondern einfach um eine abscheuliche, durch jahrhundertelange Sklaverei und Unterdrückung eingeimpfte Angewohnheit.


    Seine Abneigung gegen die bewaffnete Macht, deren Angehöriger er selbst 14 Jahre lang war, versteckt er auch nicht:
    Und ich wunderte mich nur über den besagten Buchhalter aus dem Unteroffizierstande und den Landpolizeiaufseher, wenn ich sah mit welch unerschütterlicher Wichtigkeit sie ihre riesigen roten Tatzen den Lippen der Bauern hinhielten.


    Mit starkem Einfühlungsvermögen und wohlgesinnten Worten beschreibt Kuprin das Leben der zwei verstoßenen Frauen, die Entwicklung der Liebe zwischen Iwan und Odjessa. Die Illustration der schleichenden Missgunst des Dieners und der Reaktion der Dorfbevölkerung gelingt ihm einwandfrei indem er auf dramatische Effekte verzichtet.
    Und doch ein Wermutstropfen: Dem Übersinnlichen und dem sogenannten Schicksal wird eine Bedeutung beigemessen, die mich unangenehm berührt hat.


    Alexander Iwanowitsch Kuprin (1870 – 1938 ) verfasste Erzählungen aus dem Alltagsleben Russlands. Die verschiedenen Berufe und wechselnde Arbeitsplätze ermöglichten ihm Kontakt zu unterschiedlichsten Menschen und diese wurden Protagonisten seiner Geschichten. Neben den zahlreichen Novellen, veröffentlichte er auch mehrere Romane, so Das Duell, der einen differenzierten Blick auf das Militär wirft, dann der Moloch, wo kritisch die früh-kapitalistische russische Industrialisierung thematisiert wird.
    1919 emigriert Kuprin zunächst nach Finnland und kurz danach nach Paris. Obwohl von russischen Schriftstellern umgeben, acht Erzählbände und drei Romane in Riga, Paris, Berlin und Belgrad veröffentlicht werden, kann er sich mit dem Emigrantenleben nicht abfinden.
    "Über Russland nach einem optischen Gedächtnis kann ich nicht schreiben", meint er und widmet sich der dokumentarischen Prosa aus dem in Frankreich erlebten.
    1937, an fortgeschrittener Demenz leidend, laut Bunin, kehrt er in die Sowjetunion zurück, wo er ein Jahr später stirbt. (Quelle: Wolfgang Kasach)

    [i][color=#000066][font='Verdana, Helvetica, sans-serif']Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand. [size=8](Erasmus von Rotterdam)